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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 11
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Wohlin, Karl: Ernst Josephson
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0494

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gültig vorüberging, vereinsamte Josephson mehr und
mehr, stand er da ohne einen Kreis von Lauschern,
in deren Augen er ein Abbild seiner Visionen hätte
erblicken können.

Es war eine kraftvolle, tatenlustige Generation,
die sich nach ihren Stockholmer Lehrjahren um das
Jahr 1880 in Paris versammelte. Carl Larsson,
Per Ekström, Richard Bergh, Georg Pauli, Nils
Kreuger, Karl Nordstrom, Hugo Birger, Robert
Thegerström, Allan Österlind fanden sich dort
zusammen. Hasselberg lebte da und verdiente sich
seinen Unterhalt als Modelltischler, um sich in
seinen Freistunden zum Bildhauer auszubilden, bis
er entdeckt und in den Kameradenkreis in der „Ecke"
eingeführt ward — wie die Schweden das kleine
Cafe im Quartier Latin nannten, wo sich die Künstler
manchmal des Abends versammelten. Hier fand
sich 1879 auch Ernst Josephson ein, und seine ge-
niale und herzenswarme Persönlichkeit wurde die
zusammenhaltende Kraft in dieser freien Brüder-
schaft. Hier diskutierte und kritisierte man die
kläglichen Kunstverhältnisse der Heimat im Ver-
gleich zu dem brausenden Leben, das dort, in der
Weltstadt, all diese jungen Anhänger der Gesichts-
punkte moderner Kunst umgab und ihren Arbeiten
Lust und Schwung verlieh. Es war — im grossen
und ganzen — Schwedens Zukunft in der Kunst,
die hier empordämmerte, und so empfand man es
auch und handelte darnach.

Man entwarf Feldzugspläne und kam überein,
das alte Schweden durch Überrumpelung zu nehmen.

Eines der schwerwiegendsten Argumente, die
gegen die Leitung der Kunstakademie sprachen, war,
dass die Statuten, die darauf ausgingen, möglichst
oft, am liebsten alljährlich Ausstellungen zu veran-
stalten, seit vielen Jahren in Vergessenheit geraten
waren. Ausser den permanenten Ausstellungen in
den beiden Kunstvereinen fanden überhaupt keine
statt, und diese standen auf einem viel zu tiefen
Niveau, als dass sie den besten Künstlern als Lockung
hätten dienen können. Sie hatten ihre gegebene
Klientel von in Stockholm lebenden Künstlern,
deren Lebensunterhalt auf den Verkäufen in den
Vereinen fusste und deren Interessen da auch wohl
gefördert wurden. Ausserdem wusste man wohl,
wie gering die Sympathie war, auf die die Pariser
Künstler bei einer akademischen Ausstellung rechnen
durften. Ein Hauptpunkt des Programms war
darum: eigene und selbständige Ausstellungen der
jungen Künstler.

Die erste dieser Ausstellungen trug die Devise:

„Vom Seine-Strand", und kam im Mai 1885 zu-
stande. Sie trat unter den Zeichen des Kampfes auf.

Dank Josephsons unermüdlicher, energischer
und ziemlich diktatorischer Agitation war ein von
8 6 schwedischen Künstlern unterzeichnetes Manifest
zustande gekommen, das ausserordentlich durch-
greifende Reformen innerhalb der Akademie for-
derte. Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung
wurde es veröffentlicht, weckte ein unerhörtes Auf-
sehen und gab Anlass zu langwierigen Kämpfen, die
jedoch aus dem Rahmen dieses Berichts fallen.

Die Unterzeichner sammelten sich im Herbst
jenes Jahres — unter dem Namen der „Opponenten"
- zu einer neuen Ausstellung. Aber da man fand,
dass der Kampf sich nicht so rasch entscheiden
würde, als man gedacht hatte, machte das Bedürfnis
einer festeren Organisation sich bemerkbar, und es
ward im August 1886 in Göteborg der noch heute
bestehende „Künstlerbund" gegründet. Man nahm
als selbstverständlich an, dass Josephson der Leiter
werden würde; aber daraus wurde nichts. Er
weilte damals in Frankreich, und die Beschlüsse des
Verbands fielen nicht nach seinem Wunsch aus. Im
Jahr darauf Hess er folgende lakonische Mitteilung
in die Zeitungen einrücken: „Hiermit trete ich aus
dem Künstlerbund aus, wohingegen ich für immer
Opponent bleibe". Seine Bahn als Agitator war zu
Ende. Der kühne, fröhliche „Josef", die belebende
Seele des Kameradenkreises, war in Wahrheit schon
längst ein einsamer Mann ■— einsam mit seiner
Kunst. Die Geschichte seiner Künstlerschaft ist
ein Martyrium der Vereinsamung.

Man sagt, dass Sache und Persönlichkeit zu
trennen seien; aber wo es sich um einen Künstler
und sein Wirken handelt, gilt das nicht. Am we-
nigsten, wenn der Künstler Ernst Josephson ist.

Richard Bergh hat sein Porträt in folgenden
Worten gegeben: Er war gewaltsam in seinen
Gefühlen und Gefühlsäusserungen. Den einen
Augenblick voll rauschender Lebenslust, über-
schäumend vor Enthusiasmus, voll flammenden
Glaubens an sich selbst, an seine Sache, an seine
Freunde, an die ganze Welt; im nächsten Augen-
blick masslos düster oder voll wilden Harms, ver-
letzt von all den kleinen giftigen Nadelstichen, die
Alltagsmenschen immer bei der Hand haben gegen-
über dem Stimmungsmenschen — dieser Oppo-
sitionsnatur, die sich nicht innerhalb der Schranken
der alleinseligmachenden Korrektheit halten kann.
Aber unter dem gewaltsamen Äussern, tief in seinem
Innern, lebte eine weiche, seelenvolle, feine Natur.

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