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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 5
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Mayr, Julius: Johann Sperl
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0226

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schütterlich. Auf solcher Basis ward jenes Bündnis
begründet, das 3 5 Jahre lang bis zum Tode Leibls
andauerte, das vielleicht einzig dasteht in Künstler-
kreisen, einzig wohl auch an Treue und Auf-
opferung.*

Etwa mit dem Jahre 1869 war Sperl Meister
geworden. Er gehörte zwar noch der Akademie
an, aber er malte selbständig Bilder. Der Einnuss
der damaligen Münchener Schule, das vorwiegend
Genrehafte, war unverkennbar. Das Sujet eines
Bildes durfte dem Beschauer keine Rätsel aufgeben,
es musste sofort als Erzählung vor ihm stehen
und je breiter dieses Erzählen war, um so besser.
So ganz konnte sich Sperl zu dieser Art nicht be-
quemen. Was damals unter seiner Hand entstand,
waren freilich fast durchweg Figurenbilder. Aber
sie hatten alle einfache menschliche Situationen zum
Gegenstand, gingen nie ins roman- oder phrasen-
haft Komponierte. Sie waren von jenem schlichten
Geiste durchdrungen, der der Seele des Künstlers
selbst zu eigen ist. Eines der grössten Bilder, die
er zu jener Zeit fertigte, war ein Hochzeitszug.
Sicherheit in der Zeichnung, absolute Beherrschung
der Perspektive und ansprechende ruhige Farbe
zeichneten dieses, sowie alle seine Bilder der da-
maligen Zeit aus. Der Künstler konnte sie zu guten
Preisen verkaufen und fast alle gingen durch die
Hand von Kunsthändlern nach Amerika. Freilich
jene Tiefe der Malerei, jenes Substantielle und im
Innersten Empfundene, das wir von einem Bilde
höchsten Wertes fordern, war diesen Figuren nicht
zu eigen. Aber der aufmerksame Beobachter musste
etwas Anderes erkennen: auf jedem Bilde war
die Umgebung nicht wie bei anderen Meistern als
Zugabe behandelt, sondern sie erwies sich, was
Empfindung und Technik anlangt, als das Her-
vortretende. Sei es ein Interieur, sei es freie
Natur: immer sind Wand und Tisch, Licht des
Fensters, Baum und Haag, Bach und Blume mit
einer Liebe und Meisterschaft behandelt, die über-
rascht und entzückt.

Im Herbste 1875 trat Sperl aus der Ramberg-
schule und damit aus der Akademie aus. Er
hatte jetzt in München in der Schillerstrasse ein
eigenes Atelier inne und malte dort mit dem ihm
angeborenen Fleisse Bilder, wie sie der Kunstmarkt
forderte.

Zwischendrein aber ging er häufig aufs Land,
so z. B. nach dem in Künstlerkreisen damals so be-
liebten Polling bei Weilheim oder nach den jewei-

* s. W'ilh. Leibl, sein Leben und sein Schaffen v. Julius Mayr.

ligen Aufenthaltsorten seines Freundes Wilhelm
Leibl. Insbesondere Schondorf am Ammersee, auch
Schloss Holzen und später Berbling sahen ihn auf
längere Zeit. Und an solchen Orten entstanden
damals schon Landschaftsbilder von seiner Hand,
die heute noch Perlen deutscher Kunst sind. Wer
denkt hier nicht zunächst an jenes kleine, anspruchs-
lose Bild eines Bauernhauses im Grünen, das, am
Ammersee gemalt, jetzt in der Nationalgalerie zu
Berlin sich befindet! Ein Bauernhaus, Wiese und
Baum — dieser einfache Vorwurf tritt uns hier in
einer Empfindung entgegen, die unser Innerstes be-
wegt und kaum sind wir imstande über der Poesie
des Ganzen Einzelheiten zu gemessen. Lind wie
schön sind doch auch diese! Wiese und Baum, wie
die Natur selbst, und Mauer und Dach erzählen uns
von dem schlichten, harten Leben in und unter
ihnen.

Solche Bilder fertigte Sperl mehrere in der
zweiten Hälfte der siebziger Jahre, von der Zeit an,
da er manchmal Wochen bei Leibl auf dem Lande
zubrachte, und man erstaunt, dass sie die gleiche
Vollendung zeigen, wie des Meisters Werke der
jüngsten Jahre. Es ist, als ob aus ihnen die Freude
aufjauchzte, die der Künstler darüber empfand,
wieder einmal den Figurenbildern des Ateliers ent-
ronnen zu sein und der Natur Aug in Auge gegen-
über zu stehen. Auch in Berbling Ende der
siebziger und in Aibling anfangs der achtziger Jahre
entstanden mehrere Landschaftsbilder, meist vom
Augenblick erhascht und klein angelegt. Die Haupt-
arbeiten aber waren auch zu jener Zeit noch Bilder
mit Figuren, die der Künstler in seinem Münchener
oder in Leibls Aiblinger Atelier malte.

Aber freilich, dieser sich vorbereitende Über-
gang zur Landschaftsmalerei entfremdete den
Künstler allmählich dem Markt, und bitteren
Mangel, dessen Grösse niemand, auch Freund
Leibl nicht, überblicken konnte, brachte jene Zeit
dem damals schon Vierzigjährigen. Nach monate-
langen harten Entbehrungen kam ihm endlich der
Auftrag zu, ein Altarbild zu malen, das die heilige
Katharina, kniend vor der auf Wolken thronenden
Madonna, darstellen sollte. Das schöneBildschmückt
heute die Neckarsulmer Pfarrkirche.

Diese harten Entbehrungen in vorgeschrittenen
Jahren hatten dem Künstler aber ein Magenleiden
hinterlassen und hauptsächlich deshalb wählte er
den nun folgenden Aufenthalt in Betzingen bei
Reutlingen in Württemberg, das ihm empfohlen
worden war. Was er dort schaffte, waren wieder

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