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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 4
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Elias, Julius: Zu Walter Leistikows Gedächtnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0186

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WALTER LEISTIKOW, HAFEN

die er den Zeitgenossen darbot. Fast ohne Kampf
ergab sich die Welt seinem Geschmack, der so gar
nicht verblüffen, sondern nur beglücken wollte.
Landschaftsbilder, wie sie Leistikow schuf, hielt
man früher für tot und uninteressant; ihm aber
glaubte das Publikum die Belebung des Unbe-
lebten, und durch das Spiel seiner Erfindungsgabe
wusste er die gläubige Zuneigung der Menschen
immer neu mit sich zu ziehen und zu befestigen.
Dieser Landschaftsmaler, der doch alle Staffage so
lebhaft verschmähte, dem jedes Beiwerk stimmung-
tötend ins Gefühl einbrach, der seinen Motivkreis
durch eine gewisse Unlust, ins Weite zu schweifen
und Gebiete der erhabenen und heroischen Natur
zu suchen, selbst so entschieden begrenzte, ist
doch ungewöhnlich reich an Erfindung gewesen:
er hat kein Bild geschaffen, das als die Abschrift
eines andern gelten könnte. Und das war: weil er
mit stets verjüngter Wesenheit vor seine schlichte
Landschaftswelt hintrat, weil an jedem Tage und in
jeder Stunde der See, der Wald, das Erdland seinem
Temperament etwas Anderes eindrückte und anver-

traute. Und dann war in diesem Manne eine Sicher-
heit der äusseren Form, die ihn die eingedrungenen
Aufgaben in raschem Wechsel abstossen liess.

Wenn ihn seine Freunde mit Monet vergleichen
wollten, so pflegte der alte Pissarro mit abwehren-
der Unbefangenheit zu sagen: „Monet est un grand
dccorateur, moi je suis un petit paysagiste." Ich
will Leistikow nicht in die Nähe Pissarros rücken;
da ist nicht der Boden seiner Persönlichkeit noch
der Massstab seiner Kunst. Wie man denn ihn über-
haupt nicht nach oben vergleichen soll mit den ent-
deckerischen Grossmeistern der modernen Land-
schaftsmalerei, den Meistern von 1870, 1880 oder
1 890, sondern hübsch auf dem Niveau der neueren
deutschen Landschafterschule bleiben soll, die um
ihn und mit ihm wirkte. Wohl aber konnte sich
Leistikow, wenn er gewollt hätte, im Pissarrosinne
einen „kleinen Landschafter" nennen, als er, hin-
weg über alle Malerqualitäten und Strebungen,
sei's in den Charme sei's in die Monumentalität,
seines Künstlerwesens besten Teil in einem stillen,
schlichten und reinen Naturgefühl enthüllte. Über

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