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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Sauer, Joseph: Franz Xaver Kraus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0121

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13
Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 15. 13. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H aasen stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

FRANZ XAVER KRAUS

Es war in den späten Abendstunden des Sil-
vestertages. Nichts von der hellen Freude, mit der
man in den Villen und Gasthöfen San Remos das
Scheiden des alten Jahres beging und das Kommen
des neuen erwartete, drang in die spärlich erleuchtete
Palmenallee, die von Westen her längs des, Strandes
dem Bahnhof zuführt. In feierlich ernster Majestät
breitete der königliche Baum seine Arme über die
Strasse, stumm und regungslos dem Toten, der in
dieser Stunde unter ihm hinwegzieht, den letzten ehr-
furchtsvollen Qruss zu bieten; die dumpfe, schwere
Klageweise, mit der das Meer dicht daneben den
letzten Gang des Mannes begleitet, der wie wenige
das Grosse und Urgewaltige in Natur und Menschen-
seele erfasst und verstanden hat, stört in diesem
Augenblicke kein anderer Lärm und keine andere
Melodie. Scheu und neugierig zugleich sehen die
vereinzelten Vorübergehenden nach dem Trauerwagen;
wen er mit sich führt, weiss keiner. Unbekannt, wie
der Tote hierher gekommen als Heilungsuchender,
zieht er nun auch von dannen. Wie er einsam im Leben,
im kleinen Kreise treuer Freunde dahingegangen ist,
zu gross, um von der Menge verstanden und geliebt
zu werden, zu stolz, um glücklich je zu sein, so hat
er auch den Schritt in die Ewigkeit gethan. Allein
mit drei anderen Freunden des Hingeschiedenen
folge ich dem Trauerzug in nächtlicher Stille, tiefes
Weh im Herzen, denn die letzten Stunden des Jahres
haben der Wissenschaft und der Gesellschaft einen
Mann geraubt, der kaum je ersetzt werden wird und
sie haben im Leben gar mancher seiner Freunde und
Anhänger eine unausfüllbare Lücke geschaffen. Noch
hatte er so vieles zu sagen und sein reicher jugend-
frischer Geist kämpfte gegen den schwarzen Dämon,
der sich tiefer und tiefer auf ihn herniedersenkte, mit
einer heroischen Zähigkeit an, bis der morsche Leib
zertrümmert war und die Feder der starren Hand
entfiel. Als ich ihm gerade acht Tage vor seinem
Hinscheiden (28. Dezember) zum letztenmal die Hand
reichte, da sass er über grossen und weit ausblicken-
den Plänen, die ihn noch Jahrzehnte beschäftigt hätten.
Es kann hier unmöglich ein genügender Überblick
über diese so tragisch geschlossene Laufbahn gegeben
werden. Eine Zeitschrift, welche der Pflege der

Kunst dient, kann nicht das Organ sein, über die
Bestrebungen und Erfolge des Kirchen- und Litterar-
historikers, oder über die Ziele und Wege des Kirchen-
politikers zu berichten und doch darf auch sie den
Tribut des Dankes niederlegen auf das frische Grab
in Freiburg, für die tiefgreifenden Dienste, welche
F. X. Kraus der Archäologie und Kunstgeschichte ge-
widmet hat.

Für beide Wissensdisciplinen hatte Kraus schon
in frühester Jugend die nachhaltigsten Anregungen
erhalten. Trier, wo er 1840 geboren wurde, war
seine Heimat, ein Maler sein Vater. Die grossen und
erhebenden Eindrücke, die von den Monumenten aus
einer rasch verblichenen Glanzperiode dieser Römer-
stadt ausgingen, Beispiel und Ermunterung, die er
empfing von Männern wie dem Domherrn von Wil-
mowsky, dem Baron de Roisin, der Sinn für das
Schöne in Farben und Linien, den die Ateliers der
begabten in Trier lebenden Düsseldorfer Maler Gustav
Lasinsky und Jakob Kieffer, sowie der Verkehr mit
dem Architekten Schmidt zu verleihen vermochten,
wurden von dem wissensdurstigen Knaben in die
empfängliche Seele eingeschlürft, und schufen dort
das Ideal, dem der Verstorbene zeitlebens treu ge-
blieben ist. Antike und Mittelalter haben diese ersten
Keime in den jungen Geist gesenkt; die Romantik
hat sie mächtig befruchtet. Ihr Höhepunkt war da-
mals erreicht; ein reges Streben gab sich allerwärts
kund, diese Geistesrichtung auf die verschiedenen Ge-
biete des Wissens auszudehnen. Insbesondere waren
es die Kunst und die Geschichte, welche Förderung
in unbemessbarem Grade durch die Romantik erfahren
haben. Unstreitig ging hierin Frankreich voran, eben-
sowohl durch die mächtige Anregung und Begeiste-
rung, welche Männer wie Montalembert, Rio, Ozonom
zu wecken verstanden, als durch die Exaktheit und
Gründlichkeit der Studien, welche wir einem Cau-
mont, Bastard, Didron, de Linas, Cahier u. a. m. zu
zu verdanken haben. In Deutschland entwickelte sich-
neben der Kunstpflege in der Geschichtswissenschaft
eine kirchenhistorische Schule, die durch Möhler und
Döllinger bald einen dominierenden Einfluss auf dem
Gebiete der Theologie ausübte und erst durch das
Jahr 1870 in ihrem Marke getroffen wurde. Alle
diese starken Einwirkungen erfuhren bei Kraus, der
sich dem geistlichen Stande zugewendet hatte, eine
 
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