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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Warncke, Paul: Berliner Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0145

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in .Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang.

1901/1902.

Nr. 18. 6. März.

Die Kunstchronik erschein! als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandiung die Annoncenexpeditionen von H aasen st ein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

BERLINER KUNSTAUSSTELLUNGEN

Die jüngst vergangenen Wochen haben uns eine
Reihe sehr interessanter Ausstellungen gebracht. Eine
der interessantesten war die im > Künstlerhausin
der des kürzlich verstorbenen Carl Ludwig künst-
lerischer Nachlass vereinigt war. Fast 150 Bilder
waren es, und unter ihnen waren wenige, die nicht
Freude und Bewunderung erregten. Der Eindruck,
dass dieser Meister Zeit seines Lebens bedeutend unter-
schätzt worden ist, war zwingend. Er stellte gewöhn-
lich Landschaftsbilder riesigen Formates aus, Schil-
derungen aus der Welt des Hochgebirges, die zwar
ihres Gegenstandes wegen Beifall finden konnten, die
aber in künstlerischer Hinsicht nicht gerade viel sagten.
Sie hatten meist etwas Konventionelles und entbehrten
des Persönlichen, ohne das ein Kunstwerk nie etwas
bedeutet.

Auch hier fehlten Bilder dieses Schlages nicht.
Aber die Zahl kleinerer mehr oder minder sorgfältig
durchgeführter Naturstudien überwog doch sehr
stark. Der Maler scheint es ängstlich vermieden zu
haben, diese wohl durchweg vor der Natur fertig
gemalten »Studien«, die man als »Skizzen« im land-
läufigen Sinne nicht bezeichnen kann, der Öffentlich-
keit preiszugeben. Es ist sonst bekanntlich eine eigene
Sache mit der Veröffentlichung nachgelassener Werke
eines Künstlers; oft genug hat der Verstorbene guten
Grund gehabt, seine Arbeit zurückzuhalten, und die
Fälle sind nicht selten, wo das Ans-Licht-Ziehen der-
artiger Schöpfungen an Pietätlosigkeit grenzt. Hier
ist das Gegenteil der Fall. Denn gerade diesen klei-
neren Bildern ist, wenn auch nicht ohne Ausnahme,
eine so prächtige Frische der Empfindung und des
Ausdrucks, eine so hohe Leuchtkraft der Farbe, ein
so tiefes Gefühl für Stimmung, ein solcher Blick für
das Malerische und ein so feines poetisches Empfin-
den eigen, wie wir es nur von unseren besten Land-
schaftern gewohnt sind. Die verschiedenen kleinen
Darstellungen der Marienburg waren im Gegensatz
zu der umfangreicheren, die gegen jene ganz abfiel,
besonders bezeichnend, und Schilderungen, wie
»Wolkenstimmung bei Miltenberg«, »Alte Stadt am
Graben« nahmen den Blick des Beschauers ebenso
unwiderstehlich gefangen, wie das malerisch hin-
gelagerte »Schwäbische Dorf am Fluss« und das lieb-

lich gemütliche »Süddeutsche Städtchen«! Ja, in der
That: es lebt vielmehr wirkliche Grösse in dieser
»Bergkapelle in Völz«, in diesem »Dinkelsbühl«, in
diesem einsamen »Kirchhof« diesem durchsonnten
Naturausschnitt »Kastanienbäume bei Meran« und dem
»Alten Parkthor«, als in jenen aufdringlichen und
durchweg recht langweiligen Riesenbildern. Es scheint
hiernach, als wäre auch Ludwig an dem Übertragen
ins Grosse gescheitert, wie so viele, als wäre die Kraft
und Frische, die er seinen Naturstudien einzuhauchen
wusste, bei der licht- und luftlosen Atelierarbeit spur-
£fcs verloren gegangen.

Was sonst gleichzeitig im »Künstlerhaus« zu sehen
war, verschwand fast völlig; nicht der Zahl, aber der
Güte nach. Nur zwei Gemälde ragten noch hervor,
Miiller-Schönefeld's grosses dekoratives Gemälde
»Abendklänge« und das Bildnis des bekannten Mit-
gliedes der Transvaalregierung Wolmarans von Therese
Schwartze-Amsterdam. Das erstere fiel auf durch
leuchtende Farbenpracht und kräftige Stimmung, und
durch freilich nicht sehr eigenartige aber höchst an-
mutige Komposition. Vor einer grosszügig erfassten
bergigen, bewaldeten Landschaft sind zur Seite eines
steinernen Brunnenbeckens zwei weibliche Gestalten
gruppiert, von denen die eine, in zarte Gewänder
gehüllt, mit leichter Hand die Saiten einer Harfe
rührend, dasteht, während dieandere den leise schwellen-
den Klängen zu lauschen scheint. Der Maler hat in
der That die tiefe Stimmung eines schönen Sommer-
abends in ebenso schlichter wie eindrucksvoller Weise
zum Ausdruck gebracht.

Als Meisterwerk allerersten Ranges, ohne Zweifel
eines der besten Porträts, die im Verlauf der letzten
Jahre überhaupt gemalt sind, muss Therese Schwartze's
Arbeit bezeichnet werden. In Auffassung der sympa-
thischen Persönlichkeit, wie in Technik und Durch-
führung der Malerei zeigt sich die gleiche Sicherheit;
im Ton und in der Farbe ist dies Bild voll Abge-
klärtheit und Geschlossenheit; breit und kräftig ist
der feine, geistreiche Kopf gemalt, und nicht minder
lebensvoll als er wirken die Hände. Die Schwierig-
keit, die der schwarze Gesellschaftsrock der male-
rischen Darstellung bietet, ist dadurch, dass er mit
dem tiefblauen Vorhang des Hintergrundes, ohne doch
zu verschwinden, zusammengebracht ist, glänzend
überwunden.
 
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