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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Ein Werk von Jodocus Vredis
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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0138

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259

Londoner Brief.

260

Vredis geführt zu haben. Er starb als Prior des
eben genannten Klosters im Jahre 1540. Von seinen
Kunstwerken sind uns noch einige erhalten, die man
mit Bestimmtheit als die von ihm verfertigten bezeichnen
kann, sie tragen nämlich die Signatur des Künstlers.

Seine Hauptthätigkeit scheint der Künstler in den
Jahren 1500 bis 1531 entfaltet zu haben, da er zu
der Zeit als Mönch in der Kartause weilte. Soviel
uns bekannt, sind drei seiner grössten Reliefs bis auf
uns gekommen. Eins derselben befindet sich im
bischöflichen Museum zu Münster, ein anderes im kgl.
Kunstgewerbemuseuni zu Berlin und ein drittes, und
zwar das vollständigste, im Museum zu Osnabrück (s. d.
Abb.). Während die zwei erstgenannten nur aus einem
Mittelstück bestehen, nämlich aus einer Madonna im
Rosenhag, ist das letztgenannte ein Flügelaltar, nämlich
die Madonna im Rosenhag als Mittelstück und je
zwei Heiligenfiguren auf den Flügeln. Das Mittel-
stück stellt die Herz und Gemüt des Beschauers
wunderbar lieblich anmutende Madonna im Rosenhag
dar. Maria, das Jesuskind auf dem Schoss haltend,
sitzt in geflammter Strahlenglorie auf der Halbkugel,
die Mondsichel kommt unten an ihrem Kleide zum
Vorschein. Über ihrem Haupte halten zwei lang
bekleidete Engel eine Krone. An der rechten und
linken Seite Mariae ist ein Engel. Der zur Rechten
trägt ein Spruchband mit Noten und den Worten:
»Ave Domina Angelorum«, der zur Linken zeigt die
Worte: »Ave Regina Coelorum«. Unten rechts an
der Halbkugel ist ein Blumenkübel, aus dem üppige
Rosen hervorwachsen, links sieht man eine landschaft-
liche Zeichnung. Der freie Raum ist mit stilisierten
Wolken und Sternchen ausgefüllt; über den krone-
tragenden Engeln spannt sich ein Halbbogen. Das
ganze Mittelbild wird von Leisten rechtwinklig um-
geben. In den oben sich bildenden zwei Winkeln
steht, umgeben von Rankenwerk, in einem runden
Medaillon je ein Evangelistensymbol, Adler (rechts)
und Engel (links). Unter dem Bilde ist eine Leiste
mit sieben kleinen Heiligenfiguren. — Das Ganze
wird an drei Seiten eingefasst von einer Leiste, welche
einen lateinischen Hexameter zum Lobe der Gottes-
mutter enthält. Den Abschluss unten bildet ein Streifen
mit Medaillon in der Mitte und dem Spruche memento
mori. In dem Medaillon stehen die Buchstaben J. H. S.,
in Strahlen darunter die Meistersignatur Fr. Jodocus
Vredis. — Die Flügel enthalten Figuren von vier
Heiligen: rechts St. Barbara oben und Dorothea unten;
links Lucia oben und Maria Magdalena unten, wie
dieses auf der Abbildung zu sehen ist.

Der gebrannte Thon, aus dem das Altärchen ge-
fertigt ist, hat eine weissliche Färbung und ist von
mittlerer Härte. Das Relief ist gut erhalten, doch
leider hat es einige Risse bekommen, ohne jedoch
der Schönheit der Figuren oder Gesichter Eintrag
zu thun.

Das hier beschriebene Stück stammt aus dem Be-
sitze der Familie von Korff auf Suithausen und ist |
von dieser seit drei Jahren im Osnabrücker Museum
aufgestellt. Es befand sich in einer jetzt abgebrochenen
Kapelle in Suithausen wahrscheinlich seit 161 y.

Einige kleinere Thonbilder befinden sich noch in
Privatbesitz, doch ist bei allen nicht mit Bestimmtheit
anzugeben, ob sie wirklich von Jodocus stammen,
da nicht alle die Signatur des Meisters tragen.

H. S.

LONDONER BRIEF

Die gesamte englische Tages- und Fachpresse be-
schäftigte sich mit der, bei Gelegenheit der Vollendung
der Monumerttalwerke in der Siegesallee, und der Enthüllung
der gemalten Qlasfenster im Kunstgewerbemuseum Berlins
zum Gedächtnis Kaiser Friedrich's und seiner Gemahlin
gehaltenen Reden Kaiser Wilhelm's, als mit einem, auf dem
Kunstgebiet nicht zu übersehenden, bedeutenden Ereignis.

Die »Morning-Post«, das konservativste, und dasjenige
der grossen Morgenblätter, welches in nahester Beziehung
zum englischen Hofe steht, sagt in einem »Kunst und
Künstler« überschriebenen Artikel, den ich hier im Auszuge,
ohne jeden Kommentar wiedergebe, folgendes: »Die Voll-
endung der Siegesallee in Berlin, welche dem deutschen
Kaiser den Text zu einer seiner charakteristischen Reden
lieferte, ist schon an und für sich eine höchst bemerkens-
werte Thatsache, aber doppelt interessant für uns, weil das
grosse Nationaldenkmal für die Königin Viktoria im Ent-
stehen begriffen ist«.

Es folgt danach eine kurze Anführung der betref-
fenden Bildwerke in der Siegesallee unter Nennung der
ausführenden Bildhauer. Der Schwerpunkt des Artikels
findet sich in den nachstehenden Sätzen: »Der Kaiser ist
der Ansicht, dass diese Künstler an Verdienst denen der
italienischen Renaissance gleichzustellen, und dass die Ber-
lin besuchenden Fremden von ihren Werken geblendet
sind. Der Totaleindruck gewährt allerdings eine über-
raschende Neuheit und einige der Gruppen erheben sich sogar
über das Niveau einer achtbaren Mittelmässigkeit, in der
Hauptsache indessen wird uns nur ein gering inspirierter
Realismus geboten. Das Beste an den ganzen Arbeiten
erscheint uns das im einfachen Stil gehaltene dekorative
Element. Aus Italien sind jedenfalls bessere Werke, aber
auch aus Deutschland solche hervorgegangen«.

Auf Veranlassung des Kolonialministers Chamberlain
wurde die gerade zur Zeit nicht besonders taktvolle Agi-
tation in Scene gesetzt, um seitens Englands ein Shake-
speare-Denkmal in Rom zu stiften. Wäre diese Idee in
irgend einem anderen Augenblick als unmittelbar nach der
Schenkung Kaiser Wilhelm's an die Stadt Rom, angeregt
worden, so hätte man dieselbe unbedingt freudig begrüssen
können. Unter den obwaltenden Umständen sagt sich
aber alle Welt, dass in der Hauptsache nur politische
Motive vorliegen, um Shakespeare zu einem Standbilde
in der ewigen Stadt zu verhelfen.

Nächst der Winterausstellung der alten Meister in der
Königlichen Akademie bildet das bedeutendste Ereignis
auf dem hiesigen Kunstgebiet die Ausstellung in der
»New-Gallery«, welche für ein Krönungsjahr in sehr passen-
der Weise eine Sammlung von Porträts englischer Herr-
scher und ihrer Angehörigen, sowie bezügliche Reliquien
enthält. Da diese Ausstellung eine ebenso vorzügliche,
als auch eine sehr umfangreiche ist, so soll Ausführlicheres
in nächster Zeit über dieselbe berichtet werden.

In Ryder Street Nr. 10 wurde ein neues Kunstinstitut,
die »Ryder-Gallery« eröffnet, das sich besonders gut, durch
eine Ausstellung von Werken Legros und Miss Almond
Withrow's, in London einführte. Der erstere ist nament-
lich durch Radierungen, Zeichnungen und auch durch einige
Gemälde vertreten, so unter anderen »Abendlandschaft«,
»Flussscene«, »Gewitter«, »Motiv aus Burgund« und »Das
 
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