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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Der Tag für die Denkmalpflege in Freiburg
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13
— -i^ -

Neue Folge. XIII. Jahrgang. K 1901/1902. Nr. 1. 10. Oktober.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DER TAG FÜR DENKMALPFLEGE
IN FREIBURG.

Die Bestrebungen zum Schutze der Denkmäler
unserer vaterländischen Geschichte, welche in den
beiden letzten Jahren so lebhaft die Altertumsfreunde
in ganz Deutschland beschäftigten, haben in erfreu-
licher Weise zugenommen. Ein fertiger, mit ganz
besonderer Sachkenntnis durchgearbeiteter Gesetz-
entwurf ist nunmehr von einer der deutschen Bundes-
regierungen, vom Grossherzogtum Hessen, ausgear-
beitet und dem Landtage vorgelegt worden. Der
Gesetzentwurf, welcher voraussichtlich im Laufe dieses
Winters genehmigt werden wird, wurde von den in
Freiburg versammelten Konservatoren und Altertums-
forschern aus ganz Deutschland mit so lebhafter
Freude begrüsst, dass sofort die Resolution gefasst
wurde: Der hessische Gesetzentwurf sei ein erfreu-
liches Vorbild auch für die übrigen deutschen Bundes-
staaten; abgesehen von Meinungsverschiedenheiten in
einzelnen Fragen möchten die übrigen Länder diesem
Beispiele recht bald nachfolgen. Da fast sämtliche
deutsche Regierungen ihre Vertreter zu den Verhand-
lungen entsendet hatten, so werden die hier ge-
gebenen Anregungen hoffentlich auf fruchtbaren Bo-
den fallen.

Das Vorangehen des kleinen Hessenlandes ist in
jeder Beziehung beachtenswert. In Darmstadt ist im
Sommer dieses Jahres die Hauptschlacht geschlagen
worden, durch welche der Sieg des neuen Stils nicht
nur im Kunstgewerbe, sondern auch für einige Gebiete
der Architektur für die nächsten Jahrzehnte entschieden
werden sollen. Die ältere Generation mag vor den Villen
Ur,d Künstlerwerkstätten auf der Mathildenhöhe noch
so bedenklich den Kopf schütteln. Die Jugend da-
gegen hat die neuen Motive mit Begeisterung in sich
aufgenommen. Hoffentlich werden die wilden Aus-
schreitungen einiger sensationslustiger Heisssporne der
kleinen Darmstädter Künstlerkolonie bald überwunden
sein. Doch die neue Richtung, die ich den Stil der ge-
schwungenen Linie nennen möchte, wird immer weitere
Kreise in ihren Bann ziehen und die Blicke der De-
korateure und Architekten nach Darmstadt lenken.
Wird der neue Gesetzentwurf, den die Darmstädter
Regierung zum Schutz der Denkmäler entworfen hat,
den übrigen deutschen Ländern zum Muster dienen?

Eine wichtige Grundlage des hessischen Gesetz-
entwurfes bildet die Liste der besonders zu schützen-
den Denkmäler, das »Classement«. Diese Liste ist we-
sentlich anders geplant als das Classement in Frank-
reich. Denkmäler im öffentlichen Besitz sollen nicht
in die Liste eingetragen werden, dagegen solche Denk-
mäler, welche sich im Privatbesitz befinden. Liegt
die Erhaltung der Baudenkmäler und der beweg-
lichen Denkmäler im öffentlichen Interesse, so ist es
zulässig, diese Denkmäler zu enteignen. Solche Ent-
eignungen sind für Privatbesitz vorgesehen, der in
die amtliche Liste der Denkmäler eingetragen ist.

Für kirchlichen Besitz hat Hessen bereits seit Jahr-
zehnten gute, sehr weitgehende Schutzmassregeln des
Staates. Dem Staat soll indessen das Aufsichtsrecht
über die kirchlichen Denkmäler gesichert werden.
Der Staat soll dieses Aufsichtsrecht als wohlwollen-
der Ratgeber handhaben. Nicht allein künstlerische
oder historische Rücksichten sollen dabei massgebend
sein, sondern der Staat soll dabei die berechtigten
Interessen eines gläubigen Volkes berücksichtigen.

Bei Ausgrabungen von Altertümern und zufälligen
Funden verlangt die hessische Regierung nur die
jedesmalige Anzeige. Der Staat hat ein Interesse
daran, dass möglichst viel ausgegraben wird. Die
Behörde will sich nur die Aufsicht über diese Arbeiten
und Funde sichern. Wenn der Eigentümer sich
weigert, auf bestimmtem, geschichtlichen Boden Aus-
grabungen vornehmen zu lassen, so soll der Staat
das Enteignungsrecht haben. Auch Naturdenkmäler
sollen in dieser Weise geschützt werden, z. B. Wäl-
der, in denen sich Steinbrüche befinden. Störende
Zuthaten, z. B. die aussergewöhnlich grossen Plakate
in der freien Landschaft, sollen verboten werden.

Als Behörde der Denkmalpflege wird ein Konser-
vator der Kunstdenkmäler, ein sogenannter »Denkmal-
pfleger«, eingesetzt, ferner ein Kollegium von Sach-
verständigen, ein sogenannter »Denkmalrat«. Ausser-
dem ist bei Bauwerken das Gutachten der obersten
Baubehörde einzuholen. Der ganze Entwurf ist von
dem Ministerialrat Freiherr v. Biegeleben in Darmstadt
mit grosser Sachkenntnis ausgearbeitet und wurde
von demselben vor der Versammlung eingehend er-
läutert.

Vielfach andere Anschauungen liegen den Re-
formen zu Grunde, welche in Preussen geplant wer-
 
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