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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 7
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Frisch, Efraim: Theaterdekoration: ein Gespräch
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0331

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Vorganges gerichteten Willens; bewirkt, dass wir die
Wirklichkeit als Spiel nehmen. Durch welche Mittel
aber kann das Theater die gleiche Umwandlung
auf den als Wirklichkeit mitspielenden Schauplatz
des Dramas übertragen? Damit kommen wir auf
das Gebiet der theatralischen Illusionsmittel, zu den
Versuchen, den Raum zum idealen Ort der drama-
tischen Vorgänge zu gestalten.

Der Schauspieler: Ich gestehe: hier versagt fast
mein Interesse. Wir sind in letzter Zeit mit deko-
rativen Experimenten so nervös gemacht worden
und haben uns die Ohren mit den schönsten Lyris-
men voll reden lassen über Farbe, Rhythmus und
Gott weiss was alles, dass eine heillose Verwirrung
entstanden ist und ein Kampf um Dinge, die im
Grunde höchst gleichgültig sind. Jedesmal wenn
ein grosser Künstler auftritt, schrumpft doch dieser
ganze Kram zu Dem zusammen, was er von Anbe-
ginn war, nämlich: gemeine Pappe und schlecht
bemalte Leinwand.

Die Hausfrau: Und doch ist durch so viel
Neues und Schönes, das in den letzten Jahren auch
dem Auge geboten wurde, eine lebhaftere Teil-
nahme für das Theater hervorgerufen worden.
Wie ich glaube, mit Recht: es heisst ja schliesslich
Schauspiel. Auffallenderweise ist es aber so, als
wenn der Aufschwung schon vorbei wäre; die Be-
wegung scheint sich mehr nach der Provinz zu ver-
ziehen.

Der Kritiker: Mir kanns recht sein. Denn was
auf dem Theater Zauber ist, wird sehr bald fauler
Zauber, und je rascher dieser Gesamtkunstwerk-
klimbim abwirtschaftet, desto besser. Wir haben
an einem Bayreuth genug. Die plastischen Wälder
und Felsen, die bunten Lichter, die hohen Vorhänge
und der ganze Krimskrams der Ausstattung hat den
Blick geblendet, geblufft, und die Aufmerksamkeit
vom Wesentlichen abgelenkt. Das Wesentliche ist
aber, dass wir leben, als Heutige leben; uns selbst
wollen wir sehen, oder Menschen, die sich in uns
glatt übersetzen lassen. Dazu ist gar keine Aus-
stattung nötig; das Andere kann mir gestohlen
bleiben!

Der Schriftsteller: Es ist bezeichnend, dass man
sich nur dem Theater gegenüber und seiner eigent-
lichen Kunst, die nicht allein die Kunst des Schau-
spielers ist, eine so bequeme Haltung erlauben darf.
Es beweist, dass es dem Theater trotz der schönsten
Ansätze dazu, die wir gesehen haben, nicht gelun-
gen ist, sein Gebiet abzustecken und vor fremden
Einbrüchen zu bewahren. Das Dekorative steht

noch ganz unter der Herrschaft der Schlagworte.
Das macht, weil hier, wie in keiner anderen Kunst,
jede Kontinuität fehlt, weil das Geleistete nach
seinem ephemeren Erscheinen nicht mehr kon-
trolliert werden kann und unwiderbringlich ver-
loren ist, wenn der Geist der Initiative unter der
Ungunst der Verhältnisse erlahmt und den Dingen
ihren Lauf lässt. Wir wollen aber nicht so summa-
risch verfahren und untersuchen, welche Möglich-
keit das Theater hat, in der Dekoration seine eigene
Ausdrucksform zu finden.

Der junge Mann: Man darf doch wohl sagen,
dass immerhin ein neuer Stil der Dekoration schon
da ist; wenn auch nicht ganz vollkommen, so
gehen doch die Reformbestrebungen immer weiter
in dieser Richtung.

Der Schriftsteller: Sie treffen zufällig mit dem
Wort Stil so recht in die Mitte der ganzen Ver-
wirrung, und es scheint mir nötig, dass wir uns
darüber klar werden, was damit gemeint ist. Wenn
uns ein grösserer Zeitabschnitt der Geschichte so
weit abgerückt ist, dass wir zurückblickend seinen
Umfang einigermassen übersehen und aus dem
Chaos des Geschehenen Höhen und Tiefen auf-
tauchen, wenn wir aus den Arbeiten ihrer Künstler,
Gelehrten und Staatsmänner eine gewisse gemein-
same Richtung des Geistes, des Geschmacks, des
lebendigen Willens erkennen und seinen Nieder-
schlag spüren in allen Äusserungen des öffentlichen
Lebens, durch die ganze gesellschaftliche Zirkulation
hindurch, bis hinein in die feinsten Ausläufer indi-
vidueller Bethätigung, dann können wir wohl etwas
Gemeinsames entdecken, das wir, in seinen Haupt-
linien gesehen, als den Stil dieser Zeit, dieser Epoche
bezeichnen. Ganz sicher aber ist, dass keine Zeit
ihren Stil gesucht, noch auch bewusst ihn empfun-
den hat; denn was wir so nennen, ist ja unsere Ab-
straktion. Nur unsrer Gegenwart scheint infolge
einer noch nie dagewesenen historischen Hyper-
trophie der groteske Wahnsinn vorbehalten, dass
sie sein und zugleich sich werden sehen will,
handeln und ihr Handeln zugleich schon motiviert
fühlen, als sei es zu ihrer Rechtfertigung nötig.
Und unsere Künstler verfallen dem gleichen Miss-
verständnis und klettern mit Vorliebe an jenen
Werken der Vergangenheit hoch, die die Geschichte
auf die Gipfel gestellt, als könnten sie ihnen das
abgucken, was man in der modernen Produktion so
hübsch „Stilkunst" nennt,und womit mankomischer-
weise Das bezeichnet, was nicht von heute und von
nirgendher ist. Was aber bedeutet wohl das Ge-

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