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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Heft 19 (20. März 1902)
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Ruge, Clara: Das New Yorker Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0153

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 19. 20. März.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin sw., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H aasen st ei n & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DAS NEW YORKER KUNSTLEBEN

Von Clara Rüge in New York

Noch mehr als für alle anderen Genüsse des New
Yorker Lebens, ist die »Saison« für die Darbietungen der
bildenden Kunst eine kurze und übermässig bedrängte;
so dass, wer den gestellten Anforderungen gerecht wer-
den will, sich durch die Genüsse, welche Oper, Theater,
Konzerte, Gesellschaften und Kunstausstellungen bieten,
kaum durchwinden kann. Daher die Oberflächlichkeit
in allem, daher die Spaltung der Gesellschaft in so viele
kleine Gemeinden, deren j'ede einer oder höchstens
zwei Richtungen des Interesses folgt. Diese höchst
unrepublikanische Klasseneinteilung, bei welcher für
die bildende Kunst nur ein kleiner Bruchteil des
Publikums übrig bleibt, ist einer der Krebsschäden
unseres Lebens, welcher einer Durchdringung des
Kunstgefühles in die weiten Schichten der Bevölkerung
im Wege steht.

Im Oktober fängt die New Yorker Theatersaison
an, im November — dies Jahr ausnahmsweise erst
im Dezember — die Opernsaison, Konzerte nahmen
auch ihren Anfang erst gegen Weihnachten; die
eigentliche Kunstsaison beginnt aber erst nach Neu-
jahr. Einige Vorzügler, so die Ausstellung des
»Watercolorclub« und kleinere Privatausstellungen in
den Kunstsalons der 5. Avenue wagen sich wohl
im November und Dezember hervor, aber der Haupt-
tross der Kunstausstellungen kommt im Sturmschritt
im Januar angesaust, dann jagt in dem Kunstgebäude
der »American Artists« eine Ausstellung die andere,
denn seit die Akademiker ihr Gebäude verkauft haben,
ist dies der einzige Ausstellungspalast für grössere
Zwecke und selbst die früheren Gegner, die
Akademiker, müssen jetzt hierher zu Gaste kommen.
Mit Ende April spätestens muss das ganze Repertoire
von Jahresausstellungen erledigt sein. Die heissen
Sommermonate sind hierzulande eine unmögliche
Zeit dafür. So bleiben also ganze vier Monate
für die Ausstellungen. Früher, als die Academy ihr
eigenes Gebäude besass, hielt sie eine kleine Herbst-
ausstellung — um die Weihnachtszeit — und eine
grosse Frühjahrsausstellung im März und April — die
gewöhnlich mit derjenigen der »American Artists«
gleichzeitig fiel. Diese sind unsere Secessionisten.
Die Jungen wurden den Herren Akademikern zu

modern und zur Zeit da der französische Einfluss
des Impressionismus hier eine sehr rege Nachfolger-
schaft zeitigte, befahlen die gestrengen, etwas alt-
modischen Herren von der Academy den Stürmern
und Drängern ihr Haus zu verlassen. Nachdem diese
sich einige Jahre in einer kleinen gemieteten Galerie
für ihre Ausstellungen beholfen hatten, vereinigten
sie sich mit den Architekten und denjenigen Kunst-
studenten, die ebenfalls nicht mehr unter den Fittichen
der Akademiker studieren wollten, und mit Hilfe
der Vanderbilts und anderer Geldmatadoren ward
für die drei Gesellschaften »The American Artists«,
»The Architectural League« und »The Art Students
League«, welche miteinander »The fine Art Society«
bilden, der Kunstpalast an der 57. Strasse erbaut —
woselbst die Akademiker nun, während die anderen
Gesellschaften die Räume gerade entbehren können —
auch ihre Ausstellung halten, nur eine im Jahr, seit
sie obdachlos sind! Man verkaufte das weniger in
der Architektur, als durch schön eingeteilte Innen-
räume sehr anmutige Gebäude, um ein grösseres in
dem neuen Teile der Stadt auf den Cathedralheights,
wo auch die Columbiauniversität steht, zu erbauen.
Aber — weiter als zur Erlangung des Grundstückes
haben derzeit die Mittel nicht gelangt und man tröstet
sich damit, dass heutzutage die Gegend doch noch
eine zu entlegene ist, bis das Centrum der Stadt,
nachdem die neue Untergrundbahn eröffnet sein wird,
nördlicher gerückt ist. De facto aber hat die Academy
mit Verkauf ihres Gebäudes und Einstellung einer
Ausstellung und Abhaltung der andern im Gebäude
der einst ausgewiesenen und jetzt mächtig heran-
geblühten Jungen, diesen die Führerschaft im Kunst-
leben New Yorks vollständig abgetreten. Sie sind
inzwischen auch gereift, haben sich die Hörner abge-
laufen und in ihren Ausstellungen findet wohl jede
neue Richtung, die ernst zu nehmen ist und tüchtige
Vertreter hat, noch immer Aufnahme, aber für jede
neue Unart sind sie nicht mehr zugänglich, was schon
daraus hervorgeht, dass die allerradikalsten aus ihrer
Mitte sich schon wieder abgesondert haben und die
Gesellschaft der »Ten American Artists« gebildet haben,
die eigene Ausstellungen veranstaltet, — bei deren
Anblick es einem manchmal sonderbar zu Mute wird! —
Aus der Nachfolgerschaft Manet's, welche übersieht,
dass dieser eminente französische Meister, trotz seiner
 
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