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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Kunstleben in Holland
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in "Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13
Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 12. 9. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

KUNSTLEBEN IN HOLLAND

Holland hat zwei Städte, die das Centrum bilden
für seine Kunst und Künstler: Amsterdam und den
Haag. Seit Jahrhunderten ist das so gewesen, obwohl
das reiche Amsterdam in der Glanzepoche der hol-
ländischen Malerei weit mehr Künstlern einen Lebens-
unterhalt schaffen konnte als der Haag. Jetzt steht
jedoch die künstlerische Thätigkeit in beiden Städten
sich ziemlich gleich, doch ist der Haag, die königliche
Residenz, mehr der eigentliche Sitz unserer grössten
Meister. Israels und Mesdag arbeiten noch täglich
dort, Bisschop, W. Maris, Gabriel und viele andere
der alten Garde wohnen seit Jahren im Haag oder
dessen Umgebung.

Ausser diesen beiden Städten giebt es kaum eine
Kunststadt in Holland. Wohl hat eine jede Stadt ihre
lokalen Maler, welche z. B. in Dordrecht eine ganze
Reihe bilden, aber die grösseren, welche sich nicht
in einem der beiden Centren aufhalten, wohnen meistens
vereinzelt. Künstlerkolonien bilden sich hier kaum.
Es existierte vor einigen Jahren eine in Haarlem,
welcher unter anderen Vaarzon Morel und Nieuwen-
kamp, bekannte jüngere holländische Illustratoren, an-
gehörten, jedoch hat sich diese bald aufgelöst. Nieuwen-
kamp z. B. hat nicht einmal einen festen Wohnort:
er hat sich ein Wohnschiff, eine grosse Arche, gebaut,
in altholländischer Weise eingerichtet, und fährt damit
in die Gegenden, welche ihm gelegentlich am besten
gefallen. Jan Toorop, dessen Werke auch in Deutsch-
land durch die Münchner Secessionsausstellungen be-
kannt geworden sind, wohnt am Meere: im kleinen
Fischerdorfe Katwijk auf hoher Düne hat er sich ein
Häuschen gebaut. In einigen Orten am Rhein, in
Rhenen und Oosterbeek, wohnen de Bock und Hen-
ricus, und so lassen sich viele Beispiele geben dafür,
dass ausser im Haag und Amsterdam, die grossen
holländischen Maler keine Gruppen bilden. Diese
beiden Städte jedoch sind und bleiben die Centra des
Künstlerlebens, folglich auch des Kunsthandels und
der Kunstausstellungen.

Der Kunsthandel ist ein sehr reger und hat sich
namentlich im Haag im letzten Jahre stark ausgebreitet,
indem die Amsterdamer Firmen Buffa und Preyer
dort Filialen gründeten. Daneben fängt auch »Arts
and Crafts«, der Hauptsitz des modernen Haager

Kunstgewerbes, an, in Bildern zu handeln und Aus-
stellungen zu veranstalten. Die im vorigen Jahre dort
abgehaltene Ausstellung von Bildern des hervorragenden
holländischen Maler-Radierers Zücken war der eigent-
liche Anfang davon.

Kleinere und grössere Kunstausstellungen wechseln
einander in Holland fortwährend ab. Arti et Amicitiae
in Amsterdam, und Ausstellungen bei verschiedenen
dortigen Kunsthändlern; im Haag fortwährend Aus-
stellungen in »Pulchri Studio«, dem ältesten hollän-
dischen Malerverein, und dem »Haagschen Kunst-
kring«, dem Jüngere angehören, obwohl beide Vereine
nicht so stark einander gegenüber stehen, wie in
Deutschland die Secession der älteren Richtung.

Wir können uns hier nicht eingehend mit hol-
ländischen Kunstzuständen beschäftigen, wollen jedoch
auch unseren folgenden Briefen immer, soviel mög-
lich, einige allgemeinere Betrachtungen über diese
vorangehen lassen, um die deutschen Leser etwas
davon kennen zu lehren. Für heute möge dies ge-
nügen, da wir noch auf eine Ausstellung die beson-
dere Aufmerksamkeit lenken möchten.

Pulchri Studio hat, nachdem es in sein neues
Gebäude eingezogen ist, schon manche schöne Aus-
stellung abgehalten. Gross sind solche Ausstellungen
nicht: Anhäufungen von Bildern wie die internationalen
Ausstellungen in Berlin und München, kennt man
hier überhaupt nur dem Namen nach, und die hie-
sigen internationalen Ausstellungen umfassen kaum
den zehnten Teil der deutschen.

Dies hat seine guten Seiten, insofern man nicht
soviel Zeit verbraucht, um das Gute aus dem Mittel-
mässigen und Schlechten herauszusuchen: man braucht
keine Restaurants und Gartenkonzerte, um sich vom
Bildersehen zu erholen. Eine Pulchri - Ausstellung
kann man in einer Stunde genügend, in einem Nach-
mittage vollends durchprüfen, und kann dann später
öfter mit grösster Ruhe sich seine Lieblingsbilder
noch einmal ansehen.

Die letzte Ausstellung war eine sehr bemerkens-
werte. Es waren ausschliesslich Radierungen ausge-
stellt, welche meistenteils überraschend wirkten. Vieles
war ja bekannt: die kleinen Radierungen von Vrolijk,
Maris, Roelofs und anderen, welche mehr Maler als
Radierer sind, und auch die meisten der ausgestellten
Radierungen von Israels waren uns bekannt. Sehr
 
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