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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 11
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Wohlin, Karl: Ernst Josephson
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0504

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gewesen wäre, wie dies! Niemand kann heut-
zutage mehr den „Wassermann" übersehen. Er
lebt — quand meme. Er spielt sein Hohes Lied
von dem Kampf, der dem Künstler über Leben
und Glück geht, dass Alle stehen bleiben und
lauschen. Ohne Zweifel: die Zeit hat den kraftvollen
koloristischen Zusammenklang — die Goldvioline
gegen den blauen Schatten über dem weissen Schaum
des Stroms — gereift. Aber die Ursache der ver-
änderten Auffassung des Kunstwerks ist im wesent-
lichen doch, dass die schwedische Kunst sich immer
mehr nach der Richtung hin entwickelt hat, nach
der der „Wassermann" den Weg wies. Man hat
entdeckt, wie viel man wagen kann und muss,
um dem künstlerischen Schöpfergedanken sein
Recht zu verschaffen. Man fasst den Naturbegriff
in grösserem und weiterem Sinn als zu der Zeit, da
dies Bild noch als ein Keim im Gedanken des dich-
tendenKünstlers ersprosste, und auf seiner Leinwand
erwuchs, wie eine Pflanze, die ihre Herzblätter der
Sonne entgegenstreckt. Auch Lieben und Leiden,
Trauern und Sichfreuen ist Natur, und die Kunst,
die da ausdrückt, was der Mensch in seinem innersten
Wesen anstrebt, ersehnt und ist, sagt uns mehr von
der Natur als die ganze Studien- und Stilleben-
kunst — sei sie auch noch so reizvoll. Es gibt in
der Kunst eine Natur, die wichtiger ist als jede
andere — nämlich die des Künstlers. Und auf diesem
entscheidenden Punkt war Josephson stärker als
alle seine schwedischen Zeitgenossen.

Unter den schwedischen Malern der achtziger
Jahre begegnen wir dreimal der souverän kolori-
stischen Begabung. Erst im Anfang des Jahr-
hunderts bei dem unter dem Einfluss Reynolds,
Gainsboroughs und der damaligen englischen Ko-
loristen ausgebildeten Porträtmaler Karl Fredrik
von Breda. Dann — in der Mitte des Jahr-
hunderts — bei Johan Höckert, dessen Kunst
wohl der Delacroix' am nächsten verwandt ist.
Ein drittes Mal — gegen Schluss des Jahrhunderts,
bei Ernst Josephson, der Klarheit über sein Streben
durch das Studium der Holländer und Italiener,
des Velasquez und Manet fand. In der Virtuosität
steht er hinter Zorn zurück; aber eine Ueberlegen-
heit besitzt Josephson in seiner starken, mensch-
lichen Leidenschaft, die Alles um fasst: Material
und Ausdrucksweise, Gedanke und Form, Kunst
und Leben.

Die Geschlossenheit in Josephsons Wesen ver-
leiht seinem Leben den Charakter eines inhalts-
reichen und fesselnden Dramas, in dem die Einheit
der Handlung streng verfolgt wird und in dem alle
Konsequenzen zur Auflösung führen. Ich könnte
mir wohl vorstellen, dass einst ein Dichter sich
dieses dankbaren Stoffs für eine Dichtung be-
mächtigen würde. Aber ich wünsche trotzdem,
dass Josephson einfach durch seine eigene Kraft
auf die Zukunft wirken möchte. Keine gedich-
teten Dramen sind so stark wie die, die das Leben
dichtet.



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