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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Haenel, Erich: Frühjahrsausstellung der Münchner Secession
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Schleinitz, Otto von: Die Winterausstellung in der "New Gallery" in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0179

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Die Winterausstellung in der »New Gallery« in London.

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ristischer Beleuchtung »Vor dem roten Fenster«.
Kunz Weidlich's weiblicher Akt »Zum Bade« ist
schlimm verzeichnet und auch farbig, trotz der tech-
nischen Mätzchen, nur teilweise gelungen; seines
»Halbaktes« verquollenes Kolorit schielt nach fran-
zösischen Mustern. Winternitz' »Figur mit Cello«,
ä la Velasquez-Uhde, kann neben dem so anspruchs-
losen Porträt Anetsbtrger's nicht aufkommen. Aus-
gezeichnet, mit wenig Mitteln erschöpfend charakte-
risiert, sind Fr. Feln's Interieurs, Buttersack's »Wald-
hütte«, »Sommermorgen« u. a. kräftig und klar; auch
H. Eichfeld's »Aufziehendes Gewitter« giebt sich
trotz des etwas steifen Oesamttones als eine ehrliche
Arbeit. Paul Crodel scheint im Verfolg der dis-
kreten Halbtöne fast zu weit zu gehen, wenigstens
ist das Gesamtkolorit seiner Landschaften jetzt recht
stumpf geworden. Theodor Hummel's holländische
Studien in Öl und Pastell schildern die nebelfeuchte
Luft Dordrechts nicht immer überzeugend, während
E. Püttner das Menschengewühl des Münchner Vik-
tualienmarktes mit all seiner hastenden Buntheit
äusserst temperamentvoll wiedergiebt. W. L. Lehmann,
Carl Meyer-Basel, dessen Pastell »Im Rheinthal« ein
kleines Meisterwerk genannt werden kann, und Oskar-
Oraf-Freiburg, der Radierer, als Landschafter, Rudolf
Nissl als Porträtist von wachsendem Ausdrucks-
vermögen, und Marie Lübbes, die einige virtuose
Blumenporträts bringt, mögen noch folgen. Die
farbigen Zeichnungen von IC Schiestl und F. Spiegel,
im künstlerischen Charakter sich nahe verwandt,
würden unkoloriert sich vorteilhafter präsentieren;
oder ist der plakatartige Gesamteindruck gewollt?
Wenn Fritz von Uhde, immer noch der Präsident der
Gruppe, mit seiner lebensgrossen Scene »Im Garten«
auch künstlerisch an der Spitze steht, so ist das ja
nur in der Ordnung. Diese klassische Leistung des
Pleinairismus zeigt die ungeschwächte Meisterschaft
des grossen Bahnbrechers, dessen körperlicher Zustand
zu unser aller Schmerz ja keine umfassendere Thätig-
keit fürderhin zu verbürgen scheint.

Der Nachlass des vor einiger Zeit jung verstorbenen
Bildhauers Emil Dittler macht uns mit einer künst-
lerischen Persönlichkeit bekannt, deren Schaffen im
freien Anschluss an gewisse historische Stileigenheiten
sich besonders günstig an dekorativen Aufgaben
äussert. Der Brunnen für Weissenburg mit der Figur
Kaiser Ludwig's ist vor allem reich an feinsinnigen
Details: das Kapitell mit den Reliefgestalten hat etwas
von dem malerischen Temperament, das wir an den
Arbeiten von Chr. Behrens bewundern. Die Masken
der neun Wasserspeier stehen daneben als Verkör-
perungen einer rein plastischen Idee am höchsten.
Als Ganzes ist der Brunnen eine sehr geschmack-
volle Leistung, wenn auch das Kapitell mit der
Kolossalfigur zu stark auf dem Kontur des Schaftes
lastet. Unter den Porträtbüsten möchten wir die des
Dr. Fessler herausheben, die sehr glücklich eine Ver-
einfachung der Form anstrebt. In den zahlreichen
Reliefs, Grabdenkmälern, Denkmalsentwürfen u. s. w.
steckt eine stattliche Summe gediegener Arbeit: das
so leicht und vielseitig schaffende Talent des Früh-

verstorbenen wäre bei zunehmender Vertiefung gewiss
auch grösseren Aufgaben mit reinem Erfolg gerecht
geworden.

Wenn man sich gewöhnt hat, die Secession als
Vertreterin der künstlerischen Jugend Münchens gegen-
über den Alten der Genossenschaft anzusehen, so
wird die jetzige Ausstellung diesen Glauben nur
günstig beeinflussen. Im Olaspalast, der diesmal nicht
international ist, werden die beiden Gruppen dann
Seite an Seite ihre Daseinsberechtigung sichtbarer er-
weisen können. ERICH HAENEL.

DIE WINTERAUSSTELLUNG
IN DER »NEW GALLERY« IN LONDON

Die Direktoren dieses Kunstinstituts, Mr. C. E. Halle
und Mr. J. W. Comyns Carr, haben sich die ebenso ver-
dienstvolle wie dankbare Aufgabe gestellt, in ihren Räumen,
ausser der jährlich wiederkehrenden Ausstellung moderner
Meister, die gesamte Kunst einzelner Länder, bestimmter
Epochen, oder eines in sich abgeschlossenen historischen
Stoffes, zur Anschauung zu bringen. So fanden hier in
den vorangegangenen Jahren die höchst gelungenen Aus-
stellungen der Stuart-Periode, demnächst die der Tudor-
und Weifenepoche statt. Hierauf folgte die Vorführung
der Kunstbethätigung während der fünfzigjährigen Re-
gierungszeit der Königin Victoria. Alsdann hielten die
früheren Italiener und Venezianer hier ihren Einzug, dem
die Spanier und Niederländer folgten.

Passend für ein Krönungsjahr ist jedenfalls die dies-
jährige Ausstellung, welche sich betitelt »Porträts und Re-
liquien der Monarchen von Orossbritanien und Irland«, und
unter dem besonderen Patronat des Königs und des könig-
lichen Hauses steht.

Da der König, sowie der Prinz von Wales sich an
der Spitze des Unternehmens befinden und beider Namen
den ausgezeichneten, von Mr. Halle und Comyns Carr,
unter Beihilfe der ersten Autoritäten des British-Museums,
auf wissenschaftlicher Grundlage verfassten Katalog ein-
leiten, so bildet diese Druckschrift, eines hervorragenden Um-
standes wegen, ein höchst interessantes Dokument. In der
Vorrede nämlich wird eine kurze historische Übersicht der
verschiedenen Dynastien Englands und die Biographie der
bezüglichen Regenten gegeben. So schliesst das Haus
»Hannover oder die Weifen« mit der Königin Victoria ab.
Zum erstenmale wird nun König Eduard VII. — wenn
auch nicht rein amtlich — als der Begründer der regie-
renden englischen Linie des Hauses »Sachsen-Coburg oder
Wettin« genannt. Dass diese historische Anführung zuerst
in Verbindung mit der Kunst und jedenfalls mit Bewilligung
des Königs geschah, dürfte sicherlich an dieser Stelle be-
merkenswert erscheinen. Als andere auffallende Erschei-
nung muss die Thatsache registriert werden, dass der Titel
für die Ausstellung derart formuliert wurde, um alles aus-
zuscheiden, was an Cromwell erinnern könnte. Sein Name
kommt daher weder im Katalog vor, noch ist irgend etwas
auf ihn Bezug habendes in der Ausstellung vorhanden. Im
übrigen liegt eine ununterbrochene Reihe von Porträts der
englischen Regenten seit Eduard III. (1312—1377) bis zu
dem jetzigen Könige, Eduard VII., vor.

Einigermassen beeinträchtigt wurde die Ausstellung
dadurch, dass aus dem Buckingham-Palast und aus Schloss
Windsor so gut wie keine Kunstwerke geliefert werden
konnten, da in diesen beiden königlichen Residenzen eine
vollständige Neuordnung und Umhängung der Gemälde
stattfindet. Dies war seit den letzten 50 Jahren nicht mehr
geschehen.
 
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