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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 9
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0434

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„unwissenschaftlich« ablehnen. Aber die Bücher, die
uns innerlich weiter gebracht haben, sind stets „un-
zünftig" gewesen. b- "

W. Melhop, Alt-hamburgische Bauweise. Ham-
burg, Verlag von Boysen & Maasch, 1908. Preis M. 1 8.-

Die aus frühen Anfängen allmählich zu Grossstädten
heranwachsenden Handelszentren sehen sich nicht selten
in die Notlage versetzt, künstlerisch wertvolle Bau-
denkmäler ihrer Vergangenheit den strengen Anforde-
rungen neuer Strassenregulierungen und moderner Be-
bauungspläne zu opfern. Dann wird es für sie zur
Ehrenpflicht, das Verlorene wenigstens im Bilde nur
mit beschreibenden Worten, aus denen eine klare An-
schauung von der Entwicklung der einheimischen Bau-
typen gewonnen werden kann, den Späteren zu über-
liefern. Die Stadt Hamburg, die einer sachlichen und
nutzbringenden Kunstpflege schon wiederholt frucht-
bare Anregungen gegeben hat, ist auch hierin andern
Gemeinwesen mit nachahmenswertem Beispiel voran-
gegangen. Sie hat durch den städtischen Bauinspektor
W. Melhop, das in alten Akten und Rechnungen,
Stichen, Plänen und Zeichnungen vorhandene Material
zu einer geschichtlichen Darstellung der baulichen Ent-
wicklung Hamburgs verarbeiten lassen. Der Verfasser,
der seine Aufgabe mit liebevoller Sorgfalt und vielem
Fleiss erledigt hat, legte besonderen Wert darauf, im
Rahmen der historisch geordneten Darstellung die lo-
kalen Baugepflogenheiten hervorzuheben und ihre
Eigentümlichkeiten, zu erklären (Fachwerkbauren.
Gänge und Höfe, u. s. w.). Zu den interessantesten
Kapiteln des Buches gehört die Geschichte des ersten
Hamburger Kaufmannshauses, in der die Entstehung
des schmalen Dreifensterhauses geschildert ist. Das
Werk, das seinem wertvollen Inhalt entsprechend,
vom Verleger sehr gediegen ausgestattet und mit zahl-
reichen Abbildungen nach alten Stichen und photo-
graphischen Aufnahmen versehen worden ist, sollte
allen den Städten, die Veranlassung haben, den Besitz
wertvoller Architekturdenkmäler zu pflegen, als Vor-
bild dienen. Damit wäre den Architekturvereinen, die
gerade jetzt um eine Entwicklungsgeschichte der bürger-

lichen Baukunst Deutschlands bemüht sind, eine wesent-
liche Vorarbeit geleistet. W. C. Behrendt.

*

Wilhelm Waetzold. Die Kunst des Porträts.
Ferd. Hirt & Sohn. Leipzig 1908.

Wenn wir berechtigt sind, in dem Titel eines Buches
sein Thema zu erblicken, so dürfen wir erwarten, von
dem Verfasser eine universalgeschichtliche oder ästhe-
tische Abhandlung über das Bildnis zu erhalten. Man
sollte meinen, er hätte ebenso gut ganz kurz als Titel
„das Porträt" schreiben können. Denn ausserhalb der
Kunst giebt es kein Porträt. (Von Photographien soll
doch wohl nicht geredet werden.) Als Material der
Untersuchung erwarten wir also jede Art von Dar-
stellung, in der ein Mensch die Züge eines andern
menschlichen Individuums so abgebildet hat, dass es
wiedererkannt werden möge. Der Verfasser hat es in-
dessen anders gemeint. Nur das gemalte Bildnis will
er behandeln und damit einen Beitrag zur Ästhetik der
Materie liefern. Aus dieser wenig glücklichen Be-
schränkung haben sich denn auch für die Architektur
des Buches die zu erwartenden Unzuträglichkeiten er-
geben. Während in den ersten drei Kapiteln zumeist
Dinge stehen, die im allgemeinen über das Bildnis zu
sagen wären, sind die letzten drei Kapitel (über Dar-
stellungsmittel, Probleme der Gruppe und Psychologie
der Selbstdarstellung) mit einer Masse von Stoff belastet,
der vielmehr zur Geschichte und Ästhetik der Malerei
als „zur Kunst des Porträts" gehört. — Während ich
nicht ohne Beschwerde mich durch den über vierhundert
Seiten starken Band durcharbeitete, musste ich immer
wieder eines goldenen Wortes von La Rochefoucauld
gedenken, der von der Gründlichkeit sagt: Le plus
grand dcfaut de la pcnctration n'est pas de n'aller point
jusuu'au but, c'est de le passer. - Waetzold hat das
Kunststück vollbracht, beides zu thun. Einerseits be-
geht er den gelinderen Fehler, sein Ziel durch eine un-
gerechtfertigte Beschränkung des Stoffes nicht zu er-
reichen, andererseits den grösseren, durch eine uner-
trägliche Weitschweifigkeit darüber hinaus zu schiessen.

G. Pauli.

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