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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 3
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Schnorr von Carolsfeld, Ludwig: Altes Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0124

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ALTES PORZELLAN

VON

LUDWIG SCHNORR von CAROLSFELD

^•A ie Berliner Porzellanmanufaktur, die sich
<t,f-w\ auf dem Gebiet der figürlichen Plastik mit
§■ \(f XJ keiner der anderen grossen Fabriken auch
oflifes^ nur annähernd messen kann, steht hin-
-^LtuasMt sichtlich der Gefässbildnerei mit an erster
Stelle; sie überragte sogar zur Zeit ihrer höchsten
Blüte (zwischen 1764 und 1775) die Rivalin in
Meissen, sowohl an Originalität der Erfindung wie
an Güte der Ausführung. Freilich muss man be-
denken, dass die Berliner Fabrik mit frischen Kräften
zu einer Zeit einsetzte, da die anderen Manufakturen
bereits im Niedergang begriffen waren.

Zu den künstlerisch wertvollsten und historisch
bedeutsamsten frühen Schöpfungen der Berliner
Manufaktur gehört zweifellos ein Kaffeeservice,
das kürzlich vom Berliner Kunstgewerbemuseum
aus der bei Lepke versteigerten Sammlung Clemm
in Berlin erworben wurde. Es ist eine sogenannte
„Tete-ä-Tete", aus sechs Teilen bestehend, nach-
weislich ein Geschenk Friedrichs des Grossen
an seinen Freund, den General und Dichter de
la Motte-Fouque. Zuletzt gehörte es zum Fidei-
kommiss der Familie von Pfuel-Wilkendorf, ge-
langte nach Auflösung des Fideikommisses Ende
der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts bei
Lepke zur Versteigerung und kam in die Sammlung
Clemm. Der Brief Friedrichs des Grossen, der dem
General zugleich mit dem Service übersandt wurde,
datiert vom 22. April 1764, ein halbes Jahr nach
der Übernahme der Gotzkowskyschen Manufaktur
durch den König. Wie sich aus dem Inhalt des
Briefes ergiebt, muss der General sich etwas spöttisch

über die königliche Fabrik geäussert und die Güte
ihrer Leistungen bezweifelt haben. Als beste Ant-
wort schickte ihm Friedlich dies Service, das nach
seinen Worten schöner als irgend ein in Meissen
geschaffenes sein sollte. Die Form des „Tcte-ä-
Tete ist im sogenannten „Neuzierat" gehalten, der
hier vielleicht zum erstenmal seine typische Aus-
gestaltung erfahren hat. Das goldene Gitterwerk
am Rande wird durch goldenes Gezweige fort-
gesetzt, das die in kräftigem Eisenrot gemalten
Scenen im Stile von Watteau umrahmt. Das
Porzellan zeigt noch den milden milchfarbenen
Ton, der der Frühzeit der Berliner Manufakturen
eigen ist.

Ein zweites Berliner Service im sogenannten
„Kurländer Muster" (um 1780) wurde zugleich
mit dem eben genannten vom Berliner Kunst-
gewerbemuseum aus der Sammlung Clemm er-
worben. Es ist noch vollständig im alten Kasten-
futteral erhalten und gemahnt uns an die gute alte
Zeit, da man auf Reisen sein eigenes Service mit-
führte und noch keine Bekanntschaft mit dem dick-
wandigen Hotelporzellan zu machen brauchte. Das
„Kurländer Muster" repräsentiert im Gegensatz zu
dem im reifen Rokoko gehaltenen Fouque-Service
ziemlich rein den Stil Louis XVI. Auf blassgelbem
Grunde steht breites goldenes Stabwerk, goldenes
Tuchgehänge schwingt sich um den Fries und in
den von Rosenkränzen umrahmten Medaillons
schweben Amoretten auf Wolken; ein wenig kraft-
los in den Farben im Hinblick auf die strenge
Form und die Gliederung der Gefässe.

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