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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Die neuen Säle der Uffizien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0117

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217

Institute und Gesellschaften.

218

Buch. Der Typus der Madonna, von der vollen, römischen
Art, erinnert lebhaft an die Sixtina.

Nr. 1520—1522 Tiepolo. 1520 Pagenbildnis (Ge-
schenk des Dr. A. Noe de Walker). Liebenswürdiges,
farbig gefälliges, unbedeutendes Bild. Der etwas leere
Ausdruck des Kopfes lässt eher an Piazzetta denken. —
Nr. 1521. Grosses Deckengemälde. Rechts stellen Ar-
beiter eine Marmorfigur auf eine mit Skulpturen ge-
schmückte Basis. Links römische Krieger mit Adler und
Standarte. Am Himmel Fama, hinter der sich im Schatten
ein Greis (der Zeitengott?) versteckt. Ganz vorn links
ein Knabe mit Hund, ein köstlicher Bursche, dessen Klei-
dung eine raffiniert feine Zusammenstellung mildester
Farbnüancen (lichtblau, violettrosa, citronengelb, weiss)
ist. Das Ganze farbig hervorragend schön. Tiepolo war
bisher in den Uffizien nicht vertreten. — Nr. 1522. Stück
eines Soffitto. Auf lichtblauem Himmel zwei nackte
Putten — mit der ganzen Grazie des Meisters, neben dem
hier Boucher's Kinder plump erscheinen würden.

Endlich Nr. 1519 Morales, kreuztragender Christus.
(Geschenk des Herrn Walker). Halbfigur, nach rechts;
das Antlitz schmerzverzerrt, blass; fahl violettes Gewand.
Die Komposition Variante des in mehreren Exemplaren
vorkommenden Bildes von Sebastiano del Piombo. Täuscht
mich nicht die Erinnerung, so giebt es ein ähnliches Bild
von der Hand eines spanischen Meisters im Prado.

Bei der Veränderung des Saales wurden mehrere
Bilder umgehängt. Der Ecce homo Sodoma's hat leider
einen ebenso schlechten Platz, nur an einer anderen Wand,
erhalten. Das interessante Bildnis desTeofilo Folengo ist eine
Reihe tiefer gestiegen, führt aber nach wie vor den Namen
Ignoto Toscano, während das Bild doch offenbar der
venezianischen Schule angehört. — Den Zeitungen zufolge
soll Francesco Torraca zum Direktor der Florentiner
Galerieen ernannt worden sein. Früher Divisionschef
im Unterrichts-Ministerium, hat er als Literarhistoriker
einen Namen in seiner Heimat. q. Gr.

INSTITUTE UND GESELLSCHAFTEN

In der Sitzung der kunstgeschichtlichen Gesell-
schaft in Berlin am 13. Dez. wurden in der statutenmässi-
gen Wiederwahl des Vorstandes zu Vorsitzenden die Herren
Lippmann, Müller und v. Beckerath erwählt, die Schriftführer,
mit Ausnahme des zurücktretenden Herrn Jessen, wieder-
gewählt und an dessen Stelle Herr Sarre gewählt. Hier-
auf sprach Herr Friedländer über »die deutsche Malerei
in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts«. — In dem
Gesamtbild ihrer Entwickelung, wie es sich bis jetzt in
dieser Periode darstellte, traten infolge der ungleichmässigen
Erhaltung des Materials einzelne Plätze, wie Köln und
Nürnberg, mehr hervor, über anderen, so z. B. über Ulm,
Strassburg und Basel, lagerte nahezu völliges Dunkel.
Daraus ergab sich die landläufige Vorstellung, dass erst
durch niederländische Anregungen in die sich auslebende
kraftlose, ältere deutsche Kunst die Keime einer neuen,
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einsetzenden Be-
wegung hineingetragen wurden. Durch neuere Forschungen
wird zwar der Nebel, der das Bild der älteren deutschen
Malerei verschleiert, nicht gänzlich zerstreut, aber die her-
kömmliche Anschauung von der deutschen Kunstentwick-
lung des 15. Jahrhunderts wesentlich berichtigt. Nur in
Köln, wo die grösste Zahl von Gemälden des 15. Jahr-
hunderts erhalten ist, hat sich bis etwa 1460 eine einzig-
artige malerische Tradition fortgepflanzt, während man sich
dann ziemlich schroff von der älteren typischen Weise
abwendet und ganz dem niederländischen Einfluss hingiebt.
Man darf jedoch die Kölnische Malerei nicht allzu sehr

als führend ansehen. In anderen Städten scheinen sich
weit früher selbständige Kräfte in ähnlicher realistischer
Richtung vorgewagt zu haben wie in den Niederlanden.
Ein solcher Rückblick hat sich ganz unerwartet in Ham-
burg bis in das 14. Jahrhundert hinein eröffnet, d. h. so
weit wie nirgends mit einziger Ausnahme Westfalens.
Nachdem durch Lichtwark eine sehr bemerkenswerte Dar-
stellung Christi als »Schmerzensmann« aus der Petrikirche
hervorgezogen worden war, erkannte Schlie, dass dieses
Bild von derselben Hand herrühre, wie neun Tafeln der
Schweriner Galerie, Reste eines von der Gesellschaft der
Englandfahrer in der Hamburger Johanniskirche aufge-
stellten Altars, den ein alter Kupferstich noch in seiner
ursprünglichen Aufstellung zeigt, und eine Tafel der
Leipziger Galerie. Eine freie Kopie der Mitteltafel des-
selben Altars erkannte Goldschmidt in einer grossen
Kreuzigung aus dem Kloster Preetz in Kopenhagen. Weiter
gelang es, das auffallend frühe Entstehungsjahr der Arbeit
(1424) und die Persönlichkeit des Malers, den Meister
Franke, festzustellen. Schon mit der Festlegung dieser
Künstlerindividualität ist sehr viel gewonnen. Mit seiner
frisch zugreifenden Art in der Stoffgestaltung übertrifft
der Meister bedeutend die gleichzeitigen Kölnischen Bilder.
Freilich gehen die Meinungen gerade über die Ent-
stehungszeit des Clarenaltars, der beim Vergleich vor allem

j in Frage käme, weit auseinander (1380 oder 15. Jahr-
hundert). Um so wichtiger ist es, dass man in Hamburg
durch Lichtwarks fortgesetzte Bemühungen auch die nächste
Vorstufe der Kunstentwickelung in den Werken eines um
1380 in Hamburg thätigen Meisters deutlich erfassen kann,
in denen die Stilphase der Chorschranken des Kölner
Domes u. a. Malereien aus der zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts bereits überwunden erscheint. — In Süd-
deutschland lässt sich nur in Nürnberg, dank Thode's
Untersuchungen, eine zusammenhängende Entwickelung
während dieser Periode skizzieren, und zwar lassen sich
zwei Kunststufen scheiden, die durch den Meister des
Imhofaltars in der Lorenzkirche (den sogen. Meister Bert-
hold) und den fortgeschritteneren Meister Pfennig (Tucher-
altar in der Marienkirche) vertreten werden. Bei dem

i jüngeren ist schon die Frage nach dem niederländischen
Einfluss zu stellen. Aber in seiner dramatischen und
schwerblütigen Art bleibt er ganz deutsch und fränkisch.
In Franken ist sonst nur wenig Bemerkenswertes vor-
handen. — Auch in Schwaben, besonders in Augsburg und
Ulm, ist weit weniger erhalten, als in dem niedersäch-
sischen Norden. In letzter Zeit aber ist einesteils das
Bekannte durch verdienstliche Publikationen zugänglich
geworden, andrerseits manches hinzugekommen. Zuerst
wurde durch Tiroler Urkundenforscher der 1457 datierte
Hauptaltar der Pfarrkirche zu Sterzing als Werk des Ulmer
Meisters Hans Mültscher erkannt, doch hielt man diesen an-
fangs nur für den Schnitzer der plastischen Teile des
Altars und glaubte für die gemalten Tafeln einen Gehilfen
annehmen zu müssen. Dass auch diese ihm selbst ge-
hören müssen, ergab sich erst, als im Jahre 1900 in Berlin
aus englischem Privatbesitz unter einer Anzahl gemalter
Tafeln ein zweites signiertes und 1437 datiertes Fiügel-
paar auftauchte. Zwischen 1437—1457 muss der Meister
dann freilich eine vollständige stilistische Wandlung durch-
gemacht haben. So ersetzen diese festen Daten für die
Beurteilung der schwäbischen Kunstentwickelung einiger-
massen den nahezu vollständigen Verlust anderer Denk-
mäler. Mültscher, der 1427 in Ulm als Bürger mit dem
Vorrecht der Steuerfreiheit, also doch wohl schon als an-
gesehener Maler, aufgenommen worden ist, stammt aus
Richenhofen im Herzen Schwabens und dürfte noch im
14. Jahrhundert geboren sein. — Der in der Kunstge-
 
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