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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Baumgarten, Fritz: Hans Baldung in der Nachfolge Dürer's
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Schleinitz, Otto von: Der Bildhauer Onslow Ford
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0092

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hängigkeit des oberrheinischen Meisters von dem Nürn-
berger allenthalben mit Händen zu greifen: überall Dürer'sche
Gedanken, Motive, Gestalten, doch ohne die überzeugende
Kraft, die nur eine aus dem Eigensten schöpfende Per-
sönlichkeit, nie aber ein noch so begabter Gefolgsmann
auszuüben vermag.

Auch die grösste Schöpfung Baldung's, der Hochaltar
im Freiburger Münster (von Terey I, 39—41), steht ganz
unter dem Bann von Dürer's Gestaltungen. Man vergleiche
nur seine Himmelfahrt Maria, seine Flucht nach Ägypten
mit den entsprechenden Blättern von Dürer's Marienleben.
Ohne diese Holzschnittfolge von 1510 hätte Baldung's
Altar von 1516 in mehr als einer Hinsicht ein ganz anderes
Gesicht bekommen. Das wird am deutlichsten an der aus
dunklem Holz geschnitzten, stark vergoldeten Predella
dieses Hochaltars, für die Baidung zweifellos (s. u.) die
Visierung entworfen hat. Auf nebenstehendem Blatt findet
man unter A B C D vier Schöpfungen Dürer's vereint,
denen Baidung seine Motive zum grossen Teil entnahm.
Aus A stammt der berittene Türke 1 am linken Rand der
Predella: vgl. hier und dort das gesteppte Wams, den
Bogen und vor allem den schräg hängenden Köcher mit
den langen Pfeilen. Aus A stammt auch der Mohrenkönig
2: beachte sein in den Nacken geworfenes Lockenhaupt,
seine Mantille mit dem breiten Saum und dem bis zur
Erde reichenden Zipfel, seinen Federnhut, sein Schwert,
seine Stulpenstiefel und das kostbare Horn in seiner Linken.
Nur das linke Bein ist auf der Predella eigentümlich nach
aussen verdreht: aber gerade diese Beinverdrehung ist für
Baidung in hohem Masse charakteristisch und kehrt auf
einer ganzen Reihe seiner Werke störend wieder (vgl.
von Terey E, 7. 17. 20 46 und sonst). Diese Abänderung
des Dürer'schen Bewegungsmotivs in das für Baidung be-
zeichnende scheint mir der deutlichste Beweis dafür, dass
unsere Predella in der That auf Baldung's Entwurf zurück-
geht. Aus A ist auch der knieende König 3 entnommen:
man vergleiche ausser dem ganzen Habitus des Knieenden
auch Einzelheiten, wie die reich drapierten Ärmel, den
Kragen, die aufgebogene Fusssohle mit den Sporenriemen,
den grossen Turban, der vor dem König am Boden liegt.
Auch der Durchblick rechts oberhalb von dem Knieenden
scheint auf A zurückzugehen: hier wie dort blickt man in
einen gewölbten Raum mit zwei Bogenthüren; und über
diesem Raum öffnet sich auf beiden Bildern rechts oben
noch ein kleineres Gewölbe. Aus B stammt die ganze
linke Wand des Stalles mit dem Thorbogen, mit der
treppenförmig abgestuften Bruchstelle vorne, mit dem nach
rechts angebauten schrägen Dach für die Krippe. Auch
ganze Kleinigkeiten, wie das zerstörte Stück Dach links
oben von dieser Stallwand, wie der vorkragende Stein
über dem Pförtchen, kehren hier und dort genau in der-
selben Weise wieder. Dass die Madonna 4 aus C ent-
lehnt ist, leuchtet wohl ohne weiteres ein: nur Affe und Vogel
sind weggelassen, das Lockenhaar der Maria reicher ge-
geben, die Schleppe ihres Gewandes noch etwas mehr
nach rechts hingezogen. Im übrigen erstreckt sich die
Übereinstimmung bis in die einzelnen Faltenmotive. Auch
die Bewegung des Kindes ist in der Hauptsache die gleiche,
nur dass sein linkes Beinchen mehr gestreckt erscheint als
auf Dürer's Kupferstich. Wir dürfen nicht vergessen, dass
es immerhin ein Baidung war, der die Dürer'schen Ge-
danken zusammenborgte: dass er das Entlehnte auch nach
Bedarf etwas umzugestalten wusste, kann uns bei ihm
wahrhaftig nicht überraschen. Ausgiebigst hat er endlich
den Kupferstich D verwertet: die Gestalt des Josef 6 ist
offenbar von Dürer entlehnt, nur im Gegensinn. Des-
gleichen der Ziehbrunnen in jeder Linie. Ausserdem aber
die ganze rechte Wand des Stalles samt der lückenhaften

Dacheindeckung. Und zwar geht die Entlehnung wieder
bis in die einzelnen Quadern. Nur der anbetende Hirte 5
unter dem Bogenpförtchen scheint freie Zuthat, ist es aber
nicht: wir entdecken ihn genau so auf D, nur an etwas
anderer Stelle und mehr im Hintergrund. Nicht zu über-
sehen ist das auffallend kleine Format von 6: aus der
Perspektive erklärt sich dies Missverhältnis zu der nächsten
Figur des dritten Königs nicht. Der Josef geriet samt
seinem Brunnen so winzig, einfach deshalb, weil er aus
dem kleinfigurigen Kupferstich D entlehnt wurde, während
die anderen Figuren nach grösseren Vorlagen gearbeitet
sind!

Überhaupt rächte sich die Entlehnung, wie immer,
so auch bei Baldung's Predella. Der König 2 sollte doch
vernünftigerweise durch die runde Pforte zum Stall ein-
gehen, wie der Josef auf B dies thut. Statt dessen steigt
er bei Baldung vorne um die Coulisse. Und eine sehr
schwache Stelle zeigt die ganze Komposition zwischen 5
und 6. Die Schnitzerei setzt sich aus zwei sehr ungleichen
Stücken zusammen, die mit Schrauben auf den gemeinsamen
Hintergrund aufgeschraubt wurden. (Man erkennt deut-
lich die vier Schraubenköpfe des grösseren, die zwei des
kleineren Teiles.) Zwischen 5 und 6 stossen diese zwei
Teile nun aneinander, aber nicht so, dass man die Fuge
nicht störend empfände. Das Gebirge des Hintergrundes
ist hier in durchaus unmotivierter Weise unterbrochen, und
wohin das Treppchen zwischen der rechten Stallwandung
und dem Ziehbrunnen eigentlich führt, bleibt völlig un-
ersichtlich. Man könnte auf den Verdacht kommen, dass
ursprünglich nur der grössere Teil des Schnitzwerks ge-
schaffen wurde: 'dem aber widerspricht die durch das
Altarbild fest gegebene Breite der Predella. Auch fehlte
ja dann der dritte König. Endlich empfiehlt die Dreiteilung
des Altarblattes oben Dreiteilung auch für die Predella
darunter.

Auch die anderen Figuren der Holzschnitzerei zeigen
Dürer'sche Anklänge. Doch wollte es mir zunächst nicht
gelingen, auch für sie die Originale nachzuweisen. In
seinen Tafelbildern hat Baidung eine so weitgehende An-
lehnung an seinen verehrten Meister sich nirgends gestattet:
bei einer Holzschnitzerei, für die man nur bedingtermassen
ihn selbst verantwortlich machte, scheint er sich weniger
Zwang auferlegt zu haben.

Freiburg i. B. fritz baumqarten.

DER BILDHAUER ONSLOW FORD f
Onslow Ford, einer der ersten Bildhauer Englands,
starb am 23. Dezember lgoi in London. Er war hier am
27. Juli 1852 geboren, studierte in München und Antwerpen,
in letzterer Stadt unter Buffeau. Während seines Aufent-
haltes in München im Jahre 1871 widmete sich der Ver-
storbene auch der Malerei, indessen fasste er dort den
Entschluss, ganz zu der Bildhauerei überzugehen. 1873
verheiratete sich Onslow Ford in München mit einer
Tochter des Barons Franz von Kreusser und siedelte
dann im nächsten Jahre endgültig nach London über.

Die städtischen Behörden übertrugen ihm daselbst
die Ausführung einer Statue von Rowland Hill für die
Börse. Die Enthüllung derselben fand unter dem Beisein
des jetzigen Königs und unter allgemeiner Anerkennung
statt. Im Jahre 1883 folgte eine Büste Gladstone's für den
liberalen City Klub und gleichzeitig sein erstes bedeutendes
Phantasiewerk, eine Statue von Linus. Die Gunst des
Publikums wandte sich ihm von nun an augenscheinlich
zu und 1885 kaufte die Königliche Akademie für die
»Chantrey-Stiftung« seine Statuette »Folly«.

Nicht minder zog in demselben Jahre die in Lebens-
grösse ausgeführte Statue von Sir Henry Irving als Hamlet
 
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