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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Fischel, Oskar: Das künstlerische Modenbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0097

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Kleidermacher Petko am Kohlmarkt und Langer Der Ruf nach Künstlern soll heute nicht un

in der Himmelpfortgasse dichteten, bildete er ge- gefährlich sein. Sie werden im Gefühl ihrer Mission

zu leicht seelenvoll oder doktrinär; so wurden es

treulich und liebevoll mit seinem Stichel nach

Nur in seinen früheren Zeiten hat der Wackere
hin und wieder seine Figuren einen temperament-
vollen Schritt machen lassen, später begnügt er
sich, die kostbaren Modelle auf der Puppe zu stu-
dieren; sie haben fast immer den gleichen Kontur,
aber was uns trotz dieser Monotonie lockt, sie

wenigstens die Erfinder der nationalen Trachten,
unter die sich sogar der grosse David verirrt hat,
so die Vielen, deren Experimente in unseren
Tagen ihre braven Frauen zu wandelnden Bildern
stilisieren.

Von Segen war die Mitarbeit der Künstler an

anzusehen, ist das Verständnis, mit dem er seine der Mode und andern zum Leben gehörenden Dingen

saubere Handschrift schulte, um dem Schneider doch immer nur dann, wenn sie frisch und ohne

auf seinen Wegen zu folgen. Man denke: ein das Bewusstsein ihrer Würde Zugriffen, um bei Etwas

Akademieprofessor, der Kunstvereinsblätter stechen mitzuhelfen, das auch ihnen zugute kommen sollte;

konnte, giebt sich dazu her, nach Schneidern für
Schneider zu arbeiten: Es sind gestochene Mode-
berichte und sie haben Stil: adrett, knapp, zierlich
giebt er Schnitt, Nähte, Garnierung wieder. Es ist
die ganze Grazie und Präzision der Wiener Schnei-
derei in diesen Stillleben.

Was er hier für den soliden Schnitt der Bieder-
meierzeit geleistet hat, das gab Compte-Calix in
den „Modes Parisiennes" für die Zeit der Kaiserin
Eugenie. Er ist der Letzte, der über die Mode etwas
Temperamentvolles zu sagen hat. Die Krinolinen-
trägerinnen in Bewegung zu setzen scheint ihm ver-
gebene Mühe, aber das Leben der Stoffe ist ihm
aufgegangen, wie vorher nur Gavarni.

Dies Stehen, Wehn und Wippen in den Röcken
geht bis zur Illusion des Rauschens; als Maler
schwelgt er in den stumpfen Reflexen
der Taffete und Ripse, im Vor und
Zurück eines Volants, dem Aufglänzen
eines Seidenstreifens. ^jjj

Warum haben wir dergleichen
nicht mehr? Kein Künstler braucht zu
fürchten, dabei eine Perle aus seiner
Krone zu verlieren. Ein Hofmaler, ein
Galeriedirektor, ein Akademieprofessor
und ein — Gavarni haben dafür ge-
arbeitet, ein Balzac und ein Schlegel
ihr Auge darauf gehabt. Man resig-
niert auf einen Gavarni, aber einen
Stoeber oder Compte Calix könnten
wir aufbringen. Warum könnte für die
Mode nicht möglich sein, was Radierer
wie Peter Halm und Jacquemart leiste-
ten, als ihre Nadeln den Reiz von Ro-
kokomöbeln und Bijouterien nach-
schufen?

,de man einer Frau Blumen zum Strauss reicht.

AUS DER „WIENER ZEITSCHRIFT"

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