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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 10
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Veth, Jan: Alexandrinische Porträtmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0456

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KOPF EINES GREISES

;ahml. GRAF

MANN MIT ROTBRAUNEM HAAR

SAMML. GRAF

Wenn man auch über manche Einzelheiten dieser
spät-hellenistischen Porträtmalerei im unklaren ge-
blieben ist, in der Hauptsache weiss man doch so
ungefähr damit Bescheid. Etwas vor dem Beginn
unserer Zeitrechnung blühte, wie bekannt, in
Ägypten eine griechische Bildung; doch wurden da-
neben von den fremden Herrschern viele Gebräuche
der alten Ägypter bewusst wieder aufgegriffen und
in Ehren gehalten. So hat man zur Zeit dieser
sogenannten Alexandrinischen Kultur in manchen
Nilgegenden, besonders in der von Griechen und
Römern dicht bevölkerten Provinz Fayum, der Erhal-
tung der Überreste der Verstorbenen besondere Sorg-
falt gewidmet, zweifellos eine Fortsetzung des alt-
ehrwürdigen Totenkultus aus der Zeit der Pharaonen.

Aber jetzt findet man den alten Gebrauch, in
den Sarkophagen die Formen eines Körpers anzu-
deuten, sehr verfeinert wieder. War es weil die
Besucher der Grabkammern beim Aufklappen der

Sargdeckel ihre verstorbenen Angehörigen wieder-
erkennen wollten: Oder galt es hier, ebenso
wie man bei der ältesten ägyptischen Plastik mit
ihrem wunderbaren Realismus annimmt, einfach
der Sorge um das Ka (das heisst, jene Seele, die man
vielleicht als die zur Substanz gewordene Er-
innerung definieren könnte); galt es hier bloss
dieses Ka, den Fortbestand und die Gewährung
seiner materiellen Ansprüche zu sichern: Wie dem
auch sei, die menschlichen Gesichtszüge wurden nun
nicht mehr roh und stereotyp in das Kopfende
des Sarkophags geschnitzt, sondern man machte
in manchen Gegenden aus Stuck wirkliche Por-
trätbüsten des Verstorbenen in einem ziemlich
verfeinerten plastischen Stil, wovon man im Ber-
liner Museum einige hübsche Beispiele findet. Ein
düster-schlauer Männerkopf und eine im Ausdruck
eigenartig verlockende junge Frau sind von wirk-
lich erstaunlicher Individualität. Die modellierten

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