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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 5
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Grautoff, Otto: Rodins Zeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0236

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RODINS ZEICHNUNGEN

VON

OTTO GRAUTOFF

AUGUSTE RODIN, VASE ANTIQUE

Dem Bildhauer Rodin ist, nach einem Menschenalter des
Wartens, Anerkennung geworden; der Zeichner Rodin
findet noch heute mehr Spott als Verehrung. Wenn man
sich aber einmal entschliessen wird, das Lebenswerk dieses
Genies zusammenzustellen, so wird aus seinem Zeichnungs-
werk vielleicht am unmittelbarsten die Art und die Ent-
wickelung des Naturereignisses, das Auguste Rodin heisst,
herausgelesen werden können. Und noch mehr. Fünfzig
Jahre französischer Kunstentwickelung spiegeln sich in
diesem graphischen Werk. In den frühesten Zeichnungen
aus des Meisters Jugend erkennen wir die solide Tradition
der Pariser Akademie. Auf der starken und festen Basis,
die er in der Zeichenschule gewann und die er im Studium
der Antiken des Louvre ausbaute, errichtete er das Werk
seiner Persönlichkeit. In den siebziger Jahren gewann er
unter den Impressionisten Freunde. Er stand mit Bewun-
derung vor Corots Zartheit und vor Courbets männlicher
Kraft, er liebte Rousseau und verehrte Daubigny. Um diese
Zeit hat Rodin Landschaften gezeichnet und gemalt, die am
besten vielleicht malerischen Arbeiten Falguieres zu ver-
gleichen sind. Aber das Landschaftern war ihm doch nur
Nebenbeschäftigung, nur ein Ausdruck seiner alles umfas-
senden Liebe zur Natur. Pinsel und Pastellstift legte er bald
wieder beiseite und griff zur Feder, zum Bleistift und zur
Radiernadel. Erst in seiner letzten Periode hat er die rasch
hingeworfenen Bleistiftzeichnungen wieder mit Aquarell
färben getönt.

Das Wesentliche in Rodins Empfindungswelt ist heid-
nische Sinnlichkeit, die sich, unbeschwert von Gesetzen

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