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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Warncke, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung 1902
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0250

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Gelegenheit seiner Ausstellung bei Keller & Reiner
gewürdigt wurden, aber Mache ist doch viel dabei;
das rote Fabeltier wirkt, je öfter man es erblickt,
immer unmotivierter und lächerlicher. Das ist doch
nur Effekthascherei. Walter Oeorgi's Kartoffelernte«
ist eine gute Leistung. Sehr hoch ragt Hermann
Hartwich mit seinem wunderbar gemalten Ochsen-
gespann unter den Münchnern empor. Von den
Berliner Malern sei zunächst Karl Ziegler genannt;
Ruhe und Vornehmheit des Tones sind die hervor-
stechendsten Eigenschaften seiner ausgezeichneten Bild-
nisse, zugleich aber ein wirklich grosser Zug und
starke bildmässige Wirkung. Hugo Vogel's Porträts
lassen dagegen trotz aller Vorzüge kalt; sie haben
etwas Trockenes, Unmalerisches, wenn sie auch das
ausserordentliche Können des Künstlers wieder deutlich
beweisen. Oeorg Ludwig Nleyn versteht gut und
geschmackvoll zu arrangieren; aber seine Damenbild-
nisse lassen in Bezug auf Feinheit des Tones und
tiefere Charakteristik manches zu wünschen übrig;
seine Herrenporträts sind dies Mal mehr zu rühmen.
Zu einem unserer besten Bildnismaler bildet sich, wie
ein sehr lebensvolles, farbenfrisches grosses Damen-
porträt beweist, mehr und mehr Wilhelm Müller-
Schönefeld aus, der schon vor zwei Jahren mit dem
Bilde der Frau Stiehling so berechtigtes Aufsehen
erregte. Auch Fritz Greve, Ernst Hildebrandt
und Paul Narten stellen tüchtige Bildnisse aus.

Arthur Kampf hat ein gutes Historienbild »Friedrich
der Grosse nach dem siebenjährigen Kriege in der
Charlottenburger Schlosskapelle« gesandt, bei dem
aber doch das Inhaltliche sich allzusehr vordrängt;
seine Kartons zu Wandgemälden für Aachen sind,
was die Einzelgestalten angeht, mit fast Menzel'scher
Meisterschaft gezeichnet, aber die Gesamtwirkung
fehlt: jeder Karton besteht aus mehreren Bildern.

Unter den Landschaftern ragt wieder der »Märkische
Künstlerbund« merklich hervor, die Brachtschüler
Hans Pigulla, Felix Krause, Louis Lejeune und
Fritz Geyer, während Karl Kayser-Elchberg nicht ganz
so vorteilhaft wie sonst vertreten ist. Auch Hans
Licht hat eine stimmungsvolle Landschaft gesandt,
und der Nachfolger Bracht's, Friedrich Kallmorgen,
zeigt in zwei allerdings nicht grossen Bildern sein
bedeutendes Können. Auch Hans Hermann und
Willy Hamacher haben treffliche Schilderungen bei-
gesteuert.

Otto H. Engel's »Friesische Mädchen« stehen
mindestens so hoch wie Dettmann's ein ganz ähnliches
Motiv behandelndes Bild, als Bild steht Engel's Arbeit
sogar höher. Lippisch bietet unter anderem einen sehr
stimmungstiefen »Oktobermorgen im Spreewald« voll
Frische und Empfindung, Karl Langhammer eine
etwas schwertönige, aber eindrucksvolle »Abendstim-
mung«, Oscar Frentzel eine äusserst feine Landschaft
mit treu beobachteten Kühen, Looschen ein farben-
sattes, poesievolles »Märchen«, und Schlichting ein
sehr sonniges Strandbild, in dem das Verschäumen
der gelandeten Wellen famos geschildert wird.

Ganz besonders gut steht es in der Grossen Aus-
stellung dies Mal mit der Plastik. Eine solche Fülle

geradezu auserlesener Meisterwerke ist hier selten ver-
einigt gewesen. Allerdings ist das Beste fremdländi-
schen Ursprungs. Ganz unübertreffliche Bildnisbüsten,
voll sprechender Lebenswahrheit hat Julius Lagae-
Brüssel gesandt; ganz anders geartete, aber nicht
minder meisterhafte Pietro Canonica, dessen Damen-
büste in Marmor ebenso zur Bewunderung zwingt,
wie sein »Frühlingstraum« und seine übrigen Schöp-
fungen. Von Berliner Bildhauern hat Wilhelm Wand-
schneider ausser einer sehr fein durchgeführten weib-
lichen Büste eine äusserst charakteristische Skizze
»Herbert Bismarck« und ein Marmorbildnis von hoher
Vollendung, Professor Ahlwardt-Greifswald, ausgestellt.
Max Baumbach schuf unter anderem eine lebensgrosse
Halbfigur »Bildhauer bei der Arbeit , Ferdinand
Hartzer eine tüchtige Marmorbüste des Herrn von Lu-
canus, Wilhelm Haverkamp eine grosse gut komponierte
Gruppe »Der barmherzige Samariter«, Peter Breuer
eine Marmorausführung seiner bekannten Gruppe
»Lasset die Kindlein zu mir kommen«.

Gerhard Janensch stellt einen kraftvollen Gladiator-
kopf und den humorbeseelten, sehr lebendigen
»Bläser« vom Buchholzbrunnen in Dortmund aus,
Robert Korn eine ausserordentlich gelungene Bronze
»Schimpanse«, Josef Limburg, der sich zur Zeit in
Rom aufhält, neben einer famosen Büste einige über-
aus feine kleine Porträtstatuetten katholischer Geist-
licher, Alfred Raum eine kraftstrotzende wildbewegte
Gruppe »Barbarenrache«, Karl Reinert gute Büsten,
Heinrich Missfeld eine Statuette »Hirt«, Ernst Wenck
eine machtvolle Figur »Hüne«. Unter den Klein-
plastiken endlich seien noch Erich Schmidt-Kestner's
von Stimmung beseelte poesievolle Gruppe »Abschieds-
kuss«, Hermann Fuchs' gut beobachtete »Pferde auf
der Fähre«, Lewiii Funcke's sehr gut durchgeführtes
in Elfenbein und Onyx gearbeitetes weibliches Figür-
chen, Marcuse's naturwahre Elefantenstatuette, Eichler's
»Fussballspieler« und Sigismund Wernekinck's sehr
durchgearbeitete »Europa« erwähnt. Konstantin Starck
hat seine herrliche Statuette »Träumerei« etwas ver-
grössert in Marmor ausgeführt.

Die Leipziger Bildhauerei wird gut durch Karl
Seffner, die Münchner Plastik durch Wilhelm von
Rümann auf das Würdigste repräsentiert; seine Büste
des Archäologen H. v. Brunn sowohl wie seine
Marmorstatue »Mädchen« sind Schöpfungen, die sich
in ihrer charakteristischen Auffassung und technisch
vollendeten Durchführung dem Besten anreihen, das
die Ausstellung aufzuweisen hat.

PAUL WARNCKE.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Rom. Eine Bereicherung von höchster Bedeutung
hat vor kurzem die Skulpturengalerie des Vatikans erfahren.
Bei Restaurationsarbeiten in der Kirche S. Lorenzo de
Piscibus, genannt S. Lorenzolo, nahe beim Petersplatz
wurde ein griechisches Relief gefunden, einen Athleten
darstellend mit seinem Diener, der dem Herrn Schabeisen
(Strigilis) und Ölflasche darbietet. Die Qrabstele stammt
aus dem 5. Jahrhundert und ist leider nicht unwesentlich
beschädigt. Der untere Teil des Reliefs von den Knien
ab ist abgeschlagen, der Diener ist fast ganz verschwun-
 
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