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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

DOI issue:
Heft 10
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Beaunier, André: Ingres und Delacroix
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0469

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nicht weniger einen sehr gediegenen klassischen
Fond. Racine war ihm lieber als die liebsten seiner
Romantiker. Wie ein Musiker täglich seine Ton-
leitern übt, so kopierte Delacroix jeden Morgen —
es war Paul Huet, der es mir erzählte — mit dem
Stift antike Medaillen, Abgüsse von griechischen
Statuen . . . Nur war er ein Weltmann, ein glän-
zender Plauderer und ging viel in Gesellschaft. So
ward er nervös, empfindlich, übermüdet. Wenn
das Aufstehen am Morgen ihn schwer ankam, dann
pflegte er auszurufen: „Ach, die Kerzen, die Kerzen
... die Kerzen haben mich umgebracht!" Die
Kerzen, das hiess die Welt, die Gesellschaft; denn
zu der Zeit, da Delacroix jung war, war diese Be-
leuchtung die bevorzugte Mode.

Die Politiker und Literaten schienen bei Paul
Huet ebensowohl ihre entscheidende Eingebung
von Delacroix zu empfangen wie die Maler; mit
Staunen und Bewunderung beobachtete ich einen
so verschiedenartigen Einfluss.

Paul Huet hatte mir häufig versprochen, mich
in das Atelier seines Lehrers und Freundes zu
führen. Wodurch dieses Vorhaben scheiterte, weiss
ich nicht mehr.

Ich habe Delacroix nur einmal gesehen, aber
dieses Mal in nächster Nähe. Es war beim Leichen-
begängnis Horace Vernets. Ich kam ziemlich spät
und konnte kaum in die Kirche hinein, so ge-
drängt voll war sie. Endlich fand ich einen Platz
in den letzten Reihen; ich setzte mich und erkannte

alsbald den Nachbar, den der Zufall mir gegeben
hatte.

Er war gekleidet, ich wage nicht zu sagen ein-
fach — denn sein Anzug machte ihn Jedem auf-
fällig —, sondern ärmlich und ohne alle Sorgfalt.
Ein weiter, unter dem Kinn zugeknöpfter Mantel
fiel faltig herab; darüber ein dickes, schwarz und
weiss gestreiftes Halstuch. Das Gesicht grünlich-
bleich, abgemagert, verwüstet. Eine gerade, feine
Nase. Lebhafte, harte, hochmütige Augen. Ich
betrachtete Delacroix so angelegentlich, dass ich
darüber Horace Vernet und die Messe für sein
Seelenheil völlig vergass. Ich betrachtete Delacroix
mit wahrhaft hartnäckiger Neugier. Da sass ja der
Gott neben mir, inmitten dieser Menge, und meine
Schulter streifte seinen Mantel. Ich weiss nicht, ob
Delacroix meine ein wenig unbescheidene Aufmerk-
samkeit belästigte: von Zeit zu Zeit richtete er seine
fürchterlichen Augen auf mich, und ich erschrak.

Er sah aus wie ein Kranker. Sein Gesichtsaus-
druck sprach von Geringschätzung, Anmassung,
Unverträglichkeit.

Noch heute kann ich mir dieses Gesicht vor-
stellen. Eine Mumie, die ich später in Medinet
Häbu ausgraben sah, glich ihm merkwürdig, mit
ihrer Pergamenthaut, unter der sich die Knochen
abzeichneten, und den schwarzen, über die Schläfen
gestrichenen Haaren.

Das ist's, was ich von Ingres und Delacroix ge-
sehen habe, den Göttern meiner Jugend.

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