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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Heft 19 (20. März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0157

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Ausgrabungen und Funde.

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zumal ihm dieser erzählte, dass er die Figur verschiedenen
Autoritäten gezeigt habe. Um sich aus der ungewissen
Situation zu ziehen, erklärte Bode, er würde die Bronze
lieber erst kaufen und dann begutachten. Der Händler
nannte ihm einen sehr mässigen Preis, aus dem hervor-
ging, dass er die Figur nicht als Donatello erkannt hatte,
fügte aber hinzu, dass er auch mit der Schätzung Bode's
zufrieden sein würde. Dieser zog es vor, den geforderten
Preis zu acceptieren, der seiner eigenen Schätzung nach
sehr viel höher hätte sein müssen.

Der Taufbrunnen von. S. Giovanni in Siena ist auf
seinem sechseckigen Aufsatz, wie bekannt, mit Bronze-
statuetten von Putten bekrönt, von
denen einige von Donatello, andere
von der Hand des Turini urkund-
lich herrühren. Merkwürdigerweise
fehlt aber auf einer der sechs Ecken
die Figur, und — noch merk-
würdiger: in allen Büchern über
Siena wird von den sechs Putten
gesprochen (s. a. das neueste Buch
über Siena von Luise Richter S.
134), während sich thatsächlich
nur fünf Putten auf dem Gesims
des Brunnens befinden und die
sechste fehlt. Drei davon ergeben
sich auf den ersten Blick als Werke
Donatello's, die beiden anderen
(oder wie die Beschreibe!' fälschlich
sagen: die drei anderen) als Arbei-
ten des Turini.

Da nun die jetzt zum Vor-
schein gekommene Statuette, die,
wie Bode in dem letzten Hefte
der »Jahrb. d. pr. Kunsts.« näher
begründet, durchaus dem Donatello
zuzusprechen ist, sich in Stellung
und Bewegung gerade den anderen
drei Donatelloputten auf dem Brun-
nen ergänzend anschliesst, genau
die gleiche Höhe hat, und auf
demselben Muschelsockel ruht, so
unterliegt es keinem Zweifel, dass
wir hier die fehlende Eckfigur des
berühmten Brunnens haben. Seit
wann die Figur von ihrem Bestim-
mungsorte entfernt ist, ja, ob sie
ihn überhaupt jemals inne hatte,
ist bisher ebensowenig aufzuklären
gewesen, wie der Stammbaum
ihrer Besitzer.

Dass das historisch merkwürdige
Objekt auch als Kunstwerk von rei-
zendster Anmut ist, zeigt die neben-
stehende Abbildung. Wie wir hören, hat es der Direktor
der Abteilung, der die umfangreiche und fein gewählte
Sammlung von Renaissancebronzen gerade noch in letzter
Stunde zusammenzubringen wusste, zugleich mit der
Statuette einer Karyatide von Ghiberti dem Museum zum
Geschenk gemacht. ^

Eine neue Katakombe in Alexandria. Herr Prof.
Dr. Strzygowski hat aus Alexandrien einen Brief des Herrn
Heinrich Bindernagel erhalten, der eine wichtige Ergänzung
zu den im Februarhefte der »Zeitschrift für bildende Kunst«
veröffentlichten Entdeckungen bildet; wir lassen die Mit-
teilungen hier wörtlich folgen: Alexandria, 29. Januar 1902.
Endlich heute Vormittag ist es mir gelungen, in die Pharos-
Katakombe einzudringen. Was ich gesehen habe, hat mich

Bronze-Putto von Donatello.
Kgl. Museum
(Vergleiche nebenstehenden Aufsatz)

ausserordentlich befriedigt. Auf circa 20 Stufen, die aus
dem Fels gehauen sind, steigt man hinab. An einer Bie-
gung der Treppe gut erhaltenes, grosses Wandgemälde,
Scene aus dem ägyptischen Totenkultus, Horus mit 3 Fi-
guren. Am Ende der Treppe betritt man einen länglichen,
gewölbten Raum, an dessen weiss getünchten Wänden
rohe Zeichnungen und griechische Inschriften. Ein Kriegs-
schiff mit Turm, Bewaffneten und Feuerkorb, ein Segel-
boot, Ibis, Phallus u. s. w. u. s. w. Von diesem Raum
gelangt man in einen quadratischen Lichthof, dessen Wände
Alabaster-Imitationen in stucco zeigen, in einer Ecke Zu-
gang zu einer tiefer liegenden, gut erhaltenen Cisterne.

An den Lichthof schliesst sich eine
reich in Marmor-Imitation gewölbte
Kammer mit Seitenkammern, dar-
unter eine dem Eingang gegenüber
von hervorragender architekto-
nischer Ornamentierung, Uranus-
fries und geflügelte Sonnenscheibe
über der Thür, links und rechts
vom Eingang zwei kleine Sphinxe
aus Sandstein mit nach der Seite
gekehrten Köpfen. Diese Haupt-
kammer, in deren Mitte sich ein
kleiner zerbrochener Altar befin-
det, zeigt an Wänden und ge-
wölbter Decke reiche Malereien
mit Miniaturdarstellungen, die der
griechischen Mythologie entnom-
men zu sein scheinen. Die Farben
sind stark verwittert, doch treten
einzelne nackte Figuren deutlich
hervor; auch die Osiriskrone mit
den drei Federn kehrt oft wieder.
Die Malereien sind in Kassetten
angebracht. — Nebenan eine zweite,
weniger dekorative Katakombe mit
einem Sarkophag.

H. Bindernagel.

Über die Ausgrabungen in
Baalbek, die seit Jahresfrist unter
Leitung von O. Puchstein ausge-
führt werden, liegt jetzt ein vor-
läufiger Bericht vor. Das Haupt-
ziel der Unternehmung ist die
gründliche Untersuchung des be-
rühmten Sonnentempels; doch ist
das eigentliche Tempelgebäude von
den Ausgrabungen noch nicht er-
reicht worden, sie erstrecken sich
bisher im wesentlichen auf die Auf-
klärung der mitdem Tempel verbun-
denen Nebenanlagen. Die Ruinen-
stätte ist so gestaltet, dass vor dem
Tempel ein gewaltiger Hof lag, der an den drei freien Seiten
von Säulenhallen eingefasst ist. In diesen Hof gelangte man
durch einen sechseckigen Vorhof, gleichfalls mit Säulen-
umgang und offenen Sälen, und ihm waren gewallige
Propyläen, eine Vorhalle mit Säulen, vorgebaut. Um was
für Dimensionen es sich hierbei handelt, mag dadurch er-
läutert werden, dass die Seitenlänge des Hofes etwa
120 Meter, die der Propyläen etwa 75 Meter und die Länge
einer jeden Seite des sechseckigen Vorhofes etwa 30 Meter
beträgt. — Im Auftrage des Kaisers werden derzeit Mess-
bildaufnahmen des Sonnentempels gemacht.

Ausgrabungen, die in den Ruinen des alten Tralles
bei dem heutigen Aidin gemacht wurden, um Marmor für
den Bau einer Moschee zu finden, haben, wie die »Köln.

Berlin,
 
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