Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

DOI Artikel:
Kunstleben in Holland
DOI Artikel:
Hevesi, Ludwig: Die Winterausstellung im österreichischen Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0098

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
179

Die Winterausstellung im österreichischen Museum.

180

originell ist seine letzte Arbeit, ein schreibender Alter
an einem Tisch vornübergebeugt, ein flott hinge-
kritzeltes Stückchen, in feinem Ton gehalten. Von
dem jetzt so berühmten verstorbenen Jongkind einige
Sachen, die uns nicht überzeugen konnten, dass er
jemals die Radiernadel zu führen verstanden hätte.

Am meisten imponieren Witsen's Radierungen.
Dieser Maler-Radierer besitzt eine vorzügliche, nicht
zu übertreffende technische Fertigkeit und dazu eine
Wahl des Gegenstandes, welcher ein jeder ihm
neiden kann. Seine kleinen intimen Häuseransichten
an holländischen Kanälen, meistens bei grauem, trüben
Wetter gedacht, sind, so oft er sie wieder behandelt
und so ähnlich wie sie einander sehen, doch immer
wieder neu und erzählen jede für sich immer etwas
anderes.

So ernst und trübe wie Witsen, so leicht und
sonnig ist Zilcken's Technik. Zücken beschäftigt sich
nicht, wie Witsen, ausschliesslich mit Originalarbeiten;
er reproduziert auch viele Gemälde. Hervorheben
möchten wir hier die meisterhafte Skizze nach Too-
rop's Porträt von Paul Verlaine, eine ältere Arbeit
Zilcken's, aber vielleicht wohl seine beste.

Fast ausschliesslich reproduzierend arbeiten Wilm
Steelink (welcher auch durch seine in Mauve's Art
gemalten Schafe bekannt ist) und Graadt van Roggen.
Von ersterem meinen wir keine uns unbekannten Ra-
dierungen hier gesehen zu haben, aber wenn auch
nur seine Radierung nach Jacob Maris' Violinspieler
ausgestellt gewesen wäre, so hätte das schon genügt.
Es ist eine der schönsten Arbeiten Steelink's nach
einem der besten Werke unseres verstorbenen Gross-
meisters, welchem kein Gegenstand malerisch darzu-
stellen unmöglich war.

Auch Graadt van Roggen hat Maris' Bilder in
letzter Zeit vielfach in Kupfer geätzt und dabei vor
allen Dingen seine pastose Technik und seine Farben
meisterhaft zu reproduzieren gewusst.

In M. Bauer haben wir einen unserer meist be-
kannten Radierer vor uns. Er bietet immer nur Motive
aus der Levante: Türkische Moscheen, arabische
Darstellungen, wunderbar komponiert und von ma-
gischem Zauber in Licht und Schatten. Ein gewisses
Zurückgehen auf Rembrandt ist, namentlich in seinen
früheren Arbeiten, nicht zu verkennen.

So könnten wir noch lange in der Haager Aus-
stellung weilen und noch vieles mitteilen über Too-
rop's »point-seche«-Radierungen, mit Ölfarbe gedruckt,
über van Houten's technisch hervorragende Radierungen
in »vernis mou«, aber dafür ist hier kein Platz, auch
deshalb nicht, weil wir noch einige Zeilen der älteren
holländischen Kunst widmen möchten.

Denn auch diese findet, wenn auch nicht soviele
Verehrer wie die neuere Kunst, doch auch viele Be-
wunderer. Wohl ist es wahr, dass die holländischen
Museen am wenigsten von den Holländern selbst be-
sucht werden, aber das ist ja überall der Fall: die
Berliner gehen auch wenig in ihr altes Museum, und
sogar in der Münchner alten Pinakothek hört man
oft mehr amerikanisch als deutsch reden. Und doch
wird niemand einem Deutschen den Vorwurf machen

können, dass er seine alten Meister nicht ehrt. Eben-
sowenig gilt dies für uns Holländer. Welch eine
tiefe Verehrung für unseren grossen Rembrandt haben
wir nicht in den letzten Jahren gezeigt! Ja, wir haben
es jetzt so weit gebracht, dass seine berühmte »Nacht-
wache«, welche im Amsterdamer Reichsmuseum bis
jetzt unter völlig ungenügendem Oberlicht aufgestellt
war, jetzt von einer grossen dazu angestellten Kom-
mission auf ihre Beleuchtung hin geprüft wird. Man
hat das Bild in einen eigens dazu gebauten Schuppen
gebracht und probiert einstweilen, welche Beleuchtung
die beste ist. Und dann wird hoffentlich später im
Museum selbst das Bild so aufgestellt, dass es dieselbe
Beleuchtung erhält. Das wäre eine prächtige Er-
rungenschaft!

Ein nächstes Mal erzähle ich Ihnen noch mehr
von unseren alten Bildern und hoffe dann auch von
den Modernen, vielleicht dem neueren holländischen
Kunstgewerbe, etwas mitteilen zu können. Für heute
sei dieser, ohnehin schon etwas lange Brief genügend.

Haag, im Dezember igoi. CORN. BOS.

DIE WINTERAUSSTELLUNG IM ÖSTER-
REICHISCHEN MUSEUM

Diese Ausstellung ist bekanntlich unsere offizielle kunst-
gewerbliche Jahresrundschau. Da werden von vielgeprüften
Gewerbeleuten immer neue praktische Prüfungen abgelegt,
neue Befähigungsnachweise geliefert, Fortschritte demon-
striert, Neuigkeiten mitgeteilt. Seitdem Herr von Scala das
Museum leitet, hat jede Winterausstellung ein neues Ge-
sicht. Zuerst traten die englischen Züge scharf hervor,
dann mischte sich Jung-Wien darein, zunächst mit einem
fröhlichen Gesprudel von Farben und Formen, später mit
mehr besonnenem Zweckgefühl. Der selige Biedermeier
erwachte zu neuem Leben und Jung-Wien versucht an
das gesunde Alt-Wien anzuknüpfen. Mancherlei Richtungen
strömen hart nebeneinander und kreuzen sich wohl auch,
wobei die Wogen stürmisch aufrauschen. Eben jetzt ist
dies wieder der Fall. Auf diesem kämpfereichen Boden
will es nicht Frieden werden. Die persönlichen und sach-
lichen Gegensätze zwischen dem Museum und seiner Kunst-
gewerbeschule schwehlen langsam fort und hie und da
bricht auch ein helles, scharfes Flämmchen hervor. Eben
erst hat Professor Josef Hoffmann, der hochbegabte Archi-
tekt, der nach mancherlei Versuchstadien dem »einfachen
Möbel« in Wien einen neuen Stil geschaffen, seine künst-
lerische und administrative Gegnerschaft schroff genug
ausgesprochen (in Dr. Ludwig Abels' Zeitschrift: »Das
Interieur«, Wien, Verlag von A. Schroll). Unnötig schroff,
dürfen wir wohl sagen, hinsichtlich der persönlichen Spitze,
denn ohne den hart erkämpften Sieg des Herrn von Scala
über die kunstgewerbliche Reaktion wäre auch die Kunst-
gewerbeschule nicht in junge Hände geraten. Alle, denen
das Gedeihen des Wiener Kunstgewerbes am Herzen liegt,
sehnen sich nach einem Modus vivendi zwischen diesen
beiden Faktoren. Er würde beiden zu gute kommen und
dem Publikum obendrein, das sich jetzt ratlos zwischen
verschiedenen Anziehungspunkten zersplittert. So ist die
Kunstgewerbescluile diesmal im Museum nur indirekt ver-
treten, indem ihre Schüler für verschiedene Firmen arbeiten,
die da ausstellen. Wenn man sehen will, was die jungen
Leute der Hoffmannschule und ihre Kameraden und Kame-
radinnen (diese sind ja nicht weniger begabt) für sich
selbst arbeiten, muss man in den alten Kunstgewerbeverein
 
Annotationen