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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Haupt, R.: Denkmalpflege in Schleswig-Holstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0089

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 11. 2. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatl« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H aasen st ei n & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DENKMALPFLEGE IN SCHLESWIG - HOLSTEIN

Das sechste Stück der Kunstchronik, S. 90, ent-
hält eine aus der »Vossischen Zeitung« übernommene
Mitteilung über die Denkmalpflege in der Provinz
Schleswig-Holstein. Ihr schickt die Leitung des Blattes
die Anmerkung voraus, dass die Mitteilung ein
trauriges Bild auf die Denkmalpflege in Preussen
würfe, wenn sie sich wirklich in ähnlichem Umfange
bestätigen sohle. Man muss dieser Vorbemerkung
vollständig beipflichten.

Fragen wir also, ob sie sich wirklich bestätigt.
Man wird die Frage, nach dem Inhalte des Artikels,
so zu fassen haben: ob es sich bestätigt, dass seit
Einführung der jetzt bestehenden Ordnung der Denk-
malpflege in weiterem Umfange die Wut sich geltend
mache und gemacht habe, die mittelalterlichen Holz-
altäre modern zu bemalen, wodurch sie jeden künst-
lerischen Wert verloren haben, nicht mehr zu erkennen
sind u. s. w.

Es kommt, nach einem Überschlage, in dem Be-
reiche Schleswigs und Holsteins die Zahl von 134
Altarwerken in Betracht.

Von diesen waren, so weit bekannt, seit den
1860 er Jahren bis 1890 zwanzig teils neu angestrichen,
teils abgekratzt worden. Dass Farblosigkeit ein be-
sonderes Verdienst gotischer Skulptur sei, war ja eine
Lehre des sonst so verdienstvollen Thaulows, und
was war leichter, als diese zu befolgen? Man brauchte
nur, wenn man nicht mit Kaffee- oder Chokoladenfarbe
anstreichen wollte, Schmierseife anzuwenden, oder das
Ganze in den Waschkessel zu versenken, um es zu
»reinigen«.

Seit dem Erscheinen der »Bau- und Kunstdenk-
mäler« (1886—89) sind von den 134 Altären einer
an- oder eingreifenden Behandlung unterzogen worden
— so weit es bekannt ist — nicht mehr als folgende:

1. der in der Klosterkirche zu Kiel (1890),

2. der zu Selent (1892),

3. der zu Ulkebüll (1890),

4. der alte Hochaltar zu Schleswig (1893),

5. der Hochaltar zu Witting (1894),

6. der zu Witzwort (1898),

7. der Nebenaltar zu Witting (1899),

8. der Altar zu Tatingen (1897),

9. der zu Mögeltondern (1897).

Von diesen aber kommt wieder nur Nr. 5—9 in
Betracht; denn die Denkmalpflege ist erst 1893
organisiert; die Behandlung der vier Altäre zu Selent,
Kiel, Ulkebüll und Schleswig fällt noch in den vor-
her verflossenen Zeitraum ').

Zu Tatingen ist auf sorgsame Weise der Versuch
gemacht, die vor mehreren Menschenaltern über die
Tafelgemälde der Altarflügel gestrichene Ölfarbe auf
einer kleinen Fläche zu entfernen, und er hat guten
Erfolg gehabt. Die Arbeit ist jedoch auf Veranlassung
des Konservators bis auf geeignete Zeit und Ver-
anlassung eingestellt worden. Zu Mögeltondern (so
auch wohl zu Osterlügum und vielleicht noch an
mehr Orten) ist der Altar abgestäubt und ein wenig
vom Schmutze gereinigt worden; ausserdem sind zu
Mögeltondern Teile der Tafelbilder, die im Abfallen
waren, wieder festgeleimt worden. Wirkliche Freunde
der Denkmalpflege dürften solches nicht missbilligen,
sondern vielmehr loben und nur das bedauern, dass
viel zu wenig in gleicher Richtung geschieht. Die
vorliegende Aufzählung tritt übrigens auf mit dem
Anspruch, für vollständig zu gelten.

Allerdings giebt es auch, wenigstens der Lehre
nach, grundsätzliche Gegner aller und jeder Behand-
lung und Herstellung solcher Gegenstände. Aber
die Beantwortung der Frage, ob es überhaupt an-
gängig und zu empfehlen ist, Herstellungsarbeiten
zu veranlassen und vorzunehmen, statt die Gegen-
stände sein zu lassen wie sie sind, d. h. eben in der
Regel: sie dem weiteren Verfalle und all den Schick-

1) Der Vollständigkeit wegen wird angemerkt: Der
Kieler Altar ist, im Zusammenhang mit der umfassenden,
der Denkmalpflege vollständig fremden Umgestaltung des
ganzen wichtigen Bauwerks, neu angestrichen worden;
auch die Neubemalung des (übrigens unbedeutenden)
Selenter Altars ist, so viel man weiss, ohne alle Berück-
sichtigung der für die Denkmalpflege massgebenden Grund-
sätze geschehen. Die Herstellung des Schleswiger Altars
geschah, im Verlaufe der gesamten Neugestaltung des
Domes, durch sorgsame Hand (A. Olbers); so weit ich
der Arbeit habe folgen können, halte ich ihre Grundsätze
für einwandfrei. Die Herstellung des Ulkebüller Altars ist,
unter Verniittelung des Herrn Konservators der Kunst-
denkmäler selbst, durch das Königliche Museum zu Berlin
besorgt worden; also doch offenbar so gut und bedenken-
frei als irgend möglich.
 
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