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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 1
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Meier-Graefe, Julius: Handel und Händler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0041

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Fr.



CAZNI, BILDNIS. lSj4

Preise und verschwindet. Das Lachen schallt hinter
ihm her. So eine Verrücktheit! sagt jeder der alten
Kenner. Ein paar hundert Pfund hätten es auch
getan. Nickt und spricht von etwas anderem. Der
fixe Pariser verkauft das Bild dem Louvre zu einem
richtigen sechsstelligen Galeriepreis. Der Louvre
hängt das Werk in die Mitte des Poussin-Saals.
Und nun nicken alle alten Freunde des Bildes.
Wir haben es stets für das Meisterwerk Poussins
gehalten.

„Dumm, wie ein Geschworener!" pflegte mein
alter Freund, der Staatsanwalt Dyhrenfurth zu
sagen. Sie sind nicht alle so dumm; der Händler
aber ist ihnen meistens über.

Eine Thatsache steht ausser Zweifel: die Teue-
rung auf dem Kunstmarkt. Die Werte steigen wie
Luftballons. Und zwar die Werte aller Gebiete:
Bilder, Skulpturen, Teppiche, Tapisserien, Möbel,
Bibelots; Europa, China, Japan, Persien. Baron
Schlichting in Paris besitzt eine Sammlung von
80 Tabaksdosen, von denen keine weniger als
hunderttausend Francs wert ist. Spitzer besass
eine flandrische Tapisserie, eine „Ruhe auf der
Flucht" 1,65 m breit, 2,1z m hoch, die er

billig erworben hatte. Sie brachte 189?
auf der berühmten Vente Spitzer 72000 Fr.,
und man fand den Preis übertrieben. Auf der
Auktion Taylor in London, im Juli dieses
Jahres, wurde dasselbe Stück für 204750 ^r-
zugeschlagen und zwar von dem Pariser
Händler Seligmann, der es nicht für seinen
Privatgebrauch erstanden hat. Das Ereignis der
verflossenen Saison, die Vente Doncet, ergab
fabulöse Zahlen. Chardins „Faiseur deChateaux
deCarres", für das 1779 auf einer Vente 9 5 Fr.
bezahlt wurden, brachte jetzt 330550 Fr. Eine
„Kinderbüste" von Houdon (Sabine Houdon),
für die die Experten 120000 Fr. angesetzt
hatten und für die Doucet wesentlich weniger
gezahlt hatte, wurde von dem Händler Duveen
für 450 000 Fr. gekauft. Eine kleine Terra-
kotta von Clodion „flvresse du Baiser" wurde
für Dr. Henri de Rothschild für 205000 Fr.
gekauft und hat vor dreissig Jahren einige
hundert Francs gekostet. Den höchsten Preis,
660000 Fr., brachte das Pastellbildnis des Duval
de FEpinay von La Tour. Doucet hatte es vor
einigen Jahren für 200000 Fr. von einem
Händler gekauft, der 5200 Fr. dafür gezahlt
hatte. Der Preis dieses La Tour ist bis heute
der höchste, der je auf einer öffentlichen Vente
in Paris gezahlt worden ist. Der Rekord der
schwer kontrollierbaren Preise bei Privatverkäufen
ist natürlich viel höher. Der bekannte Raffael
Sedelmeyers wurde, wenn ich mich recht erinnere,
für 2Y2 Millionen verkauft.

Auch die Gesamtsumme der Vente Doucet war
ein Rekord. Verkäufe von Sammlungen unter der
Hand haben höhere Summen ergeben; so erzielten
die Erben von Rodolphe Kann in Paris vor einigen
Jahren etwa 2 5 Millionen für die Kannsche Samm-
lung. Unter den öfFentlichen Auktionen steht
Doucet mit über 14 Millionen an der Spitze. Die
Vente Spitzer brachte es auf io3/4 Millionen, die
Vente Lelong, vor zehn Jahren, auf 91/,,. Doucet
hat etwa vier Millionen für seine Sammlung aus-
gegeben und vor zwanzig Jahren, damals sehr be-
scheiden, zu sammeln begonnen.

Die Steigerung des Wertes ist auf allen Ge-
bieten ungefähr die gleiche. Natürlich geht die
Progression, heute wenigstens noch, langsamer,
wenn die sechsstellige Zahl erreicht ist. Manchmal
setzt sie aus. Es ist die Frage, ob der Louvre für
den berühmten Murillo „Die unbefleckte Empfäng-
nis der Jungfrau", für den er im Jahre 1852 auf

. Keine

noch



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