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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0233

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

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Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 29. 19. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin sw., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DER SALON

Von Karl Eugen Schmidt, Paris

Trotz aller Anstrengungen der vor elf Jahren gegrün-
deten jüngeren Künstlergenossenschaft bleibt das grosse
Publikum dabei, von der Ausstellung der alten Oesellschaft,
die sich rühmt, schon im Jahre 1673 gegründet zu sein,
als von dem »Salon« schlechthin zu reden. Die Mitglieder
und Veranstalter dieses Salons wissen auch sehr gut, dass
ihnen ihr ehrwürdiges Alter Anspruch auf Hochachtung
giebt, und verabsäumen deshalb nicht, bei allen Gelegen-
heiten auf ihre »offizielle« Eigenschaft hinzuweisen. Wäh-
rend man auf der andern Seite gerade um dieser offiziellen
Seite willen dem alten Salon gram ist, nennen die Alten
auf den Plakaten und auf den Katalogen ihre Ausstellung
kurz entschlossen »le salon officiel« und ziehen mit dieser
Benennung sicherlich eine Menge zahlende Besucher an,
für die nur die offiziell beglaubigte Kunst bewunderns-
wert ist.

Wie die Etikette ist auch der Inhalt im alten Salon
offizieller als bei seiner Nachbarin, der Nationalen Oesell-
schaft. Aber von einer reinlichen Scheidung ist im ent-
ferntesten nicht die Rede. Offizieller, langweiliger und
einschläfernder als die grossen Bilder von Oervex, Rixens
und Dubufe, die bei der jungen Oesellschaft zu sehen sind,
ist auch bei den Alten nichts, und ebenso giebt es hier
auch durchaus selbständige Leute, welche die akademischen
Fesseln gänzlich abgestreift haben. Aber im grossen und
ganzen wird man bei den »Französischen Künstlern« doch
mehr an die akademische Professorenkunst erinnert als in
der »Nationalen Gesellschaft«. Im Mittelpunkte des Inter-
esses steht in diesem Jahre der bekannte Soldatenmaler
Eduard Detaille, dem ein eigner Saal eingeräumt worden
ist. Darin hängen zwar nur zwei Bilder, aber sie sind
gross genug, um den ganzen Raum zu füllen. Es sind
zwei für das Pariser Stadthaus bestimmte dekorative Male-
reien, und ich gestehe, dass diese Arbeiten einen sehr
guten Eindruck machen, so gut, wie man ihn von dem
blutlosen, korrekten und langweiligen Uniformzeichner De-
taille nicht erhofft hätte. Zwar ist auch hier nichts, was
uns bewegte oder hinrisse, aber die frohen hellen Farben
machen einen erfreulichen Eindruck und die Massen sind
geschickt und angenehm gegen einander abgewogen, so
dass die beiden Bilder schliesslich einen ganz angenehmen
Wandschmuck abgeben werden. Das eine der beiden Ge-
mälde zeigt die Einschreibung der Freiwilligen auf dem
Pont neuf im Jahre 1792. Diesem Vorgang, in dem sich
der hinreissendste Enthusiasmus stürmisch aussprach, hat
Detaille mit der ihm eignen schulmeisterlichen Kühle und
Korrektheit dargestellt. Im Hintergrunde sieht man die
Häuser des rechten Seineufers, rechts die noch stehenden

Häuser auf der Insel, darunter das Haus, in dem Madame
Roland geboren ist, links das Postament der Reiterstatue
Heinrich's IV., das damals leer und kahl war, weil man
die Bronze der Statue zum Kanonenguss benutzt hatte.
In der Mitte ist eine hohe Tribüne errichtet, wo ältere
Männer vor den Eintragungsrollen sitzen, während junge
Männer die Stufen hinaneilen, um ihre Namen einschreiben
zu lassen. Rechts unten neben dieser Bühne lärmt ein
Trommlerkorps, links davon erzeugen einige Kanoniere
den Pulverdampf, ohne den es bei Detaille nicht zu machen
ist. Alles in allem: eine ins Riesengrosse übertagene Illu-
stration ohne besonderes Interesse, es sei denn, dass man
sich für die Uniformen und Trachten jener Zeit interessiere,
die mit der bei Detaille gewöhnlichen Genauigkeit und
Zuverlässigkeit wiedergegeben sind. Auf dem andern
Bilde, das langweiliger und weniger interessant ist, wird
der Empfang der vom Felde heimkehrenden siegreichen
Truppen im Jahre 1807 dargestellt: weisse Jungfrauen, gold-
und buntglänzende Uniformen, Ehrenpforten, wehende
Fahnen u. s. w.

Äusserst unangenehm knallen mit brutaler Heftigkeit
die ziegelroten und violetten Töne in der von Jean Paul
Laurens für die Gobelinfabrik entworfenen Apotheose
Colbert's aufeinander, und das kleinere Bild desselben,
die Ausrufung der Republik von 1848 vorstellend, ist weit
erfreulicher, obgleich es auch bei weitem nicht an die
früheren historischen Gemälde des bekannten Künstlers
heranreicht. Höchst dürftig ist das grosse Oemälde aus-
gefallen, welches die Regierung bei Ziem bestellt hat.
Der Achtzigjährige hätte besser gethan, den Auftrag
abzulehnen und der Regierung eines seiner vor vierzig
Jahren gemalten venezianischen Bilder für den Luxem-
bourg anzubieten. Der Empfang des italienischen Ge-
schwaders in Toulon, den er jetzt im Auftrage der Re-
gierung gemalt hat, ist eine betrübende Oreisenarbeit,
des früheren starken Talentes Ziem's durchaus unwürdig.
Bouguereau und Lefebvre machen sich in diesem Salon den
Rang streitig und sind beide »süss bis zum Übelwerden«,
der eine mit einer Vestalin, der andere mit einer nackten
Oreadenschar. Von den anderen bekannten Grössen sind
zu nennen: Bonnat mit zweien seiner »fest gemauert in
der Erden« dastehenden Bildnisse; Benjamin Constant,
der in seinem Lord Saville in Jägerkleidung und seinem
schlauen Spekulantenkopfe des Journalisten Oppert von
Biowitz weder Fort- noch Rückschritte macht; Henner, der
in seinen Bildnissen ganz wie in seinen nackten Nymphen
im Walde das leuchtende Weiss der Haut durch den dun-
keln Hintergrund noch heller und leuchtender macht;
Joseph und sein minder begabter Bruder Franck Bail, die
sich beide von ihren Kupferkesseln ab- und in der Art
Pieter de Hooch's sanft beleuchteten Interieurs zugewandt
 
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