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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 6
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Meier-Graefe, Julius: Handel und Händler, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0317

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für die hübschen kleinen Genreszenen etwa 2000 M.
Kürzlich erzielteein Spitzweg beiHelbing 27 000 M.
So ist es vielen Malern Münchens ergangen, zumal
denen, die eine Jugend hinter sich haben, auch
wenn das Alter ein banales Dutzendgesicht zeigt.

Nächst Böcklin und Menzel ist Leibl der höchst
bezahlte Wert. Wie niedrig noch kurz vor dem Tode
des Meisters seine Bilder geschätzt wurden, habe
ich in der Entwicklungsgeschichte erzählt. Licht-
wark zahlte nach der Jahrhundertausstellung für die
„Frauen in der Kirche", die Schön seiner Zeit für
den exzeptionell hohen Preis von 30000 M. gekauft
hatte, 1 10000M. DasBildnis der Frau Gedon(i 870)
wurde auf der Pariser Auktion Carcano in diesem
Sommer von der Kunsthandlung Heinemann für
zirka 140 000 M. erworben. Jetzt werden 2 00 000 M.
gefordert. Zu ähnlichen Preisen muss man die
Hauptbilder der Seegerschen Sammlung ansetzen,
die im vorigen Jahre für 1 050000 M. vom Kölner
Museum erworben wurde. Auch späte Bilder wer-
den jetzt hoch bezahlt. Ein Durchschnittsbild wie
das Porträt der Frau Rosner-Heine wurde vor kur-
zem von der Bremer Kunsthalle für 85000 M.
erworben, während dieselbe Galerie noch 1906
für das frühe, freilich nicht ganz vollendete, Bildnis
der Frau v. Schraudolph 6000 M. zahlte. Für das
frühe Bildnis der Gräfin Treuberg fordert Paul
Cassirer 160 000 M. Die Preissteigerung hat auch
die wenigen Radierungen Leibls eingeschlossen.
Die elf Radierungen, die Gurlitt bei einer Auflage
von fünfzig Drucken zu 60 Mk. das Stück auf den
Markt brachte, kosten jetzt 5—600 M.
Trübner

Von den Leiblschülern steht natürlich Trübner
am höchsten. Die frühen Hauptwerke in der
Nationalgalerie und in der Hamburger Kunst-
halle wurden um 1900 mit wenigen Tausen-
den bezahlt; diese Preise haben sich in zehn Jahren
etwa verdreifacht. Ein Bild aus den siebziger
Jahren, das noch vor zwei Jahren für 6000 M.
zu haben war, brachte kürzlich in München
18000 M. Die Nationalgalerie zahlte 1910
für den „Bürgermeister" 25000 M., für den der
frühere Besitzer zwei Jahre vorher 15000 gezahlt
hatte. Gurlitt kaufte 1906 einen weiblichen Kopf
für 8000 M. und verkaufte ihn vor kurzem für
1 8 000 M. Die kleinen Landschaften der siebziger
Jahre bringen jetzt etwa 1 5 000 M. Aber auch die
modernen Bilder Trübners erzielen stattliche Preise.
Die Bremer Kunsthalle zahlte für die Landschaft,
die Trübner vor drei Jahren gemalt hat, 20000 M.

Seltsamerweise wird den Trübners durch die
Bilder Schuchs der Rang auf dem Markte streitig
gemacht. Kurz vor der Jahrhundertausstellung
konnte man bei Schulte hübsche Stilleben für 1600
bis 2000 M. kaufen. Diese Preise haben sich ver-
zehnfacht. Für das grosse Stilleben der Dresdner
Galerie wurden sogar 40 000 M. bezahlt, und, wie
man mir erzählt, soll jetzt ein Händler für ein
grosses Stilleben 100 000 M. fordern. Welche
Gipfel müsste ein Leibl, ein Feuerbach erklimmen,
um zu solchen Schätzungen in ein halbwegs ver-
nünftiges Verhältnis zu gelangen!
Liebermann

Liebermann steht — auch ein Zeichen für die
seltsame Logik des deutschen Marktes - - kaum
wesentlich höher als zum Beispiel Lenbach. Der
teuerste Preis, der bisher bezahlt wurde, war der
von 60000 M. für den „Christus im Tempel"
in der Hamburger Kunsthalle (1911)- Die ande-
ren Hauptbilder der Museen wurden fast aus-
nahmslos billig erworben. In den achtziger Jahren
kam Liebermann selten über 1—2000 M. hinaus.
Damals verkaufte Gurlitt das frühe Bild, der Back-
ofen" für 750 M. an den Sammler Leonhardt.
Dieser hat inzwischen das Bild für den zehnfachen
Preis an S. Cassirer abgetreten. Heute würde
dieser Preis wohl zu verdreifachen sein. Frühe
Hauptwerke Liebermanns, die wohl mit 50000 M.
und mehr bezahlt werden würden, kommen kaum
noch auf den Markt. Die Bilder der Gegenwart
kosten im allgemeinen bei Paul Cassirer 15 —
2 5000 M.

Lenbachs Bilder dagegen werden ungeheuer-
lich überzahlt. Bildnisse Bismarcks, die in den
neunziger Jahren 7—15000 M. kosteten, bringen
etzt 40 — 50000 M., und für ein Bildnis des alten
Kaisers in der weissen Weste wären heute 80 000M.
zu haben. Der Patriotismus hat an diesen Schätzun-
gen natürlich den bei weitem entscheidendsten An-
teil.

Marees

Von Marees kamen in der letzten Zeit eigent-
lich nur Frühwerke, meistens aus der Münchner
Zeit, die noch nicht den eigentlichen Marees
zeigen, und Zeichnungen auf den Markt. Manche
Skizzen, die Marees für wenige Groschen in
München zurückliess, wurden vierzig Jahre später
mit 2 — 6000 M. bezahlt. Die römischen Zeich-
nungen, die er wegwarf, kosten heute 3 — 600 M.
das Stück; besondere Blätter auch mehr. Für das
Selbstbildnis aus der Dresdner Zeit (1872), das im

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