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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Bredius, Abraham: Galerie hervorragender Gemälde erster Meister: (Auktion Köln 5. - 6. Nov. 1901 Lempertz' Söhne)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0042

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Galerie hervorragender

Gemälde erster Meister.

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Vorwort eines Dr. N. (wer ist N.? solange man nur
N sagt, fehlt jede Autorität) der fortwährend von
den »ersten Kennern und Forschern«, von Morelli etc.
redet, und die Sammlung »eine der bedeutendsten,
die seit langer Zeit auf den Markt gelangt«, nennt.
Man reist nach Köln, sieht einen Haufen »Croutes«,
wozwischen kaum ein paar gute, und noch ein paar
leidliche Bilder, sitzt dabei, während Strohmänner die
ärgsten Schundbilder, die ein ernster Kenner nicht
um 100 Mark, ja nicht um nichts haben möchte, in
die Tausende auftreiben, hört als Käufer dann nur
obskure Namen, und kehrt ärgerlich Köln wieder den
Rücken. Wie soll man dieses Treiben nennen? Wenn
man in Köln Spiritus mit der Etiquette: Johann Maria
Farina, bestes Kölnisches Wasser, verkauft, wird man
bestraft. Wenn man wertloses Zeug mit grossem
Wortschwall als herrliche Kunstwerke käuflich anbietet
(z. B. Nr. 20, als jungen Bellini: Erlös 21 M., Nr. 19,
nach einer langen Auseinandersetzung über Bissolo,
Pasqualino und dem ganz jungen Tizian heisst es:
»Sollte es ein Tizian sein . . . .« Erlös 40 M. etc.)
dann .... kann man nur schimpfen und seine Zeit
bedauern, die man einer solchen Auktion gewidmet.

Noch nie wurde aber dem Publikum mit solcher
Raffiniertheit Sand in die Augen gestreut. Die un-
bekanntesten Namen von Meistern des 13. und ^.Jahr-
hunderts werden zitiert, Bilder erwähnt in der Kathe-
drale von Macerata, in der Sammlung Scarpa zu
La Motta, in der Kirche zu Candide, in S. Maria
Nuova zu Gubbio etc. etc.! Man denkt: Nun, der
Mensch muss ja alles gesehen haben und weiss zu
urteilen. Jede Notiz, oft eine ganze Seite lang, steht
zwischen Oänsefüsschen, damit man ja sehen soll,
dass es Gelehrtheit des Dr. N. ist. Die Firma Lem-
pertz begnügte sich früher mit Notizen wie z. B.:
Herrliches Bild in schönstem Silberton des Meisters,
in reichem Goldrahmen. Das kannte man schon und
war ziemlich unschuldig. Hier aber, bei einem sehr
verdächtigen Bilde (Nr. 29), dass mir wie eine nicht
sehr alte Fälschung vorkam, lange zu demonstrieren,
warum es nicht von Raffael, aber sicher und bestimmt
von Sebastiano del Piombo sein müsse, und zwar eins
der besten Porträts des Meisters, das ist doch etwas
zu stark! Fast alles wurde denn auch zurückgekauft
durch Strohmänner Namens Habel, v. Neufen und durch
Heberle selbst. Ich will nur ein paar Bilder erwähnen.

Nr. 13, männliches Porträt, dem Moroni zuge-
schrieben, in der Art des Jacopo Bassano; eingekauft.
Nr. 14, kein Ribera; diese alte Frau erinnerte an die
Porträts des Spaniers El Greco (zurückgekauft; das
Bild trug schwere Übermalungen). Nr. 15 und 16,
(»vortreffliche, genial behandelte Bilder«) dem Salvator
Rosa ungerechter Weise zugeschrieben, gingen fort für
40 und 21 M.! Das unglaublichste war ein angeblicher
Oiorgione (Nr. 22) ein total verputztes, ruiniertes,
schlechtes Bild, unter dem Einfluss des Paris Bordone
entstanden, aber jetzt ohne jeglichen Wert, das auf
17 100 M. getrieben wurde!!! Nr. 38 war ein wirk-
lich guter Leandro Bassano (»die Karawane«), welche
von Dr. Fastenrath zu 790 M. preiswert erworben
ist. Dieser kaufte auch Nr. 44, Porträt, angeblich

von der Hand des grossen Velazquez; mir kam es
eher vlämisch vor, von einem der vielen van Dyck-
Nachahmer, wie Franchois und dergleichen. Sicher
nicht Velazquez! (880 M.! auch kein Velazquez-
Preis!) Nr. 45, der heil. Antonius von Padua in
Verzückung erschien im »Klassischen Bilderschatz IV«
als Murillo. Gutachten der Herren Bayersdorfer und
Reber, die Dr. N. nicht versäumt in seinem Katalog
abzudrucken, haben mich nicht überzeugen können.
Das Bild ist von spanischer Hand, wirklich schön,
und der ekstatische Ausdruck prächtig, aber es ist kein
Murillo. Vielleicht ein Ribalta, oder Cereso. — Mu-
rillo's Malweise finde ich hier nicht. Das Bild wurde
mit 13 500 M. zurückgekauft. Das war auch der
Fall mit dem sogenannten Claude Lorrain (II), Nr. 47,
(490 M.). Nr. 49, ein Christus dolorosus vom älteren
Cranach, war ein entsetzliches Bild, nach Dr. Scheibler
echt, aber von ganz widerwärtigen Realismus — z. B.
die grosse faulende Speerwunde in der Mitte, die blut-
rünstigen Hände! — doch ich staunte, dass es noch zu
920 M. einen Käufer fand. Oder ist Herr Liszt auch ein
Strohmann? Sogar die Rosa di Tivoli waren nur Kopien!

Nr. 53, eine naive Landschaftsstudie des Herri-met
de Bles (Civetta) war Kuriosum, aber nicht bedeutend.
Ein sehr grosser, manierierter Hemessen, Christus am
Ölberg, wurde auf 5500 M. getrieben und behalten.

Nr. 55, fälschlich de Bray genannt und falsch
mit dem //«^-Monogramm bezeichnet, ging um
1100 M. zurück. Es war ein etwas rohes, aber effekt-
volles Porträt eines unbekannten Lokalkünstlers um
1635—40, wie es deren so viele in Holland gab.

Nr. 56 eine niederträchtige Kopie nach einer
Madonna von van Dyck in Wien, mit Änderungen
— ging, trotzdem der Katalog es »die vollkommen
ausgeführte Studie« zu diesem Bilde nennt, um
385 M. zurück. Ein echter, etwas verdorbener
Droochsloot wurde dagegen um 40 M. verkauft. Das
»Rembrandt 1637« bezeichnete Monstrum, eine Frau
mit einem Tier, das der Katalog Meerkatze nennt
(hier werden Rembrandt's Studien in einer Menagerie
in Amsterdam von 1637 erwähnt!), konnte nicht ein-
mal 35 M. erzielen. Bei Nr. 61 wird ein Salvator
Rosa in Amsterdam erwähnt, der mir leider unbekannt
blieb. Dieses Bild ist aber wohl eine Malerstudie
aus dem 19. Jahrhundert. Nr. 62, Kanallandschaft, sehr
braun, mit retouchierter Luft, war doch auch kein
Solomon von Ruysdael. Am meisten erinnert es an
Johannes Schoeff, an den auch Dr. Hofstede de Groot
dachte. (2140 Mark, verkauft!) Auch eine kleine
»Marienhof« bezeichnete Landschaft (Nr. 63) wurde
mit 400 M. zurückgezogen.

Nr. 64 war kein Fyt, auch hier und da stark über-
malt, aber dennoch ist diese Kaninchenfamilie ein
reizvolles und anziehendes vlämisches Bild in der Art
des P. Boel. (1000 M., Merklinghaus.) Nr. 65 schien
mir ein /. de Mosscher, auch erinnerte es etwas an
den kleinen C. Vroom in Berlin. Nr. 66 war einmal
eine prächtige kleine Marine von Abr. van Beyeren;
leider war die Eiche überall durchgewachsen, so dass
man überall in Wasser und Luft das Holz sah. Noch
war es von schöner Wirkung und nicht gerade ver-
 
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