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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Die Eröffnung der Turiner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0217

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 27. 29. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur .Zeitschrift für bildende Kunst« und zum >Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE ERÖFFNUNG DER TURINER
AUSSTELLUNG

Am Morgen des 10. Mai hat der König von
Italien im Beisein des Hofes und vieler Würdenträger,
sowie unter der Anwesenheit der einheimischen und
auswärtigen Delegierten und zahlreicher Eingeladener
die erste internationale Ausstellung für moderne deko-
rative Kunst in Turin feierlich eröffnet.

Der festliche Glanz der Ceremonie wurde erhöht
durch den freundlichen Sonnenblick, welcher diesen
Tag in der Reihe der sonst trüb gestimmten Maitage
auszeichnete. Nur um wenige Tage war der Eröffnung
ein anderes Fest vorausgegangen, mit dem das Reiter-
standbild des Prinzen Amadeo enthüllt wurde. Dieses
Denkmal, ein Werk des Turiner Bildhauers Calandra,
erhebt sich in der Achse des Hauptportals der Aus-
stellung. Das Ausstellungsgebiet selbst umfasst den
wesentlichen Teil des herrlich gelegenen Valentino-
Parkes. In diesem Stadtgarten Turins, welcher sich
in angenehmem Gefälle bis zu den Ufern des ihn
südwestlich begrenzenden Po hinabzieht, erhebt sich
zwischen Bäumen verdeckt das Castello medioevale,
ein vorzüglicher Bau, welcher der vorigen Turiner
Ausstellung verdankt wird und in welchem sich in
gediegener Ausführung wichtige Baudenkmale mittel-
alterlicher Zeit aus der benachbarten Landschaft wieder
vorgeführt finden.

Betritt man den Ausstellungsplatz durch das er-
wähnte Hauptportal, so wird das Bild durch den
seitlich liegenden mächtigen Hauptbau Daronco's mit
seiner kuppeiförmigen Centralmasse und den lang
hingedehnten Flügeln beherrscht. In weiträumiger
Verteilung sind kleinere Ausstellungspavillons beschei-
den zwischen die Baumgruppen eingeschoben, und
mit grossem Geschick hat man es verstanden, den
Eindruck des Vordringlichen und Zusammengedrängten
zu vermeiden, unter welchem unsere Düsseldorfer
Ausstellung so sehr leidet. Im Gegensatz zu der
verschwenderischen Ausstattung von grosser Figuren-
plastik, womit Daronco das Äussere seiner Kuppel
bereichern liess, zeigt der Innenraum derselben eine
Behandlung, bei welcher die Farbe den Mangel an
jeglichem Relief zu ersetzen bemüht ist. In diesem
Kuppelraum fand der feierliche Akt statt; nach den

fast einstündigen Reden wurde der Rundgang durch
die Ausstellung vorgenommen. Das Schicksal aller
Ausstellungen, welche bei ihrer Eröffnung halb fertig
sind, teilte auch die Turiner. Und dennoch war schon
so viel vollendet, dass ein Überblick über das Ganze
gewonnen werden konnte.

Das grösste allgemeine Interesse des schaulustigen
Publikums wird voraussichtlich durch die Abteilung
für Plastik und Malerei in Anspruch genommen
werden. In friedlicher Eintracht sind hier die Werke
grosser und kleiner Meister vereinigt, und es hat den
Anschein, als ob bei der Aufnahme die »dekorative«
Wirkung im Vordergrund gestanden hätte. Man sucht
zumeist vergeblich nach der tieferen Empfindung,
deren Fehlen wir ja so häufig in den sonst meister-
haften Werken italienischer Kunst beklagen.

Es ist bekannt, dass die Initiative zur Turiner
Ausstellung von Männern ausging, welche das eifrige
Bestreben haben, die Scharte von Paris auszuwetzen.
Um so erstaunlicher ist es, dass es dem italienischen
Komitee auch diesmal nicht ganz gelang, die heimische
kunstgewerbliche Abteilung von dem Anflug des
Jahrmarktwesens zu befreien. Die Vereinigung der
verschiedenartigsten kunstgewerblichen Gegenstände
in grossen Hallen — dies hat sich diesmal aufs neue
klar gezeigt — muss auf das Entschiedenste jegliche
Berechtigung auch dann abgesprochen werden, wenn
mit Hilfe grosser und kleiner Abteilungen möglichste
Abwechselung geschaffen wird.

Offenbar ist die Bedeutung der Turiner Ausstellung
von unseren Nachbarländern unterschätzt worden.
Denn die meisten von ihnen haben die angebotenen
Hallen ohne weiteres verwendet. So hat es sich
auch England recht bequem gemacht, indem es mit
einer Auswahl seiner besten Sachen — es sind vor-
wiegend Entwürfe, Flachreliefs u. s. f. — die ihm zur
Verfügung stehenden Wände behängt hat. So ist
ein Saal ganz mit Arbeiten von Walter Crane aus-
gestattet, welche uns Deutschen grösstenteils lieb
gewordene alte Bekannte sind. Schottland bringt
ebenfalls gute Dinge. Die Arbeiten von Mackintosh
und seiner Frau fallen besonders auf, da sie mit
einer überraschend kräftigen Phantasie in einzelnen
Fällen wahrhaftes Können verbinden. Holland tritt
durch seine Keramik lebhaft hervor. Die Kopen-
hagener Porzellanmanufaktur setzt ihren Triumphzug
 
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