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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0083

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»49

Institute und

Gesellschaften.

150

Geschöpfe zu beseelen und »mit Effekt auszustatten «, und
zweitens dadurch, dass er die Dinge nur nach der Ober-
fläche bildet und so die Freiheit gewinnt, sie in vollendeter
Gestalt zu geben. Daraus zieht Goethe freilich die miss-
liche Folgerung, dass der Künstler nun auch verpflichtet
ist, Vollstrecker der Ideen der Natur zu sein. Er dürfe
daher nichts als das Gesunde und Vollkommene machen,
und müsse das Unvollkommene beiseite lassen. Für eine
so gewaltige Aufgabe braucht der Künstler nach Goethe
Regeln, aber nicht aus der Theorie, sondern aus der künst-
lerischen Tradition von Generationen geschöpfte, die ihm
zeigen sollen, was er zu erstreben und was zu vermeiden
habe. Kunst und Natur, die Diderot »amalgamieren« will,
sind nach Goethe's Wort keineswegs eins, sondern stehen
in prinzipiellem Gegensatz. Der Künstler hat ein anderes
Ziel die Beseelung — und will sein Werk nicht neben
das der Natur stellen.

Zum Schluss giebt Goethe zu, dass der französische
akademische Lehrgang pedantisch sei, lehnt jedoch die
Meinung ab, dass ein selbstergriffener Weg der beste sei
und alles Schlimme von der Schule komme. Ein Kunst-
werk, das ideale Formen zeigt, könne Lob verdienen, auch
wenn in ihm fast alle Natur erloschen sei, ein Satz, den
er selbst paradox nennt und den auch wir nur als einen
solchen werden hinnehmen können. Denn durch die Vor-
schrift, dass der Künstler nur Idealgestalten darstellen solle,
würde dieser in einer für unsere heutige Empfindung un-
erträglichen Weise beengt werden. Wenn wir auch das
Hässliche auf uns wirken lassen, ohne davon nieder-
gedrückt zu werden, so beruht das auf einer Entwicklung,
die wir seitdem durchgemacht haben und zum grossen Teil
wieder Goethe selbst verdanken.

Hierauf folgte ein Vortrag des Herrn Warburg über
flandrische und florentinische Kunst im Kreise des
Lorenzo Medici um 1480«. Um den Einfluss jener
auf diese richtig abzuschätzen, kommt es zuerst dar-
auf an, die persönlichen Vermittler festzustellen. Als
solche kommen vor allem die Vertreter der Medici in
Brügge in Betracht, von denen Tommaso Portinari als Be-
steller des Triptychons des Hugo v. d. Goes von S. Maria
Nuova bekannt ist, aus dem Ghirlandajo die Gruppe der
anbetenden Hirten für das Bild der Sassettikapelle ent-
lehnt hat. Die noch nie gestellte Frage nach dem Ent-
stehungsjahr der Arbeit des H. v. d. Goes findet ihre Be-
antwortung durch eine von dem Bruder des Tommaso für
die Steuerliste (Kataster) von Florenz im Jahre 1480 ge-
machte Altersangabe über die einzelnen Familienmitglieder.
Denn da auf den Flügeln des Triptychons neben Tommaso
und seiner5,Gattiii (Maria Baroncelli) nur die vor 1475 ge-
borenen Söhne Antonio und Pigello und die älteste Toch-
ter Maria mit den Namensheiligen dargestellt sind, ergiebt
sich eben dieses Jahr als Entstehungszeit des Bildes. Um
1480 hört die Geschäftsverbindung Tommaso's mit den
Medici auf, und 1482 tritt Maria Portinari ins Kloster ein.
Damals muss also die Familie nach Florenz übergesiedelt
und mit ihr wird auch das Bild dahin gekommen sein.
Zu den Portinaris steht auch ein anderes flandrisches
Werk, ein Bildnis aus dem Spital von S. M. Nuova, in
Beziehung, das'neben dem heiligen Benedetto wahrschein-
lich den gleichnamigen Neffen Tommaso's darstellt. Ein
in^den Uffizien befindliches Doppelporträt bietet durch die
Wappen der Besteller eine Handhabe zur Bestimmung der
Dargestellten. Dasjenige des Mannes weist auf die Fa-
milie der Bandini Baroncelli hin, und aus dieser, über die
wir die Geschichte des Scipione Ammirato besitzen, kann
nur ein 'gewisser Pierantonio, der Nachfolger Portinari's
in Brügge], der eine Maria Bonciani zur Gattin hatte, in
Betracht kommen, da das Wappen der Frau diesem Ge-

schlecht gehört. Zu einem ebenso sicheren Ergebnis ge-
langt man endlich hinsichtlich des berühmten Weltgerichts-
bildes des Hans Memling, das, für Florenz bestimmt, im
Jahre 1473 mit der Galeere, auf der es abgeschickt worden
war, in die Hände des Hanseatischen Freibeuters Paul
Benecke fiel und dadurch nach Danzig in den Besitz von
dessen Rhedern kam, die es in der Marienkirche auf-
stellten. Hier giebt wieder die Wappenkombination den
gewünschten Aufschluss. Das Wappen des Mannes stimmt
mit dem der Familie Tani überein, das andere weist auf
die Familie der Tazzi oder Tanagli hin. Und ein Angelo
Tani, der nach den Florentiner Steuerlisten 1466 eine Ca-
terina Tanagli, eine aus den Briefen der Mutter des Filippo
Strozzi wohlbekannte Persönlichkeit, geheiratet hat, war,
wie aus burgundischen Urkunden und aus den im Floren-
tiner Archiv erhaltenen Geschäftsverträgen hervorgeht, vor
Tommaso P. mit der Vertretung der Medici in Brügge be-
traut. Das erklärt zugleich den Gegenstand des Bildes,
auf dem sein Namensheiliger, der Erzengel Michael An-
gelo, den Mittelpunkt bildet. Ausser bei der Verfolgung
dieser persönlichen Beziehungen hat das Florentiner Archiv
dem Vortragenden auch neues Material für den zweiten
Teil seiner Aufgabe, die in der Durchforschung des
Kunstbesitzes der Medici nach den alten Inventaren be-
steht, durch die Entdeckung eines solchen der Villa Ca-
reggi aus dem Jahre 1482 geliefert. Es bietet manche Er-
gänzungen zu einem schon von Müntz veröffentlichten In-
ventar derselben Villa von 1512 und führt unter der aus-
drücklichen Bezeichnung als »flandrische Tuchbilder« sech-
zehn Gemälde an. Davon sind auffallenderweise zehn welt-
lichen Inhalts, so z. B. eine Gesellschaft, die »morresca«
tanzt, wodurch man unwillkürlich an die ganz von bur-
gundischer höfischer Kultur abhängigen Baldinistiche er-
innert wird. In einer Beschreibung bacchanalischer Fi-
guren im Pal. Riccardi, die eine Quaresima umgeben, hat
schon J. Burckhardt zweifellos richtig eine Verspottung
der Figur der Fastenzeit erkannt. Dazu bieten ein irriger-
weise »Squarcione« benannter Stich in Florenz und die Dar-
stellung einer Fastnachtsprozession, die der Vortragende
in Amsterdam fand, analoge Belege. Das von den Ita-
lienern als spezifisch flandrisch empfundene Thema aber
war der »Hieronymus im Gehäus«. So malte diesen Ghir-
landajo in engem Anschluss an die Flandrer, ihre Klein-
malerei eigentlich nur in grossen Massstab umsetzend,
Botticelli dagegen in Konkurrenz mit ihm S. Agostino ganz
im Sinne der italienischen Kunst in pathetisch bewegter
Auffassung. Im Gegensatz zu dieser, war es die seelische
Interieurstimmung, welche die Italiener den Flandren! ab-
zugewinnen trachteten, ohne dass dieses Streben eine nach-
haltige Wirkung hinterliess. o. W.

Rom. Archäologisches Institut. In der Festsitzung am
13. Dezember wies Professor Petersen zunächst auf die
Bedeutung Winkelmann's hin, der die Gesamtheit der an-
tiken Kunstgeschichte ins Auge gefasst hatte, während heute
die Spezialforschung bemüht ist, die Grenzen des For-
schungsgebietes räumlich, zeitlich und sachlich zu erweitern.
Anknüpfend an den 70. Geburtstag von Alexander Conze,
einen Tag nach dem Geburtstage Winckelmann's, gab der
Vortragende ein kurzes Bild der Schaffensthätigkeit des
verdienstvollen Gelehrten, die vor allem die Inseln des
Thrakischen Meeres, Samothrake und Pergamon umfasst
hat. Nach einem Hinweis auf die ausgehängten Tafeln
des neuen Heftes der vom Institut herausgegebenen antiken
Denkmäler, wurde der durch den Tod ausgeschiedenen
und der neugewählten Mitglieder des Instituts gedacht.

Dann erhielt Professor Löwy das Wort, welcher als
Schüler Conze's die von diesem zuletzt behandelte Statue
eines Adoranten im Berliner Museum besprach. Professor
 
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