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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 9
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Walser, Robert: Über das russische Ballet
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0429

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ÜBER DAS RUSSISCHE BALLET

VON

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Bild und 1

ROBERT WALSER

"ie sind reizend, die russischen
fTänzerinnen von der Peters-
burger Hofoper. Sie tanzen
sehr gut, und sie haben jetzt
in Berlin sehr viel Beifall und
einen grossen, aufrichtig emp-
fundenen Erfolg errungen.
Vielleicht lässt das tief blicken,
vielleicht auch nicht, genug, wir sind sehr zufrieden,
sehr erfreut, grossenteils sogar entzückt gewesen.
Wir sind von einzelnen Tänzen sogar geblendet wor-
den. Es giebt da unter diesen Russinnen eine grosse
Künstlerin, Anna Pawlowa, eine sehr bewusste,
sehr intelligente, bis zu gewissen Grenzen ohne
Zweifel geistvolle Künstlerin. Hiesige Blätter haben
sie die Königin des Tanzes genannt, und sie ist es
offenbar. Sie ist wundervoll. Ah, dieses kunst-
geniessende und -verstehende Berlin, wie sonder-
bar es doch in manchen Dingen ist! Und dann
der Erfolg, wie komisch er oft ist! Doch lassen
wir das. Reden wir von süssen, von tänzerischen
Dingen, nicht von so dummen, ich möchte beinahe
sagen kuhdummen und plumpen Dingen, wie vom
Erfolg und seine Fabrik. Seien wir lustig, reich,
leicht, gefühlsinnig, höflich, brav und artig.

Eine ganz kleine Emporkömmlingsunverschämt-
heit liegt wohl darin, dass Einer wie ich, der den
Tanz nie studiert hat, nun da so über den, von
dem und um den Tanz herum kribbeln und krab-
beln will. Und doch, ich fühle zu lebhaft mit, als
dass ich sagen könnte: „Nein, ich schreibe nicht".
Und was schadet es denn, die Brust voll ange-
nehmer Empfindungen, sich ein wenig zu blamieren?
Ja, angenehme Empfindungen, reizende Gesichter,
hübsche, schöne Bewegungen, süsse Erinnerungen,
Ursache zu Dank und Huldigungen hat uns das
russische Ballett als Geschenk hinterlassen. Es ist
da ein ganz dummes Stück: „Harlekins Millionen".
Die Pawlowa sitzt wie eine jugendliche Fürstin auf
einem gebrechlichen, unwahrscheinlichen, kleinen
Balkon und schaut mit wunderbarer Gebärde auf
den Haufen Leute hinunter, die offenbar Italiener
sind, die offenbar Nächtliches, Abenteuerliches,
Liedersingendes, Troubadourartiges da unten trei-
ben. Und das ist vielleicht das Zierlichste, Blen-
dendste und Schönste von allem gewesen: dieser
Balkonzauber.

Der Sinn des Stückes ist ohne Zweifel der
Sieg der zärtlichen Liebe über den Geldgeiz und
über das Alter, das jung und dumm tun will. Oder

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