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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Pauli, Gustav: Der Kunsterziehungstag in Dresden am 28. und 29. September
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Graevenitz, G. von: Das Castello di Milano
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0021

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Das Castello di Milano.

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Dilettanten, die immer unaufhaltsam dem Bildermalen
zusteuern!

Überblickt man die Thätigkeit der beiden Dresdner
Tage, so darf man zufrieden sein. Dass die Referate
nicht viel neue Gesichtspunkte brachten, war voraus-
zusehen bei der pädagogischen und schriftstellerischen
Bearbeitung, die diese Fragen seit über einem Jahr-
zehnt erfahren haben. Aber dieses und die eingangs
berührten Meinungsverschiedenheiten der Künstler,
Pädagogen und Verwaltungsbeamten waren unver-
meidlich und nicht vom Übel. Ja, gerade die Dis-
kussionen und die persönlichen Unterhaltungen, die
hinter den Coulissen gepflogen wurden, neue Be-
ziehungen, die man angesponnen hat, sie haben viel,
sehr viel zur gegenseitigen Verständigung, zur Be-
lebung der Propaganda gethan. Jeder der Teilnehmer
wird manche Anregung und ein erneutes Bewusstsein
der Wichtigkeit der hier verhandelten Sache mitge-
nommen haben. Und Anregung bleibt doch überall
das beste, was ein Mensch dem anderen geistig mit-
teilen kann. GUSTAV PAULI.

DAS CASTELLO Dl MILANO
Mailand. In Kürze wird Mailand um eine Sehens-
würdigkeit reicher sein, die in Bezug auf kunstgeschicht-
lichen, künstlerischen und besonders architektonischen Wert
unmittelbar hinter dem Dom genannt werden wird, dem
herrlichen gotischen Kirchenbau wird der gewaltige gotische
Profanbau des zu alter Schönheit wieder erstandenen
Castello di Milano zur Seite treten. Die Arbeiten an der
Burg der Herzöge von Mailand, der Visconti und Sforza
sind soweit vorgeschritten, dass eine Reihe grossartiger
hoher Säle mit den städtischen Sammlungen gefüllt werden
konnten, welche die Geschichte des alten Mediolanum, der
Vorkämpferin des lombardischen Städtebundes, der lang-
jährigen Heimat eines Leonardo da Vinci, der blühendsten
und gewerbfleissigsten Stadt des modernen Italien von
ihrem Ursprung bis auf den heutigen Tag in überreichen
Proben glänzenden Kunstschaffens illustrieren. Anderer-
seits hat die bauliche Hülle aller dieser Schätze, der weit-
ausgedehnte Bau der mittelalterlichen Herrscher Mailands,
zum grösstenTeil wie-
der sein altes charak-
teristisches Aussehen
erhalten, und mit rei-
chen Geldmitteln, wie
sie dem blühenden

Gemeinwesen für
städtische Zwecke im-
mer zur Verfügung
stehen, und mit mai-
landischer Energie ar-
beitet man daran, die
Wiederherstellungder
Burg ihrem Abschluss
zuzuführen.

Das von Galeazzo
IL Visconti 1368 zum
Schutze Mailands an-
gelegte ältere Castello
di Porta Giovia hatte
unterFilippoMariaVis-
conti vollständig den

Charakter einer Zwingburg für die aufstrebende Stadt ange-
nommen, und verfiel in derZeitder Ambrosianischen Republik
(1447—5o)dem Schicksal der Zerstörung durch das Volk. Aber
der diplomatischen Geschicklichkeit Franzesco Sforza's, des
Emporkömmlings aus dem Bauernhause, der um 1450 das
Erbe der Visconti an sich brachte, gelang es, das Volk
zum Wiederaufbau der Burg zu überreden. In dem Neu-
bau sprach sich der trotzige Charakter der gewaltthätigen
Zeit der Mitte des 15. Jahrhunderts aus, namentlich in den
massigen, unzerstörbaren Ecktürmen, und in den hoch-
gelegten, zinnengekrönten Wehrgängen; noch im 16. Jahr-
hundert galt die Burg für die vollkommenste Veste der
Welt. Aber gleichzeitige und spätere Zuthaten haben
diesen düsteren Charakter etwas gemildert. 1452—54 er-
richtete Antonio da Firenze genannt il Filarete den zier-
lichen Thorturm an der Stadtseite des Kastells, der 70 Jahre
später einer Pulverexplosion zum Opfer fiel, Bona di Savoia,
die Gattin Galeazzo Maria Sforza's, erbaute den nach ihr
benannten Turm an der Ostecke der aussen schmucklosen,
aber einen edlen Frührenaissancehof umschliessenden
Rochetta, ihr Gemahl und desen Nachfolger, Lodovico il
Moro, förderten die künstlerische Innenausstattung der
Räume, und in ihrem Dienst waren neben Architekten und
Malern zweiter Ordnung wie Ferrini von Florenz, Bonifazio
Bembo, Vincenza Foppa, Montorfano auch Grössen aller-
ersten Ranges wie Bramante und Leonardo da Vinci thätig.
Während von Bramante noch die zierliche Frührenaissance-
Loggia an der Corte Ducale spricht, gewann Leonardo's
Plan eines Umbaues der Hauptfassade nicht bauliches
Leben.

Erst etwa 500 Jahre später, einem Zeitraum, in welchem
in Krieg und Frieden die Veste durch Belagerungen und
bauliche Zuthaten an ihrer ursprünglichen Schönheit vieles
einbüsste, hat sich die Fürsorge des Künstlers und Bau-
meisters ihr wieder zugewendet. Unter der sachverstän-
digen und von künstlerischer Begeisterung getragenen
Leitung des Mailänder Architekten Luca Beltrami begannen
seit 1893, als das Kastell in Besitz der Stadt übergegangen
war, Wiederherstellungsarbeiten, die bis jetzt dem runden
Ostturm, einem grossen Teil der Stadtfront, dem Turm
der Bona di Savoia und der grossen Gebäudegruppe des
Corte ducale ihr altes charakteristisches Aussehen wieder-
gegeben haben; Beltrami zur Seite standen die Architekten
Gaetano Moretti, Arcaini Raineri und Luigi Perrone. Im
Mai 1900 konnten die erwähnten grossartigen, in der Corte

ducale untergebrach-
ten Sammlungen der
Öffentlichkeit über-
geben werden. Einen
weiteren Denkstein in
der Geschichte der
baulichen Wiederher-
stellung der Burg wird
der 29. Juli dieses
Jahres darstellen, der
erste Gedenktag des
Königsmordes von
Monza. An diesem
Tage wurde in feier-
licher Weise der
Grundstein zum Wie-
deraufbau des Filarete-
Turmes gelegt, von
dessen äusserer Ge-
staltung Zeichnungen
erhalten sind. Der
neue Turm wird dem

Modell der Tone Umberto för die Hauptfassade des Castello di Milano
 
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