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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Heft 19 (20. März 1902)
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Ruge, Clara: Das New Yorker Kunstleben
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0156

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stellen, werden auch noch vertreten sein. So der
Präsident John La Farge, — der hauptsächlich kirch-
lich dekorative Gemälde malt, der geniale E. H.
Blachfield, der bedeutende Landschafter George de
Forest Brush, Kenyon Cox, Wm. A. Coffin, George
W. Mowbray u. s. w. Aus den Mitgliedern der
Society of American Artists rekrutieren sich auch die
Professoren der Art Students League. Diese Kunst-
schule ist eine Vereinigung von Studenten, die sich
selbst ihre Lehrer wählt. Derzeit steht sie zuvörderst
unter den amerikanischen Kunstschulen.

Die Ausstellung der Architectural League, die der-
zeit offen ist, umfasst 850 Nummern und unter diesen
sind nicht nur die Pläne und Ansichten für öffentliche
und private Gebäude vertreten, sondern ein ganzer Saal
ist den Entwürfen für Votivfensterfriese und andere
dekorative Malereien gewidmet. Die drei kleinen Säle
gehören dem Kunstgewerbe, das jüngst unter der
Aegide der Architectural League emporzublühen be-
gann. Durch alle Säle verteilt finden sich Skulpturen,
die auch in den andern Ausstellungen nicht ganz
fehlen. Sehr in der Minderzahl sind sie stets vor-
handen. Augustus St. Gaudens, Daniel C. French,
Isidor Conti, Charles Niehaus, Henry Baerer, Karl
Bitter stehen unter den Bildhauern heute in erster
Reihe. — Die dekorativen Malereien in der Architec-
tural League rühren zum Teil von Malern her, die
ich früher nannte, aber viele, darunter besonders die
Brüder Lamb sowie Mrs. Condie Lamb widmen sich
ausschliesslich den Entwürfen für Votivfenster und
andere dekorative Malereien. Unter den architekto-
nischen Entwürfen fällt es auf, dass die Secession,
die im Kunstgewerbe bedeutend ihren Einfluss zeigt,
gar keine Anhänger unter den hiesigen Architekten
hat. Französische Renaissance ist stark vertreten.
Auch der bedeutendste Entwurf für unsere Stadt, das
neue Zollamtsgebäude, ist im Renaissancestil gehalten.
Gilbert ist der Architekt davon. Sehr originell sind
zum grossen Teil die Entwürfe für Sommercottages,
besonders die im »Rustic style«, das heisst die mit
Verwendung der unbearbeiteten Baumstämme und
Äste in einer Art von Blockhausmanier erstellten.

Nun sollte ich ' noch die unzähligen Kunst-
ausstellungen, welche jede Woche in den Kunstsalons
der 5. Avenue abgehalten werden, Revue passieren
lassen und doch wird der Raum schon zu knapp. Es sei
deshalb nur noch erwähnt, dass circa zwanzig der-
artige Salons existieren und die Ausstellungen ge-
wöhnlich alle zwei Wochen wechseln. Viele bringen
Gesamtausstellungen von Malern, die auch sonst hier
ausstellen, manche aber machen uns mit ausländischen
Grössen bekannt, da wir ja keine internationalen Aus-
stellungen haben. Manche auch bringen Werke
amerikanischer Künstler, die solche Einzelausstellung
ihrer Werke dem Einverleiben derselben oder einiger
derselben in eine grosse Ausstellung vorziehen. Von
Ausländern haben wir Chartran allwinterlich zu be-
grüssen, Madrazo hat dies Jahr gefehlt, er weilt im
amerikanischen Süden, dafür wurden wir mit den
Porträts von Ferraris bekannt, die mir viele Eigen-
schaften Lenbach's und Angeli's zu vereinigen scheinen.

Ein Spanier, Canalls, hat sehr lebhafte Bilder aus dem
spanischen Leben hergesandt, Stiergefechte, Volks-
scenen — alles von glühender Farbe und voll Aktion.
Von Ausstellungen amerikanischer Maler waren wohl
die der Remington'schen Bilder eine der eigenartigsten.
Remington lauscht dem Leben und Treiben der Rot-
häute, und mit unendlicher Vertiefung und poetischem
Gefühl weiss er wiederzugeben, was er gesehen und
mit empfunden hat. Ein paar Nachtscenen waren von
dramatischer Gewalt. - Alljährlich bringt uns auch
Paul dejongque, der französisch-amerikanische Blumen-
maler, eine ganze Serie von sehr zarten, mit virtuoser
Technik gemalten Blumen — seit einigen Jahren
kommen sie aus den Gärten Californiens. -

Es gäbe noch unendlich viel zu berichten, be-
sonders da auch alle grösseren Klubs allmonatlich
eine Kunstausstellung abhalten - aber schon mit
diesen Zeilen fürchte ich bei meinen Lesern den un-
richtigen Eindruck hervorgerufen zu haben, als
schwelgten wir in Kunst. Leider ist das nicht der
Fall. Nur ein Teil der Geldaristokratie und die
Künstlerkreise selbst bringen der Kunst — in sehr
verschiedener Weise — Interesse entgegen. Der ge-
bildete Mittelstand verhält sich teilnahmloser als so-
gar der Arbeiterstand, der zwar nicht die Ausstellungen
in der 5. Avenue, aber die Kunstmuseen und die
am Sonntag Nachmittag gratis geöffneten Jahresausstel-
lungen besucht. — Es ist noch im weiten Felde, dass
in New York die Eröffnung einer Kunstausstellung ein
Ereignis wäre.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Ein Donatello-Fund. Ausländische Zeitungen brachten
vor kurzem eine Nachricht über einen Fang, den das Ber-
liner Museum gemacht haben sollte, die bei den jetzigen
Verhältnissen des Kunsthandels so fabelhaft klang, dass
wir sie in die Gattung der Berichte über die Funde von
Raffaels, Leonardos, Velazquez in Bauernhäusern, auf
Böden und in Kellern, wie sie zur Sauregurkenzeit als
Enten durch die Zeitungen zu schwirren pflegen, setzen zu
müssen glaubten. Und doch ist diesmal die Thatsache
richtig; das Berliner Museum hat wirklich einen »Fund
gethan in Gestalt einer Bronzestatuette von Donatello, die
ursprünglich den Taufbrunnen in S. Giovanni zu Siena
schmückte oder schmücken sollte! Sie stellt einen tam-
burinschlagenden Engelsknaben dar, der mit halber Links-
drehung des Oberkörpers auf einer Muschel über einem
Kranze steht. Das Stück hat 37 cm Höhe und zeigt unter
der tiefdunkeln Patina eine merkwürdig durchschimmernde
Vergoldung. Ein englischer Händler, der sich sehr -gut
auf Bronzen versteht, hatte die Statuette von einein Auf-
käufer erworben, der sie auf irgend einer kleinen Nachlass-
auktion in London für bare 2 Pfund Sterling erstanden hatte.
Er glaubte darin ein vorzügliches Stück des Quattrocento
aufgebracht zu haben; zu seiner Enttäuschung erklärten
aber angesehene englische und französische Kenner seinen
vermeintlichen Schatz für eine mittelmässige Empirearbeit und
lehnten deren Ankauf ab. Schliesslich brachte er das Stück
nach Berlin, um von Bode womöglich ein endgültiges Urteil
darüber zu erhalten. Dieser war nicht wenig erstaunt, ein
unbekanntes Brüderchen der berühmten Putten Donatello's
auf dem Sieneser Taufbrunnen vor sich zu sehen. Es war
ihm das auf den ersten Blick so einleuchtend, dass er sich
gar nicht denken konnte, der Händler wisse das nicht auch,
 
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