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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Abendmuseen und Schausammlungen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0236

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455

Bücherschau.

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Man braucht diesen Ausführungen fast nichts hinzu-
zufügen als den Ausdruck voller Zustimmung und Freude
darüber, dass die Gedanken, welche vorher in der Tages-
presse und den für ästhetische Erziehung eintretenden
Kunstblättern so vielfach vorgetragen worden sind, jetzt
in so wohldurchdachter planmässiger Weise von mass-
gebender Stelle als erfüllbar in Aussicht gestellt werden.
An Helfern wird es nicht fehlen. In Dresden hat z. B.
der Qoethebund im vorigen Jahre in der grossen Kunst-
ausstellung drei Vorträge und an Sonntagen sechs Füh-
rungen für Arbeiter veranstaltet, welche grossen Zuspruch
gefunden haben, und eben erst hat er wieder vier Sonn-
tagsführungen durch das Albertinum für Arbeiter veran-
staltet, für welche die zugelassene Zahl von Arbeitern mit
Leichtigkeit zusammen kam; und der Dresdner Qoethebund
beabsichtigt, derartige Führungen auch weiterhin regel-
mässig zu veranstalten. Auch von anderen Seiten sind
solche Führungen ins Werk gesetzt worden.

Dass, wie auch v. Seidlitz sagt, gerade die Arbeiter
in Frage kommen, hat seinen guten Grund darin, dass
diese ein ungemein starkes Bedürfnis nach Bildung und
auch nach künstlerischer Anregung haben, während man
in bürgerlichen Kreisen meist voller Gleichgültigkeit gegen-
über der bildenden Kunst begegnet.

Sicher ist auch, dass die Museen ohne Führungen des
Abends leer stehen würden, dass ihre Öffnung an Abenden
eben nur durch die Führungen einen Zweck erhalten
würde. Freilich auf die Art der Führung wird viel an-
kommen. Denn es kann sich selbstverständlich nicht um
Verbreitung von kunsthistorischen Kenntnissen, sondern,
wie es schon auf dem Kunsterziehungstag gesagt wurde,
um Erziehung zur ästhetischen Genussfähigkeit handeln,
und das ist die schwache Seite vieler Kunsthistoriker.
Indes auch die Kunstgeschichte ist wandelbar, und Bücher
wie Wölfflin's Klassische Kunst geben auch in dieser Be-
ziehung die erfreulichste Perspektive. So darf man den
Neuerungen, die Dr. v. Seidlitz in Aussicht stellt, mit
hoher Freude entgegen sehen. ^

BÜCHERSCHAU
Werner Weisbach, Francesco Pesellino und die Romantik

der Renaissance. Bruno Cassirer, Berlin 1901. Gross 40.

133 Seiten. Mit zahlreichen Abbildungen.
Der blosse Anblick dieses mit vortrefflichen Abbil-
dungen reich geschmückten und mit besonderem Geschmack
ausgestatteten Werkes erregt Wohlgefallen und Freude,
und es dauert eine Weile, bis man sich, von dem Titel
sogleich in das Reich der Phantasie verlockt, entschliesst,
von dem blossen Durchblättern der Seiten und sinnendem
Betrachten der Illustrationen zur Lektüre überzugehen.
Entzieht man sich doch nur schwer und ungern der
zarten Gewalt, mit welcher die feinsinnige, vornehme Er-
zählerkunst dieser Werke uns umspinnt und vergiesst man
doch leicht über den Schöpfungen den Schöpfer. Vertrauen
wir uns dann aber dem Verfasser unseres Buches als
einem das Allgemeine und Besondere uns deutenden Führer
an, so gewahren wir befriedigt, dass er für unsere Wünsche
aus eigenem verwandten Gefühle heraus Verständnis hat,
dass er uns die Persönlichkeit im Zusammenhang mit
einer ganzen geistigen Richtung kennen lehrt, ja mehr als
dies, dass er uns in ihr einen Typus derselben weist, das
Individuelle in einem Generellen aufgehen lässt. Von
diesem Standpunkte aus können wir es kaum beklagen,
dass uns von Pesellino's Leben so gut wie nichts bekannt
ist, der Mangel an Nachrichten wird gewissermassen zu
einem Vorteil und entspricht der ganzen Art eines Meisters,
welcher sich, kann man ihm auch eine bedeutende Indivi-

dualität nicht absprechen, doch als solche dem Beschauer
nicht in gleichem Grade aufdrängt, wie die anderen
genialen Künstler des Florentinischen Quattrocento.

So verriet Weisbach, indem er seine Schilderung der
Kunst Franceso Pesellino's in die umfassendere Betrachtung
des Bereiches von Vorstellungen, das er als Romantik der
Renaissance bezeichnet, einbezog, von vorneherein ein feines
künstlerisches Gefühl und Urteil. Ein jeder wird sogleich
wissen, dass er mit Romantik jene Strömung innerhalb der
grossen Kultur meint, welche, dichterische Anschauungen,
Stimmungen und Sitten mit sich führend, aus dem
mittelalterlich-höfischen Leben hervorgeht und zu einem,
die Gesellschaft der Renaissance bestimmenden Element
wird. Zuerst an den Höfen Norditaliens einem solchen
Ideale menschlicher Bildung dienstbar gemacht, verleiht
ihm im 15. Jahrhundert auch in Florenz die bildende
Kunst reichen und mannigfaltigen Ausdruck in Wand-
gemälden , Teppichen, Miniaturen, Kupferstichen sowie in
der plastischen und malerischen Verzierung von Gebrauchs-
gegenständen aller Art, unter denen die Truhen und Holz-
teller (deschi da parto) bald einen mit den grösseren
Raumdekorationen wetteifernden, festlich heiteren und reichen
Luxusstil gewinnen. Der Verfasser, an Julius von Schlosser's
Untersuchungen und Nachweise anknüpfend, verfolgt die
Entwickelung und Ausgestaltung dieser künstlerischen
Richtung vom 14. in das 15. Jahrhundert und giebt einen
inhaltreichen Uberblick über die aus verschiedenen Quellen:
aus der mittelalterlichen und Renaissancedichtung, aus
dem wirklichen Leben und aus der Antike entnommenen
Darstellungsbereiche — einen Überblick, der den Wunsch
nach einer ausführlicheren Behandlung dieser unendlich
reizvollen Erscheinungen erweckt. Historisches, Sagenhaftes,
Legendarisches, Wirkliches, bald in träumerischen Idyllen,
bald in munteren Erlebnissen, bald in festlichen Repräsen-
tationen sich wechselseitig verwebend, wird zu einem
vielstimmigen Freudensang auf Liebe, Schönheit und Leben.
Triumphe, Turniere, Gesellschaftsscenen, Minneabenteuer,
Helden und Heldengeschichten, Frauenleben und -Schicksale
ziehen an unserem Blicke vorüber — ein buntes Gewimmel
von Figuren im Flimmern farbiger Trachten auf blumigen
Wiesen, in schattigen Hainen, vor turmreichen Städten,
in glänzenden Hallen und Sälen. Die dichterische Phantasie
wird zur Erscheinung, Vergangenheit und Gegenwart hul-
digt einer das Leben zur Kunst erhebenden daseinsfreudigen
Gesellschaft.

Als den Typus des Künstlers, welcher diesen Bedürf-
nissen in einem höheren Sinne und mit feiner entwickeltem
Vermögen, als es den meist bloss auf reiche dekorative
Wirkung ausgehenden Truhenmalern zu eigen ist, ent-
spricht, fasst nun Weisbach Francesco Pesellino auf. Er
zeigt, wie dessen nicht auf das Monumentale, sondern
auf geistreiche Lebendigkeit der Gestaltung gerichtete Be-
gabung: ein hohes Gefühl für vornehme Anmut und Ge-
schmeidigkeit der Erscheinungen und Bewegungen, ein
zarter Sinn für malerische Feinheiten und für Freiheit in
den räumlichen Beziehungen der Dinge aufeinander, eine
leicht bestimmbare, aber ruhige Phantasie ihn zu solchen
Aufgaben besonders befähigten. Mit weiser Beschränkung
führt der junge Meister, dem ein frühes Lebensende be-
schieden war (er lebte von 1422 bis 1457), seine Werke
nur in kleinen Verhältnissen aus, aber ohne doch in die
peinliche Detailmalerei der Miniatoren zu verfallen, viel-
mehr immer darauf bedacht, die bedeutenden Wirkungen
der das Wesentliche hervorhebenden monumentalen Kunst,
so weit es geht, sich zu eigen zu machen.

Von welchen verschiedenen Seiten her er, eine weiche
empfängliche Natur, bestimmende Einflüsse für seinen ja
nie zu hoher Originalität gelangenden Stil erhalten hat,
 
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