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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0302

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HANS VON MARKES, EIN MANN FÜHRT EIN PFERD

lieh zum Ausdruck für einen ganzen Komplex neuer
Kunstemptindungen geworden; wenn wir ihn nen-
nen, ist es, als wenn wir Schubert oderBrahms sagen.
Auch in diesen Fällen meinen wir nicht die Personen,
sondern in sich geschlossene Kunststile. So ist uns
auch das Lebenswerk Marces, wie es beim wieder-
holten Sehen an Tiefe und Bedeutung immer mehr
gewann, unmerklich zu einer Denkform geworden.
Keine Art von Malerei ist schwieriger vielleicht
mit Worten zu schildern als die von Marces. Denn
es gibt in dieser tonigen Monumentalkunst, in
dieser Dekoration gewordenen Anschauungsphilo-
sophie kaum ein StofFinteresse; nichts Dramatisches
ist darin, nichts Erzählendes und keine anreizende
Gegenständlichkeit. Um diese Malerei zu schildern,
müsste man Formen und Bewegungen, Licht und
Farbe konkret beschreiben können. Das aber ver-
mag man so wenig, wie man Musik mit Worten
schildern kann. Schwingung ist alles. Sucht man
Worte, so gerät man unwillkürlich fast in die Ter-
minologie der Musik. Man erwidert die Frage nach
den Traditionen dieser Kunst mit einem Hinweis auf

Alle diesem Aufsatz beigegebenen Bilder sind mit Er-
laubnis des Marees-Reproduktionen-Verlags, Halle a. S., repro-
duziert worden. D. Red.

den Jahrhundertkanon der Malerei, auf dieHarmonie-
lehre neuer Formen- und Farbenempfindung, auf den
Kontrapunkt des modernen Raumgefühls. Fragt
Einer: was malte Marcesr so hat man nur die arme
Antwort: Porträts und nackte Menschen, Pferde und
Hunde in idealen Landschaften. Geht die Frage nach
dem Eindruck dieser begebnisarmen Malerei, so
möchte man sich beschränken zu sagen, es sei als
lausche man einer feierlich gedämpften Orgelmusik.
Dieser Eindruck des Musikalischen wird erzeugt,
weil in dieser Kunst nichts dargestellt ist als eine
von Zeit und Ort gelöste Zuständlichkeit. Die Gestal-
ten der Marc'esschen Bilderwelt zeigen nicht Willen,
sondern Bestimmung; sie führen in den Hesperiden-
gärten dieser Kunst ein fast vegetatives Dasein; sie
träumen ihre Nacktheit, ihre Schönheit, ihr Handeln.
Es blicken diese Jünglinge, Männer und Frauen über
alle irdischen Horizonte hinaus in die Ewigkeit; sie
sind wie die stummen Akteure eines Mysteriums.
Sie stehen vor uns in undurchdringlicher Ruhe, mehr
Typen als Individuen, mehr Symbole als Determina-
tionen. Zeitlos sind sie und vaterlandslos. Lind das
lässt sie uns klassisch und antikisch erscheinen.

Auch dieser Klassizismus kommt aus der alten
deutschen Griechensehnsucht; er geht auf Lessing,

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