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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Der Tag für die Denkmalpflege in Freiburg
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Urteile Arnold Böcklin's über Kunst und Künster
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0011

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Urteile Arnold Böcklin's über Kunst und Künstler.

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ratur abhelfen und Professor Dehio sich durch die
Herausgabe desselben den lebhaftesten Dank aller
Freunde der vaterländischen Kunst- und Geschichts-
forschung erwerben.

Während der Beratungen in Freiburg, welche
zwei Tage in Anspruch nahmen, wurden auch ein-
zelne besonders wichtige Gegenstände der Denkmal-
Pflege behandelt z. B. die Restaurierung einiger
Besonders hervorragender Baudenkmäler. Architekt
Bodo Ebhardt, der vom Kaiser mit der Restaurierung
der Höh - Königsburg beauftragt ist, gab eine Über-
sicht über die Gesichtspunkte, welche für die Er-
neuerungsbauten bei diesem köstlichsten Juwel der
deutschen Burgen-Baukunst massgebend sein werden.
Ebhardt erklärte, dass die Ergänzungen sich in jeder
Beziehung an das wirklich Vorhandene und an die
zahlreich im Schutt gefundenen Bauteile anschliessen
werden.

Über den Zustand des Strassburger Doms und
die zur Erhaltung des ehrwürdigen Bauwerks geplan-
ten Arbeiten berichtete der mit der Bauleitung des
Strassburger Doms beauftragte Dom-Baumeister Arntz;
über den Dom von Metz Regierungs- und Baurat Tornow,
über den Münster in Freiburg Regierungs-Baumeister
Kempf. Sehr interessante Mitteilungen über die Ein-
richtung von Denkmal - Archiven in Braunschweig
machte der Braunschweiger Museums-Direktor P. J.
Meier, der auf diesem Gebiete, namentlich durch das
Heranziehen der Vereine des Landes eine ausser-
ordentlich wirksame Thätigkeit entfaltet hat. Im An-
schluss daran machte Professor Clemen sehr inter-
essante Mitteilungen über die von ihm in der Rhein-
provinz eingerichteten Denkmal-Archive. Diese Mit-
teilungen waren so eingehend und vielseitig, dass der
Bericht nach dem Erscheinen des gedruckten Proto-
kolls der Verhandlungen noch näher auf die von
Clemen aufgestellten sehr wichtigen Gesichtpunkte
eingehen wird.

Nach zweitägiger angestrengter Arbeit und dem
anregendsten Ideenaustausch trennte sich die Ver-
sammlung mit dem Rufe: »Auf Wiedersehen im Herbst
1902 in Düsseldorf.« q m

URTEILE ARNOLD BÖCKLIN'S ÜBER KUNST

UND KÜNSTLER1)

Italiener: »Nein, dieser Kerl — wie heisst er doch
~~ der Signorelli! Etwas Talentloseres habe ich nie

un^f"11 'la'3e m'cn vergebens gefragt, warum

Gotteswillen der Kerl das alles gemacht, wie er
aas ausgehalten hat. Von allen Seiten aus habe ich
mir s angesehen, aber nirgends ist mir eine Erklärung
geworden. Nichts hat der Kerl zu sagen, keinerlei
künstlerischer Gedanke malerischer oder plastischer
Art, keinerlei Freude an irgend etwas, nicht einmal

1) Wir entnehmen nachstehende Auszüge mit Erlaubnis
des Verlages dem Ende Oktober ds. Js. bei der Verlags-
anstalt F. Bruckmann A.-O. in München erscheinenden
Buche: »Zehn Jahre mit Böcklin, Aufzeichnungen und Ent-
würfe von Gustav Floerke«. Gr. 8°, 17 Bogen mit 18 Ab-
bildungen. Geb. 6 Mark

am Können, nichts von Komposition oder Anatomie,
oder was es sonst sei — lauter mühseliges geduldig
nebeneinander gezeichnetes Zeug.«

»Diese alttoskanische schwarz und weisse Archi-
tektur ist sehr bezeichnend für die grossen Floren-
tiner. Sie beweist: sie verstehen ja weder was von
Architektur noch von malerischer Wirkung. Sonst
könnten sie nicht die Sache immer gerade umgekehrt
machen, wie sie gemacht sein will. Was soll z. B.
bei dieser Bauerei wirken? Die Gliederungen und
nicht die tote Mauer. Das Weiss tritt nun ohne Gnade
vor Schwarz vor, weit heraus. Sie aber haben es
umgekehrt hinten in ihren Füllungen, hinter schwarzen
Säulen oder Pilastern. Da ist dann jede Wirkung
von vornherein aufgehoben und geärgert wird man
dazu. Umgekehrt sollten die Pilaster weiss sein und
Füllungen etwa von poliertem schwarzem Marmor,
der durch diese Behandlung auch nicht mehr so brutal
zu dem Weissen stehen würde.«

»Diese Florentiner! Wenn man von den Nieder-
ländern kommt — Nacht wird's. Kinder sind sie.
Beobachtungen machen giebt's nicht. Nach 50 Jahren
hat Ghirlandajo noch nicht gesehen, dass gewisse
Farben immer vortreten (das ist ihr Charakter, bei
dem der Maler sie fassen muss), dass z. B. (in der
Natur) gewisse Rot in verschiedenen Entfernungen
verschieden wirken. Er aber setzt dasselbe hinten und
vorn hin. Kein Raum daher, keine Ruhe folglich.
Und nun: nicht einmal eine künstlerische Rechnung,
eine grössere, haben sie machen können. Nirgends
fällt ihnen etwas ein zur Sache. Wo ein leerer Raum
bleibt, wird ein Gewandschnörkel oder ein Blumen-
töpfchen hingemalt. Eine Wirkung, z. B. die mit
dem Teppich, mit der Mauer etc., einmal entdeckt,
wird unerbittlich weiterbenutzt als das A und O.

Nie haben sie etwas zu erzählen, etwas mitzuteilen:
die Niederländer sind bis in die kleinsten Finger-
spitzen voll. Kinder sind die Florentiner in der Kunst,
ärmliche hohle Gesellen sind diese Botticelli etc.
Während so ein van Eyck-Schüler durchempfunden
ist bis ins kleinste, und doch all dies Kleine nur
wieder aus der liebevoll durchempfundenen, alles be-
lebenden Idee, aus dem Grossen heraus, als mit dem
Ganzen Eins er- und empfunden ist.«

»Nein, dieser Rogier van der Weyden z. B. Bis
ins letzte, kleinste hinein alles belebt, alles durch und
durch verstanden, alles künstlerisch, nirgends gepfuscht.
Und womit und wie das gemalt ist, ist nun vollends
ein Rätsel. Gemalt scheint es überhaupt nicht. Man
sieht keine Arbeit, kein Sichabmühen mit wider-
spenstigem Material. Mit Öl, Firnis oder was wir
sonst haben, ist das nicht gemalt.

Daneben nun die besten Italiener als Maler. Gleich
hört's auf, überall setzt das Können aus — und nun
gar an Stellen, wo sie sich unbeobachtet glauben!
Nehme man selbst jedes Bild von Tizian, z. B. gleich
die »liegende Venus« (Uffizien) und sehe sich den
grünen Vorhang an. Meinetwegen hatte Tizian sich
schon ausgesprochen und wollte sich nun nicht mehr
 
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