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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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3&9

Bücherschau.

BÜCHERSCHAU

Georg Swarzenski, Die Regensburger Buchmalerei

des X. und XI. Jahrhunderts. Studien zur Geschichte
der deutschen Malerei des früheren Mittelalters. Mit
101 Lichtdrucken auf 35 Tafeln. Leipzig, Karl W. Hierse-
mann, igoi. 228 S. gr. 40.
In der deutschen Forschung auf dem Gebiete der
mittelalterlichen Kunst wird das zur Besprechung uns vor-
liegende Werk einen hervorragenden Platz behaupten.
Durch das energische Streben einer Anzahl jüngerer Kunst-
forscher beginnt die Entwickelung jener grossen Epoche,
vorläufig zwar nur in einzelnen Abschnitten zu erhellen.
Fast jede neue Arbeit führt uns dem Ziele näher, das
abendländische Mittelalter nicht nur, wie vorher, in den
allerallgemeinsten Zügen, sondern auch, so weit möglich,
im einzelnen, in dem inneren Mechanismus, in den wesent-
lich bestimmenden Kräften zu begreifen. Man begnügt
sich nicht mehr, die aufeinander folgenden Jahrhunderte,
die karolingische, die ottonisch-heinricische, die romanische
und gotische Periode unterscheiden zu können. Man
fordert nunmehr eine möglichst eindringende Erforschung
der verschiedenen Kunstschulen mit Rücksicht auf ihre
Centraipunkte, ihre Verbreitung, ihre Berührungen und
Durchkreuzungen untereinander, ihre Beeinflussungen von
aussen her oder von schon vergangenen Epochen. — Die
Voraussetzung des erlangten und noch zu erwartenden
Erfolges ist vor allem eine seit Waagen und Springer
unendlich gewachsene Denkmälerkenntnis und die kritisch
strenge Bearbeitung des Materials.

Was die Malerei betrifft, ist es einstweilen vernehm-
lichst das frühere Mittelalter, die karolingische und otto-
nisch - heinricische Kunst, welche, nach dem Vorgange
Janitschek's und Vöge's, das Interesse dieser Forschung
angezogen hat. Auch Swarzenski hat sich einen Stoff aus
der letztgenannten, der ersten Blütezeit der deutschen
Kunst, gewählt: die Regensburger Miniaturschule des X.
und XI. Jahrhunderts. Das von ihm zusammengebrachte
Material ist zwar eben für diese Schule nicht sehr reich.
Es gehören aber dahin einige der schönsten Prachtwerke
der Zeit: das Sakramentar Heinrich's IL, der Utacodex
und das Perikopenbuch Cim. 15. 713, Cim. 179, alle in
der Münchner Staatsbibliothek und alle längst wohl be-
kannt. Andere Umstände tragen dazu bei, um dieses
Interesse noch bedeutend zu erhöhen: der eigentümlich
repräsentative Charakter der älteren Bilderhandschriften im
auffallenden Gegensatze zu der erzählenden Kunst der
gleichzeitigen westdeutschen Schulen, die dogmatisch-
scholastische Tendenz, welche die Buchmalerei in Regens-
burg zu einer Vorläuferin des späteren Mittelalters macht,
schliesslich die Selbständigkeit der innerhalb der Schule
wirkenden Kräfte und die verschiedenen Einflüsse, welche
sich hier geltend machen. Als Ausgangspunkt des Auf-
schwunges steht der noch (in München) bewahrte, spät-
karolingische »codex aureus von St. Emmaram«. Am
reinsten entwickelt die Schule ihre Eigentümlichkeit in dem
mittelalterlichen, ornamental dekorativen »Flächenstil«, im
Gegensatz zu dem nach frühchristlichem Muster model-
lierenden »Gemäldestil« der westdeutschen Schulen. Von
fremden Einflüssen ist der byzantinische der wichtigste,
fühlbar wie derselbe ist, sowohl in den Typen als auch in
der Stilbehandlung, besonders im Sakramentar Heinrich's II.
Der Verfasser betrachtet in der That Regensburg als das
erste Einfallsthor für diesen Einfluss; die Aufgabe wurde,
nach dem Untergange der Schule, im 12. Jahrhundert von
Salzburg übernommen.

Die Blütezeit der Regensburger Schule war kurz.
Schon bald nach der Mitte des 11. Jahthunderts tritt der

Verfall ein. Wie Swarzenski den Aufschwung der Schule
mit den segensreichen Reformbestrebungen des 10. Jahr-
hunderts innerhalb der bayrischen Kirche setzt, so sucht
er die Ursache des Verfalls in der um die Mitte des fol-
genden Jahrhunderts siegreich sich verbreitenden, asketisch
intoleranten Zeitströmung, welche z. B. in Regensburg in
Othloh von St. Emmaram einen Vorkämpfer hatte. Die
Traditionen der Schule erloschen vor diesem weltfeind-
lichen Geist und mit der zunehmenden Impotenz erlagen
die Regensburger Illustratoren gegen das Ende des Jahr-
hunderts dem überhandnehmenden Einfluss einer ein-
heimischen, weit verbreiteten Miniaturschule, welche Swar-
zenski die bayrische Provinzschule nennt.

Die Darstellung des Verfassers, an und für sich
wissenschaftlich trocken und vielleicht unnötig breit, giebt
somit vom Anfang bis zum Ende das vielseitige Bild einer
sehr bedeutungsvollen künstlerischen Entwickelung, welche
wie ein mächtiger Wellenschlag in der Geschichte der
mittelalterlichen Kunst erscheint. In wie weit die Ergeb-
nisse Swarzenski's und seine auch gelegentlich über die
Miniaturkunst des frühen Mittelalters im allgemeinen aus-
gesprochenen Ansichten sich als haltbare Errungenschaften
der Forschung zeigen werden, kann nicht unsere Aufgabe
sein zu entscheiden. Immerhin ist sein Buch ein wert-
voller Beitrag zu der Geschichte der deutschen Kunst.

/. j. Tikkanen.

Kunsthistorische Gesellschaft für Photographische
Publikationen unter Leitung von A. Schmarsow, W. v.
Oettingen; Sekretäre: Dr. Kautzsch, Dr. Pallmann.
Siebenter Jahrgang igoi.

Den 25 Tafeln dieses Jahrgangs kann das gleiche
Lob gespendet werden, wie den vorhergehenden Veröffent-
lichungen. Diesmal handelt es sich sogar zumeist um
bisher völlig unbekannte Werke, und zwar von fünf italie-
nischen, drei deutschen und zwei holländischen Meistern.
Tritt auch in Masaccio's schlecht erhaltener Fresko-Lünette
mit der Madonna und zwei anbetenden Engeln in S. Ste-
fano in Empoli der Charakter der Übergangszeit vom
Trecento zum Quattrocento stärker hervor als die persön-
liche Eigenart des Künstlers, so bekunden die Fresken-
bruchstücke aus der Taufkapelle der Kollegiatkirche daselbst
um so besser die Kraft seines Gefühlsausdrucks und die
Wucht seiner Körperbildung, namentlich in der Pietä, die
den Vergleich mit seiner Dreieinigkeit in S. M. Novella
nahelegt. — Andrea del Castagno's grosses Kreuzesbild
in S. Apollonia zu Florenz, das ein willkommenes Seiten-
stück in dem soeben von Heinr. Brockhaus in seinen
»Forschungen über Florentiner Kunstwerke « veröffentlichten
Fresko der Annunziata findet, kommt in der Teilaufnahme
zu voller Geltung; seine wenig bekannte Lünette mit dem
von zwei Engeln gestützten Christus im Grabe, im Durch-
gang zum ehemaligen Klosterhof von S. Apollonia, dem
jetzigen Militärmagazin, wird mit Recht als grossartiges
Hauptwerk seiner reifsten Zeit gepriesen, sowohl wegen
der auf vollkommener Beherrschung der Verkürzung be-
ruhenden Raumausfüllung, wie namentlich wegen des bei
ihm seltenen, ergreifenden Gefühlsausdrucks. — Die beiden
interessanten kleinen Bildchen aus dem Museum Poldi-
Pezzoli und dem Museum der Kollegiatkirche von Empoli
möchten zunächst doch eher noch allgemein der Nach-
folgerschaft Masaccio's überlassen, als geradeswegs auf den
Namen des jungen Fra Filippo getauft werden, zumal nament-
lich das letztere wenig zu diesem Künstler passen will. — In
den Bemerkungen zu der von einem Strassentabernakel stam-
menden und nach S. Giov. de'Fiorentini in Rom verbrachten
Madonna in Fresko von Baldassare Peruzzi wird viel
dankenswertes Material für die Jugendgeschichte dieses
Künstlers beigezogen. — Sehr interessant sind auch die
 
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