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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 11
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Wohlin, Karl: Ernst Josephson
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0493

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■M

ERNST JOSEPHSON

VON

KARL WO HL IN



ie Sturzwelle neuer Ideen, die
sich in der zweiten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts über
die europäischen Kulturländer
ergoss und innerhalb der Lite-
ratur und Kunst ganz neue An-
schauungen hinterliess, kam
etwa um die achtziger Jahre nach Schweden. Wie
in Dänemark, so ging auch dort die literarische Be-
wegung der künstlerischen voraus. Jene fand ihren
vorzüglichsten Vertreter in August Strindberg, diese
in Ernst Josephson.

Von Allen, die diesen Jahren ihr Gepräge gaben,
sind diese Beiden die einzigen monumentalen Per-
sönlichkeiten gewesen. In einer analysierenden
und reflektierenden Zeit waren sie die einzigen
spontanen nnd passionierten Naturen, beide von
titanisch-kraftvollem Aufbau, der eine dämonisch
gehässig und giftig, der andere dionysisch lebens-
trunken, mit einem Klang starker und stolzer Musik,

der durch sein ganzes Wirken geht. Das Zentrale
in Josephsons Streben war die Ausbildung und Ver-
folgung der künstlerischen Idee, während Strindberg
lvünstler wurde fast gegen seinen Willen, gezwungen
durch seine wunderbare Begabung, die stärker ist
als alle seine Grillen und Vorsätze und die immer
wieder, im grellen Kontrast zu all seinen Grob-
heiten, durchleuchtet. Gegen den Hintergrund der
desperaten Sonderlingslaune Strindbergs, für die alle
Verhältnisse im Leben überwiegend peinvoll werden,
hebt sich deutlich der soziale und familiäre Zug in
Josephsons Natur ab, die an einem nie gestillten
Durst nach Verständniss und Zusammengehörigkeit,
nach Vertiefung aller menschlichen Verhältnisse
leidet und bereit ist, für Die, die sie liebt, durch
Wasser und Feuer zu gehen. Während Strindberg
schon nach wenigen Jahren an der Spitze einer
Herde von feurigen Bewunderern stand, die sich
gar nichts Besseres wünschten, als ihn zu ihrem
Häuptling auszurufen, an denen er jedoch gleich-

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