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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Polaczek, Ernst: Der Streit um die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses: ein Epilog
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0174

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231 Nekrologe. —

Kostenaufwand erfordern und das altgewohnte liebe
Bild am stärksten umgestalten würde, so wird man
billigerweise erhöhte künstlerische Befriedigung er-
warten dürfen. Aber man stelle es sich, nachdem
man einen Blick auf den Friedrichsbau geworfen hat,
nur vor: Über der dreigeschossigen, auf geschlossenem
Sockel errichteten Fassade mit ihren starken durch-
gehenden Horizontalen die massige Krönung, die
Fassade selbst vielfach geflickt, ein Mosaik aus Altem
und Neuem, die Krönung ganz neu. Stellt man zwei
Giebel nebeneinander, so zerreissen sie die Einheit
des Unterbaues, stellt man sie verwachsen hin, so
fallen ihre Achsen ausserhalb der Symmetrie-Achsen
des Gebäudes — beides Wirkungen allerschlimmster
Art. »Der aus unbekannten Gründen — sagt Adler

zusätzlich erfolgte Aufbau jenes Zwillingsgiebels
ist eine bedauerliche Verballhornung des nach völlig
anderen Stilgesetzen erfundenen und ausgeführten
dreigeschossigen Frontbaues gewesen; auch aus diesem
Grunde empfiehlt es sich, von der geplanten hohen
Bedachung nebst Giebeln Abstand zu nehmen. Für
mich ist es unzweifelhaft, dass die jetzige Erscheinung
des Otto Heinrichs-Baues eine in sich vollendete
harmonische Schöpfung darstellt, wie sie in künst-
lerischem und technischem Sinne nur einmal in
Deutschland vorhanden ist.« Zu dem Zwiespalt der
in sich vielfach geflickten und erneuerten Fassade mit
den Giebeln käme dann aber noch die meines Er-
achtens völlig unerträgliche Diskrepanz der ausgebauten,
mit neuen Dächern und Giebeln prangenden Schloss-
bauten und der lediglich durch den Verfall, durch
die Überwucherung malerisch wirksam gewordenen
fortifikatorischen Anlagen. Es ist keine Lösung dieses
Zwiespalts denkbar.

Zweier wichtiger Meinungsäusserungen sei schliess-
lich noch gedacht. Der Karlsruher Architekt Bern-
hard Kossmann hat durch örtliche Untersuchungen
festgestellt1), dass das oberste Gesims des Otto Hein-
richs-Baues auf eine Höhe von 65 Centimeter mit dem
dahinterliegenden Mauerwerk keinen Verband hat,
d. h. also, dass sich hier zwei getrennte Mauerkörper
befinden, auf denen unmöglich die Last hoher Stein-
giebel geruht haben kann. Die Sockelschicht der
beiden Zwerchgiebelreste, die aus demselben dunkel-
roten Gestein besteht, ist an der Oberfläche glatt,
also ursprünglich nicht für Überbauung berechnet
gewesen. Daraus sei zu schliessen, dass Kurfürst
Otto Heinrich nicht die Giebel, sondern einen
horizontalen Abschluss beabsichtigt habe. Dass die
Giebel einmal vorhanden gewesen sind, giebt auch
Kossmann zu, aber sie waren nicht miteinander ver-
wachsen, sondern ohne gemeinsames Untergeschoss
nebeneinander gestellt, so dass auch der innere Giebel-
fusspunkt auf dem Hauptgesimse lag. Aus der Innen-
konstruktion des Otto Heinrichs-Baues aber folgt, dass
die Giebel unsymmetrisch, d. h. von ungleicher Grösse
gewesen sein müssen, weil als Tragmauer des Daches
nur die südliche Mauer des Gläsernen Saalbaues in

1) Die Bedachung am Heidelberger Otto Heinrichs-Bau
von 1689. Karlsruhe, Braun'sche Hofbuclidruckerei 1902.

Personalien. 332

Frage kommt. Schäfer hat sich in ganz unhistorischer
Weise geholfen, indem er in seinem Projekt, um
gleichgrosse Grundflächen für die beiden Giebel zu
gewinnen, eine nur im Erdgeschosse vorhandene
massive Mauer bis zur Gesimshöhe emporführt. Wird
er nun, von Kossmann belehrt, so historisch sein,
dass er die Wiederherstellung dieser nur als Not-
architektur verständlichen beiden Giebel befürwortet?

Auch der Architekt Albrecht Haupt, der keines-
wegs als Gegner der Wiederherstellung gelten will,
ist der Ansicht, dass die ganz italienische Fassade,
deren Quellen er nachweist, unbedingt einen hori-
zontalen Abschluss verlangt1). Die beiden Querdächer
nebeneinander sind seiner Ansicht nach ein aus Spar-
samkeit angenommener Ersatz für das ursprünglich
geplante Längsdach. Der Schäfer'sche Giebelentwurf
wird so »zu einer Phantasie, wie man etwa den Bau
ausbauen könnte, unter Beibehaltung des ungefähren
einstigen Umrisses, jedoch so, dass die Giebel in der
Architektur möglichst zum unteren Bau passen.« Der
Doppelgiebel war »technisch schwach, künstlerisch
minderwertig und für die ganze Architektur des Baues
ziemlich gleichgültig.« »Für eine Wiederherstellung
des Otto Heinrichs-Baues müssten andere und über-
zeugendere Grundlagen geschaffen werden, als sie
bisher geboten würden.«

* *

Es ist hocherfreulich, dass die Regierung den
Stimmen der Warner Gehör geschenkt und sich ent-
schlossen hat, die Entscheidung zu vertagen. Zu-
nächst sind freilich Koch und Seitz am Werke, um
nachzumessen, welche Veränderungen sich seit ihren
letzten Aufnahmen am Baukörper vollzogen haben.
Nach ihnen aber werden unbeteiligte Sachverständige
in gründlichster Weise zu prüfen haben, welche Mass-
nahmen zur Erhaltung der Ruine erforderlich sind.
Was immer aber auch das Ergebnis dieser technischen
Untersuchungen sein möge, — die eine freudige
Hoffnung haben wir aus der bewegten Debatte ge-
wonnen:

Dass nie wieder frevlerischer Hand gestattet
werden wird, sich an das Schloss zu wagen
mit der Absicht, zu zerstören, was drei Jahr-
hunderte aus ihm geschaffen haben, und
^wiederherzustellen", was sicher nie gewesen ist.

Strassburg. ERNST POLACZEK-

NEKROLOGE

Josef Loewy, Hofphotograph in Wien, einer der be-
kanntesten und erfolgreichsten Männer auf dem Gebiete
der Reproduktionstechnik, ist am 24. März gestorben.

PERSONALIEN

Weimar. Sicherem Vernehmen nach wird der Maler
Hans Olde mit Beginn des Sommersemesters das Direk-
torium der Orossherzoglichen Kunstschule übernehmen.

1) »Deutsche Bauzeitung« XXXVI, Nr. 11.
 
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