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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 12
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Elias, Julius: Die "Grosse Berliner" 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0576

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EDUARD MAGNUS, A. MENZEL IM JAHRE 1S43.

ARNOLD EÖCKL1N, BILDNIS LENBACHS

AUSGEST. IN DER GROSSEN BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG



„Deutschland gehört der einheimischen Bilderpro-
duktion, — was sollen die fremden Gesippen auf
unserer grünen Weide!" Kurz, das Fortschrittsschiff-
lein zerschellte immer wieder am harten spitzen Felsen
der kompakten Rückständigkeit, die für die Brot-
frage Tausender stritt und wohl auch streiten musste.
So sollte man den kundigeren Thebanern der Sozietät
eigentlich den Rat geben: stört die Weltordnung nicht;
lasset euer Volk so, wie es ist, —es kann wohl nicht anders
sein. Ist es euch nicht möglich, aus der wildverworre-
nen Masse eine Auswahl zu treffen, so seid unbesorgt:
die Kritik wird schon die Lese halten.

Die paar Auslandswerke hat ein günstiger oder
auch ungünstiger Zufallswind zusammengeweht. Man
nahm, was bei gutmütigen Händlern und in Privatsamm-
lungen oder bei den Cooks der europäischen Bilder-
tournees gerade aufzutreiben war. Die (über Monticelli
gekommenen) Feerien des Gaston Latouche sind den Aus-
stellungsreisenden wohlbekannt: die dekorativ empfun-
denen Nachtfeste in den Parks und auf den Seen alter
Schlösser, lebensfreudige hellfarbige Sachen, oder die
Badescenen aus einem phantastischen Tropenlande, wo
der Affe den überraschten und beglückten Beschauer
wohliger Frauenfleischmassen spielen darf. Bekannt ist
auch Shannons kunstgewerblicher Präraffaelitismus, so
grandios in der ehernen Festigkeit der Zeichnung, so
matt und langweilig im Malerischen. Zwei berühmte

Zugstücke liefert der Amerikaner Sargent, das porträt-
malende Schosskind der Londoner Gesellschaft: ein Werk
aus seiner besten Periode, da er Whistlers leuchtenden
Spuren folgte und die Spanier und Japan so stark und fein
auf sich wirken Hess; dann aber auch eine virtuose Hand-
werksarbeit von dersüsslichenArt, mit der er jetzt seinen
zahlreichen Auftraggebern zu gefallen liebt. Um 1884
war er ein Maler von hohem Geschmack und von einer
ausserordentlichen Gewissenhaftigkeit der Natur gegen-
über; in seinen Darstellungen sammelten sich die origi-
nellsten Harmonien der Farbe, und seine Bilder von
Menschen waren Menschenbilder, waren Geist von
der gesellschaftlichen Epoche, der sie angehörten; zarte
Kulturdinge. Heut aber ist Sargent schlechterdings ein
Faiseur. Sein Lehrmeister Whistler erscheint da mit
einer einfachen Studie, und Sargents Wert schrumpft
fast in ein Nichts zusammen. Diese Studie ist übrigens
in der Ausstellung nicht ein Höhepunkt allein, sondern
der Höhepunkt überhaupt. Der abendliche Eindruck aus
einem Londoner Sommerrestaurant: Cremorne Gardens.
In das tiefere Silbergrau der einsetzenden Nacht
wirft das modische gesellschaftliche Leben seinen far-
bigen Abglanz. Wie ein gespenstischer Zauber, wie
etwas ganz Unmaterielles webt diese Wirklichkeit leicht
bewegter Gruppen von eleganten Frauen und smarten
Lebemännern, diese Welt des Genusses und der Sinnen-
freude dahin; ein Stückchen Wasser, die kommenden

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