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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Heft 19 (20. März 1902)
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Ruge, Clara: Das New Yorker Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0155

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Das New Yorker Kunstleben.

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unter den American Artists — einige Vertreter;
aber meist dokumentiert sich diese auch nur im
Einzelfigurenbilde. F. S. Church, der die Naturkräfte
durch weibliche Figuren von viel Grazie in der
Linienführung zu symbolisieren liebt und sie mit den
verschiedensten Tieren umgiebt, hat diesmal den
Eulen und Bären, die er schon oft in seine Dar-
stellungen einbezog, Valet gesagt. Seemöven, in deren
Mitte sich eine Jungfrau des Meeres in kühler Flut
erquickt und Wölfe, die ein Waldweib geleiten, haben
diesmal seinen Pinsel inspiriert. Im übrigen aber
sind es Landschaft und Porträt, die zu den besten
Bildern Gelegenheit gaben. Da ist Van Boskerk mit
seinen ungemein reizvollen Wald- und Feldgemälden,
F. K. M. Rehn bringt Seestücke, die zwar nur den
Ozean darstellen ohne Küste, ohne Schiff, aber eben
den Ozean in seiner einsamen Allgewalt, dann Robert
C. Minor, der Landschaften malt von ungemein tief-
gesättigter Farbenpracht, Wälder, die an die Barbizon-
schule mahnen. Er wird neuerdings durch den in
ähnlichen Tinten arbeitenden George H. Bogert durch
noch kräftigere Technik übertroffen. Bogert erinnert
oft an Diaz. Ferner darf George Iness jun. nicht
vergessen werden, der mehr und mehr die wunder-
same Palette seines berühmten Vaters entdeckt, Leonard
Ochtman, der Bilder von liebevoller Beobachtung von
See und Land uns bietet. Irving Conse, der ganz
Franzose ist und zwar Plainairist, aber nicht die grelle
Sonne, sondern das Dämmerlicht, wenn das Tages-
gestirn sich senkt und das Abendgestirn aufsteigt,
sich wählt, um die feinen Reflexe jener Stimmungen
auf ein stilles Dorf und seine Bewohner, oder auf
einen einsamen Küstenstrich wiederzugeben, Walter
L. Palmer, der das Sonnenlicht auf der schneeigen
Landschaft oder dem halbgefrorenen Teich mit vir-
tuoser Naturwahrheit wiederzugeben weiss, H. W.
Ranger, der die herrliche Glut in unserer Herbst-
landschaft zu seinem grünblauen Himmel ganz pracht-
voll zu stimmen weiss und dessen rostfarbene mächtige
amerikanische Eichbäume mit jeder deutschen Eiche
die Konkurrenz aufnehmen können, und W. Meritt
Post, dem auch unser vielfarbiger amerikanischer
Herbst die Sujets für feingestimmte Landschaften
liefert. Sie alle, aus vielen andern, die in 'einem aus-
führlicheren Bericht Erwähnung finden müssten, will
ich als unsre bedeutendsten Landschafter, die in der
Akademieausstellung vertreten waren, herausgreifen,
dazu noch zwei Junge von deutschem Blut, die nach
manchem Kampf seit kurzem hier zu Ehren gelangt
sind: Edward Potthast, ein Freilichtmaler, der unge-
mein scharf und klar beobachtet und auf einer farben-
kräftigen aber hellen Palette für Menschen, Tiere und
Landschaften mit genialer Kraft die richtigen Töne
zu finden weiss — und dann wieder in Symbolismus
und feiner Stimmungsmalerei sich zu versenken ver-
steht, wie sein ungemein poetischer Elfentanz vor
wenig Jahren uns kund that. Der Mondschein auf
der nächtlichen Waldwiese, welcher sich in weib-
lichen Körperlinien auflöste, ein mir unvergessliches
Bild! — Dann Albert Groll, der junge Münchner,
dessen an Corot gemahnende Landschaften, voll un-

endlichen zartem Farbenreiz, wir dies Jahr auf den
Ehrenplätzen der Ausstellung fanden, nachdem ihm
Jahre lang die Anerkennung seines bedeutenden Talents
versagt blieb. —

Im Porträtfache und im Figurenbilde überhaupt
grosse Kompositionen fehlen — seien erwähnt:
Henry Mosler, der in Frankreich gereifte, aber von
deutschem Gemüt durchhauchte Genrebilder aus dem
amerikanischen ländlichen Leben und aus dem der
Normandie bringt, Caroll Beckwik, derzeit der be-
liebteste hiesige Porträtmaler in der Gesellschaft, der
scharf charakterisiert, aber doch nie karikiert, dem
aber Frederick Naegele gewaltig Konkurrenz machen
würde, wenn er nicht meistens vorzöge, statt Bildnissen
Studien zu malen, die aber doch Porträts sind. Er
verfügt über eine ungemein warme Palette und seine
Technik ist sehr einfach, daher die Farbe durchsichtig
und klar. Junge Frauen und Kinder malt er mit
Vorliebe und trifft den Ausdruck der »Madonna« in
seinen jungen Müttern ganz vorzüglich. Jedes junge
Weib mit dem Kind im Arm gestaltet sich ihm zu
einer modernen Madonna — obgleich er ihnen diesen
anspruchsvollen Namen nicht beilegt. — Ein höchst
charakteristischer Maler ist Harry Roseland, der uns
in der letzten Akademieausstellung, sowie bei allen
früheren Gelegenheiten in das Leben unserer dunkeln
Mitbewohner einführte. Mit ungemeinem Farbensinn
und sehr viel Humor weiss er Scenen aus dem Leben
der dunkeln Rasse darzustellen, die er gern mit einem
schönen, jungen, blonden Weib — seiner eigenen
Frau — konterfeit. »Bei der Kartenlegerin«, »die Wahr-
sagerin« u. s. w. sind von ihm bevorzugte Sujets.
De Cost Smith hingegen zeichnet sich durch Scenen
aus dem Leben der Indianer des Westens aus, die er
mit ungemeiner Lebendigkeit darstellt. — Als reli-
giöser Maler wäre wohl nur Elliott Daingerfield zu
nennen. Clara Mc. Chesney darf nicht übersehen
werden, als eine der trefflichsten unter den Genre-
malerinnen. Charakterköpfe oder Scenen aus dem
Bauern- oder Proletarierleben sind ihr Feld. Sie ver-
fügt über eine virtuose kräftige Technik, die durch-
aus nicht die Damenhand verrät. Ferner gehört es
sich wohl, dass ich Irving R; Wiles gedenke, da
er sehr beliebt ist als Porträtmaler. Er besitzt auch
eine höchst elegante Malweise und wird all den
schönen Stoffen und Juwelen, die seine hohen Protek-
torinnen tragen, gerecht — aber die Seele vermisst
man. Freilich besitzen auch nicht alle seine Modelle
aus den Multimillionärskreisen eine solche. In der
letzten Akademieausstellung war er übrigens nicht
durch eine Dame der Plutokratie, sondern durch das
Bildnis einer unserer beliebtesten Schauspielerinnen,
Julia Marlowe, vertreten, — deren Reizen er aber
kaum gerecht geworden ist. — Die kommende Water-
coloraustellung wird zum grossen Teil von denselben
Malern beschickt werden, sofern sie in Wasserfarben
arbeiten. Auch die Ausstellung der American Artists
bringt fast dieselben Namen. Man hat ja schon daran
gedacht, beide Gesellschaften, da sie nicht mehr anta-
gonistisch sind, zu vereinigen. Allerdings, verschiedene
bedeutende Künstler, die nicht in der Academy aus-
 
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