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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Bode, Wilhelm von: Ein moderner Kunstforscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0065

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr 8. 12. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer,
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen st ein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

EIN MODERNER KUNSTFORSCHER

In einem Aufsatze des Jahrbuchs der Königlich
Preussischen Kunstsammlungen (1901, S. 115 ff.)
hatte ich bei der Veröffentlichung eines kürzlich für
die Berliner Galerie erworbenen, bisher unbekannten
Bildnisses des Jan van Eyck die »kritische Studie«
des Dr. Voll über diesen Künstler auf die Art der
Kritik und Kunstbetrachtung ihres Verfassers näher
untersucht. Herr Voll, dessen Kritiken über alte wie
über neue Kunst an Rücksichtslosigkeit gegen Forscher
und Künstler ihresgleichen suchen, war durch meine
Biossstellung seiner Art so betroffen, dass er wiederholt
mit gerichtlicher Verfolgung drohte, wenn das Jahr-
buch eine geharnischte Berichtigung von ihm nicht
sofort, buchstäblich und an hervorragender Stelle auf-
nähme. Nachdem ihm dies einfach abgeschlagen
worden, scheint Herr Voll durch einen Advokaten
belehrt worden zu sein, dass er noch nicht immun
sei und sich das gefallen lassen müsse, was er selbst
fortwährend gegen jeden Künstler oder Kunstforscher
sich herausnimmt. Er hat daher seine »Berichtigung«
schliesslich unter dem Titel »Beiträge zur Eyck-For-
schung« in der geduldigen »Allgemeinen Zeitung«
niedergelegt, deren Kunstreferent er seit mehreren
Jahren ist.

Diese Beiträge beschränken sich in der Haupt-
sache darauf, dass der gekränkte Verfasser des Eyck-
Buches behauptet, ich hätte ihn nicht verstanden oder
falsch citiert. Er hebt verschiedene Punkte heraus,
um mich ad absurdum zu führen; fast ausschliesslich
sehr untergeordnete Punkte, bei denen er wieder in
seiner sophistischen Weise operiert, um nachzuweisen,
dass mein Aufsatz »äusserst flüchtig sei, was in
kunsthistorischen Kreisen kaum überraschend klingen
könnte«. Hier einige seiner »Belege«!

Voll will nicht gesagt haben, dass er die Madonna
des Kanzlers Rollin vor das Jahr 1425 setze; wie
verträgt sich damit sein Ausspruch (S. 73): »für die
Rollin-Madonna bestätigt sich ebenfalls die Vermutung,
dass sie — noch in das zweite Decennium des 15.
Jahrhunderts falle«. Das heisst doch nach Adam Riese
zwischen 1410 und 1420? Ich hätte also sagen
müssen: Voll setzt die Rollin-Madonna nicht nur vor
1425, sondern schon zwischen diejahre 1410 und 1420!

Voll verteidigt sich gegen meine Behauptung, dass

er Ludwig Scheibler als Forscher über Jan van Eyck
und seine Nachfolger nicht einmal erwähnt hätte: er
behauptet, dies hätte er gethan durch Nennung seines
Namens bei einem Bilde der Dresdner Galerie. Ich
hätte hinzufügen müssen: Voll nennt Scheibler einmal
und zwar — um ihn lächerlich zu machen!

Voll citiert als ein Ȋusseres, aber sehr deutliches
Zeichen für die unfreie Befangenheit, mit der die
Frage der Jugendwerke des Jan van Eyck von den
Freunden der durch sie zu stützenden Berliner Kreu-
zigung behandelt wird,« dass Max Friedländer dieses
Bild durch die Übertragung auf Leinwand als »ent-
stellt« bezeichnet hat (in Wahrheit sagt dieser: »ein
wenig beschädigt«!), während ich von den beiden
Petersburger Bildern, die in der gleichen Weise von
Holz auf Leinwand übertragen seien, die wunderbare
Erhaltung rühme. Als ob durch Restauration nicht
das eine Bild beschädigt, das andere aber gerade in
seiner ursprünglichen Schönheit wieder zur Geltung
gebracht werden könnte! Da Herr Voll in seiner
neuen Würde mit dem bekannten Restaurator der
Pinakothek, Professor Hauser, in Beziehung treten
muss, so wird er sich von ihm darüber und über
manche Frage der Restauration und Malerei hoffent-
lich noch belehren lassen. Die Übertragung von
Holz auf Leinwand nennt Voll »die fürchterlichste
Prüfung, die es für ein Bild nur giebt« — fürchter-
licher, als in die Behandlung des Herrn Voll zu fallen?

In ähnlicher Weise sucht Voll noch in einigen
anderen untergeordneten Punkten seinen Lesern ein
X für ein U zu machen. Er bespricht dann des
Langen und Breiten das Hermannstädter Porträt, wobei
er zwar zugiebt, dass er sich früher in der Datierung
um die Kleinigkeit eines halben Jahrhunderts geirrt
habe, aber trotzdem recht haben will. Zum Schlüsse
sucht er das kürzlich von unserer Galerie er-
worbene Eyck-Bildnis eines Mannes mit dem goldnen
Vliess zu verdächtigen: »es werden doch zunächst
wohl diejenigen — es sind ihrer nicht wenige —
recht haben, die darin lediglich eine Arbeit aus Eyck's
Zeit, unwürdig des grossen für sie vorgeschlagenen
Namens, sehen«. Wer sind diese »nicht wenigen«?
Ausser Herrn Voll hat niemand diese Meinung aus-
gesprochen, und ich habe nur Äusserungen der
grössten Bewunderung über das Bild gehört, das jeder
als einen Eyck anerkennt.
 
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