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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0101

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185

Denkmalpflege.

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keinen Widerstand geleistet haben würde; auch fehlt es
an Einsteigschächten, die zur Reinigung dringend nötig
wären, und die Dicke des Fussbodens über den Suspen-
surae (bis zu 0,50 m) würde ein Beheizen des darüber
gelegenen Raumes mehr oder weniger unmöglich gemacht
haben. Kurz, alles deutet darauf hin, dass die sogenannten
Hypokausten nicht zur Beheizung, sondern als Unterkelle-
rung zur Trockenlegung der darüber gelegenen Räume
dienten, und dass besonders bei den Baderäumen ein der-
artiger Zweck angestrebt werden musste, wird ohne weiteres
als begreiflich gelten. Die »Tubulation« der Wände, durch
welche diese trocken gelegt werden, verfolgt demnach den-
selben Zweck wie die Belegung mit Bleiplatten im Hause
des Faun zu Pompeji, durch welche jede Feuchtigkeit von
den Wandgemälden fern gehalten wurde.

Diese neue Erklärung der Hypokausten, nach der sie
nicht zur Beheizung, sondern nur zur Trockenlegung der
oberen Räume gedient haben, wird ohne Zweifel zunächst
manchen Widerspruch hervorrufen, weil sie sich von der
bis jetzt allgemein gültigen Annahme weit entfernt, ich
zweifle aber nicht, dass sie allgemein angenommen werden
wird. Zu wünschen ist, dass bei Neuentdeckungen von
Hypokausten mehr als bisher üblich war, auf etwaige
Spuren von Beheizung geachtet und, wo solche nicht vor-
handen sind, auf das etwaige Fehlen solcher Spuren aus-
drücklich aufmerksam gemacht wird, dann wird die von
O. Krell mit solchem Erfolge, scheint mir, angeschnittene
Frage bald auf die unzweifelhafteste Weise beantwortet
sein. k. Eagttauum.

DENKMALPFLEGE

Meissen. Der Meissner Dom verspricht ein zweites
Heidelberger Schloss zu werden! Eben hat Oberbaurat
Schäfer, der ja auch die Restaurierung des Heidelberger
Schlosses mit so grosser Hartnäckigkeit anstrebt, im
Meissner Dombauverein einen Beschluss herbeigeführt, der
ihm den Dom zum Ausbau und zur Restaurierung aus-
liefert. Die Sache liegt folgendermassen. Bei einem
engeren Wettbewerb kam der Vorstand des Dombauvereins
dazu, die Herren Professor Linnemann in Frankfurt a. M.
und Oberbaurat Schäfer in Karlsruhe zu nochmaliger Be-
arbeitung ihrer Entwürfe aufzufordern. Beide Entwürfe
sind im Laufe des Jahres 1901 abgeliefert worden, der
Linnemann's zeigt, wie schon sein erster, eine dreitürmige
Anlage, der Schäfer'sche wieder eine zweitürmige. Ohne
jeden Zweifel ist der Linnemann'sche weit malerischer
und genialer als der Schäfer'sche. Linnemann hat aber
den ersten Schäfer'schen Plan empfohlen und ist ge-
wissermassen zurückgetreten. So kam der Vorstand des
Dombauvereins zu dem Beschluss, der Hauptversammlung
zu empfehlen, Herrn Oberbaurat Schäfer mit dem Ausbau
und der Restaurierung des Meissner Doms zu beauftragen.
Die entscheidende Versammlung verlief folgendermassen:
Oberbaurat Schäfer legte die Baugeschichte des Domes
dar, ohne dabei irgend etwas Neues vorzubringen. Dies
war ja auch nicht zu erwarten, da über die Entwickelungs-
geschichte des Turmes völliges Einvernehmen herrscht:
im 13. Jahrhundert wurde das untere Geschoss, im 14.
nach anderem Plane das zweite Oeschoss gebaut, im
15. Jahrhundert fügte ein dritter Meister wieder nach
neuem Plane das dritte Oeschoss hinzu. Bis zum zweiten
Oeschoss bestand sicher der Plan, eine zweitürmige An-
lage zu schaffen. Die Anlage bietet wenig Eigenartiges,
mit Recht sagte Schäfer, solcher Türme gebe es Tausende.
Mit gleichem Rechte pries er den Meister des dritten Ge-
schosses als einen Künstler von höchster Genialität, der
überaus Wertvolles geschaffen habe. Diesem Meister

müsse man beim Ausbau der Türme folgen, in seinem
Geiste weiter schaffen. Es seien aber keine sicheren
Zeichen vorhanden, ob dieser Meister eine zwei- oder eine
dreitürmige Anlage geplant habe. Die Darlegungen Schä-
fer's zeigten recht deutlich, dass er sich in die besonderen
Verhältnisse des Meissner Doms und in seine Geschichte
nicht eben stark vertieft hat; er sagte daher auch, drei
Türme seien nicht üblich; er habe drei Türme bisher nur
beim Erfurter Dom gekannt. Herr Gurlitt habe ihm aller-
dings noch eine Anzahl anderer Kirchen »dörflichen Cha-
rakters« gezeigt, die auch drei Türme haben. Aber das
»Normale* seien zwei Türme, und da er keine festen An-
haltepunkte dafür habe, dass drei geplant gewesen seien,
ziehe er die Ausgestaltung nach normalem Vorbilde einer
solchen vor, die wohl als etwas Neues früher einmal
geschaffen worden sei, die ihm aber kein erfreuliches Bild
verspreche.

Die sachlichen Gründe des Herrn Oberbaurat Schäfer
für eine zweitürmige Anlage wogen nicht schwer, mit
desto mehr Aplomb warf er seine ganze Persönlichkeit,
seine »37jährige Erfahrung« und seine Kenntnis der mittel-
alterlichen Bauten in die Wagschale, wodurch er denn
auch bei dem meist aus Laien bestehenden Publikum leb-
haften Beifall erzielte. Besonders merkwürdig war dabei
noch, dass Schäfer sich am Tage vorher in einer Sitzung
des Vorstands des Dombauvereins bereit erklärt hatte,
auch noch einen Entwurf zweier dreitürmiger Anlagen zu
machen und zwar deshalb, weil sämtliche Architekten im
Vorstand sich für einen solchen ausgesprochen hatten. In
der Hauptversammlung aber erklärte er schlankweg einen
solchen Versuch seinerseits für aussichtslos, daher könne
er ebenso gut unterbleiben.

Gegen Schäfer sprach Cornelius Gurlitt mit sachlicher
Schärfe. In Bezug auf die dreitürmige Anlage wies er
ihm sogar eine bedenkliche Unkenntnis der Spätgotik nach.
An und für sich sei er (Gurlitt) überhaupt gegen den Aus-
bau der Westtürme. (In der That ist die Frage durch den
Dombauverein ganz verschoben worden. Ursprünglich
handelte es sich nur darum, den Dom, dem der Verfall
drohte, zu erhalten. Jetzt steht die ganz unwesentliche
Frage des Ausbaues der Türme im Vordergrunde der Er-
örterung.) Gurlitt sagte: Es ist gar nicht ausgeschlossen,
dass der Zufall — ähnlich wie in Erfurt — uns hinterher
ein altes Bild des Zustandes der Stirnseite des Meissner
Doms vor dem Brande von 1548 in die Hand spielt. Dann
werde man mit Bedauern erkennen, dass der Turmbau
falsch ausgeführt worden sei. Denn mit Sicherheit hätten
die Planungen nur ergeben, dass aus dem vorliegenden
Material eine wissenschaftliche Sicherheit über die ursprüng-
liche Gestalt der Türme nicht zu erlangen ist. Man soll
aber nicht in den Formen, sondern im Geiste der Alten
bauen. Die Baugeschichte lehrt, dass in jedem Jahrhun-
dert der betreffende Meister nach seinem Geschmack, also
modern schuf. Daher soll man auch den Mut haben, zu
den drei verschiedenen Plänen für die drei unteren Ge-
schosse einen vierten für das vierte Geschoss zu schaffen,
der unserem Geschmack entspricht. Da nun aber für diese
so durchaus wichtigen Gedanken die Mehrheit des Vor-
standes des Dombauvereins nicht zu haben ist, so hat sich
Gurlitt auf den Standpunkt der »stilvollen Ausbildung«
gestellt. Hier sei er nun mit Schäfer der gleichen An-
sicht, dass der entscheidende Bauteil das dritte Geschoss
sei. Als dessen Meister bezeichnete er Arnold von Westfalen,
den Schöpfer der Albrechtsburg. Von diesem gehe eine
Schule aus, die in der Folgezeit die Architektur im Meiss-
nischen beherrschte. Nun machte es Gurlitt höchst wahr-
scheinlich, dass dieser Meister den zweitürmigen Grundriss
aufgegeben und unter eigentümlichen technischen Mass-
 
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