Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

DOI Artikel:
Weixlgärtner, Arpad: Zwei Noten zum venetianischen Skizzenbuch
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0050

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
83

Zwei Noten zum Venetianischen Skizzenbuch.

84

wird auch sofort klar, warum er
seinem Greifen die Flügel stutzte,
und warum er das Geschirr weg-
Iiess. Er brauchte eben einen
Greifen überhaupt und nicht ge-
rade denjenigen aus den Schluss-
gesängen von Dante's Purgatorio,
der den Siegeswagen der Kirche
zieht, und dessen Flügel zwischen
den Lichtstreifen, welche die
Flammen der sieben Leuchter
zurücklassen, hindurchragen und
so hoch sind, dass sie dem
Aus der Annahme,

Abb. 1.

Florentinischer
Hälfte des 15.

Niello aus der zweiten
Jahrhunderts

Blick entschwinden,
dass Pinturicchio Botticelli
kopierte, lässt sich ein Schluss auf die Entstehungs-
zeit der beiden Zeichnungen ziehen. Vom Herbste
1481 bis zum Herbste 1483 arbeiteten Botticelli und
Pinturicchio zusammen in der Sistina. Dass Pinturicchio
nach 1483 den Greifen aus Botticelli's Zeichnung
zum 30. Gesang des Purgatorio in sein Skizzenbuch
kopierte, ist so gut wie ausgeschlossen, denn 1483
kehrte Botticelli nach Florenz zurück, das er bis zu
seinem Lebensende kaum mehr auf längere Zeit ver-
liess, während Pinturicchio die nächsten zwanzig Jahre
fast ununterbrochen in Rom verbrachte. — Botticelli's
Illustrationen zum Inferno fallen jedenfalls noch vor
den August 1481, denn zu dieser Zeit erschien in
Florenz Landino's Dante - Kommentar mit Stichen,
welche bereits jene Zeichnungen Botticelli's benützten1).

1) F. Lippmann, Zeichnungen von Sandro Botticelli zu
Dante's Göttlicher Komödie. Berlin, Grote, 1887, p. 9 und
10 des Textes.

Fegefeuer und Paradies entbehren
im Kommentar der Illustrationen.
Schon aus diesem Umstände
möchte man folgern, dass Botti-
celli 1481 die Bilder für Fege-
feuer und Paradies, also auch die
Illustration zum 30. Canto des
Purgatorio noch nicht geschaffen
hatte. Denn, dass der Künstler
einen Gesang nach dem andern
illustrierte, ist in der Natur der
Sache begründet, und das in Rede
gehört zum drittletzten Canto des
so gewonnene Wahrscheinlichkeit,

stehende Blatt
Fegefeuers. Die
dass Botticelli's Blatt nach 1481 entstanden ist, wird
dadurch erhöht, dass der Künstler im Herbste 1481,
wohl nur wenige Wochen nach dem Erscheinen von
Landino's Kommentar, nach Rom zog. Vermutlich
entschloss sich Landino, als er von Botticelli's Ab-
sicht, dem Rufe des Rovere-Papstes Folge zu leisten,
Kunde erhielt und so die Möglichkeit, von dem
Künstler weitere Vorlagen für die Kupferstiche seines
Buches zu erhalten, ins Ungewisse hinausgeschoben
sah, den Kommentar unvollständig illustriert heraus-
zugeben. Ist es so einerseits wahrscheinlich, dass die
von Pinturicchio benützte Botticelli-Zeichnung erst
nach 1481 entstand, so ist es andererseits, selbst an-
genommen, das Blatt hätte bereits früher existiert,
wahrscheinlich, dass Pinturicchio vor 1481 nicht in
die Lage gekommen wäre, es zu kopieren. Vor dem
genannten Jahre wissen wir von Pinturicchio so gut
wie nichts. Dass er vor 1481 in Florenz war, ist

Abb. 2. Blatt aus dem Venetianischen Skizzenbuch. Perini Nr. 74. Braun Nr. 143. Kahl Nr. 35, p. 5S s.
 
Annotationen