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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Goldschmidt, Arthur: Das Hamburgische Bismarckdenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0108

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199

Das Hamburgische

Bismarckdenkmal.

200

Richter1), die einstimmig den ersten Preis Hugo
Lederer und dem Wallotschüler E. Schaudt zuer-
kannten, lebhaftesten Widerhall.

Die Bedingungen der Konkurrenz sind bekannt.
Die Aufgabe selbst war eine ungewöhnlich lockende,
nachdem es in letzter Stunde gelungen war, die in
nächster Nähe der Elbe, in belebter Stadt und den-
noch landschaftlich frei und dominierend gelegene
Elbhöhe als Denkmalsplatz zu sichern.

Und so ist denn auch die Beteiligung eine un-
gewöhnlich lebhafte gewesen. Nicht weniger als
219 Entwürfe sind eingeliefert, darunter, wie nicht
anders zu erwarten, eine fast unübersehbare Fülle
von zierlicher Konditorware und schwülstigem Bom-
bast, von totgehetzten Allegorien und verbrauchten
Posen — aber dennoch, ein Sturm von Kraft und
jugendfrischem Wagemut geht durch diese Ausstel-
lung. Nicht mehr vereinzelt, sondern Eindruck be-
stimmend ist das Streben, sich loszumachen von dem
überlieferten Phrasentum der Denkmalsapotheosen,
in eigener Sprache, manchmal schlicht und kraft-
voll, öfter noch überlaut und in wilden Geberden,
immer aber mit dem Pathos innerster Überzeugung,
das zu stimmungsvollstem Ausdruck zu bringen, wo-
mit die Gestalt eines Bismarck die Phantasie des
Volkes erfüllt hat — mit einem Worte: Verinner-
lichung der Denkmalskunst!

Kein Wunder, dass bei dieser Verinnerlichung die
Architektur die Führerrolle übernommen hat, und
zwar eine Architektur, die in bewusster Opposition
bei ihrem Neugestalten Anklänge an jede andere
Formensprache eher enthält, als an die klassische;
an keinem der elf preisgekrönten und der drei an-
gekauften Entwürfe — und bei allen ist die
Architektur von inhaltbestimmender Bedeutung —
findet sich auch nur eine der gewohnten Säulen,
kaum irgendwo ein gräcisierendes Motiv — wer
hätte das noch vor zehn Jahren für möglich gehalten?

Von inhaltbestimmender Bedeutung ist denn die
Architektur auch bei dem Lederer-Schaudt'schen Ent-
wurf: hier ist der Unterbau nicht ohne die Statue,
die Statue nicht ohne den Unterbau vorzustellen, erst
im Zusammenwirken gewinnen beide Inhalt und Be-
deutung; kurz, ein einmütigeres auf weiser Erkenntnis
der Notwendigkeit des Unterordnens gegründetes Zu-
sammenarbeiten des Bildhauers mit dem Architekten
als hier, ist nicht auszusinnen und nur so ist es, um
mit Hildebrand zu sprechen, endlich einmal erreicht,
dass die Statue oben nicht wirkt, wie ein hinauf-
gestiegener versteinerter Mensch, sondern als ein
architektonischer Teil eines architektonischen Ganzen.

Der massive, in mächtiger Rustica gedachte
Unterbau — eine Art Engelsburg — wächst auf
kreisförmigem Grundriss, in zweigeschossiger Anlage
von lebhafter, durch treppenartige Absätze vermittelter
Verjüngung, aus einer der landschaftlichen Umgebung

1) Preisrichter waren — ausser den Herren Bürger-
meistern Mönckeberg und Burchard und dem Bürger-
schaftspräsidenten Hinrichsen aus Hamburg — die Herren
Robert Diez, Haller-Hamburg, Maison, Camillo Sitte, Treu
und Wallot.

trefflich eingegliederten Terrasse empor. Der bild-
nerische Schmuck beschränkt sich auf nackte Wappen-
träger in Relief, die acht pfeilerartige Radialvorlagen
des Unterbaues beleben, sowie auf eine Relieftafel an
der Vorderseite; die Ausführung dieser Reliefs wird
zweifellos persönlichere Züge tragen, als die reichlich
michelangeleske Skizze zu einem derselben.

Diesen Unterbau nun krönt in schliessender und
gesell lossener Silhouette die barhäuptige Bismarck-
figur.

Vom ersten Tage an hiess dieser Bismarck »der
Roland« — ein Schlagwort, das von irgendwo zün-
dend in die Menge geworfen ist und dessen voraus-
setzungslose Aufnahme beredtes Zeugnis ablegt, dass
der bildnerische Gedanke Fühlung gewonnen hat.

Warum Roland? Nun, Lederer hat verzichtet,
den üblichen Kürassier darzustellen, der ja nun ein-
mal auch bei zehnfacher Lebensgrösse immer nur
ein vergrösserter Normalkürassier bleibt. Er hat statt
dessen einen gewaltigen strengen Recken mit Bis-
marckhaupt gebildet, der in mittelalterlicher Rüstung,
breitbeinig, die ausdrucksvollen Hände auf das bis
zur Brust reichende Schwert gestützt, furchtlos wachend
in die Ferne schaut; über die Schultern fällt, in
breitem Fluss nach hinten und in ernster Linie der
Seitenkonturen, ein weiter Mantel; zu den Füssen
kauern, raumfüllend, doch keine Füllsel, zwei massig
aufgefasste Adler. Die ganze Figur wirkt im emi-
nentesten Sinne plastisch, aus dem Stein heraus-
gewachsen: nirgends Löcher, überall die Vorstellung
auf das präciseste leitende Flächen, keine unklaren
Überschneidungen, von allen Seiten ein Bild von ein-
drucksvoller Klarheit und vollkommener Geschlossen-
heit der Linien, abgesehen nur von der rechtsseitigen
Hinteransicht, wo Ellenbogen und Adlerkopf in nicht
völlig bildklarer Silhouette herausschneiden.

Dabei ist die aus der Benennung »Roland< her-
vordrohende Vermengung von Typischem und Indi-
viduellem, die so leicht zur Maskerade führt, durchaus
vermieden. Hier ist kein Bismarck, der in eine alte
Rüstung gesteckt ist, hier ist auch keine symboli-
sierende Sagenillustration, hier handelt es sich viel-
mehr um die lebendige Verkörperung eines Typus.
— Heute nennt man ihn noch den Roland, als ge-
läufige, wenn auch nur entfernt treffende Typenbe-
nennung, in Zukunft wird man ihn einfach den
Bismarck nennen!

Das .Bessere ist der Feind des Guten, und so tritt
hinter diesem Werke voll herber Grösse alles andere
weit zurück, auch ein anderer, offenbar gleichfalls von
Lederer-Schaudt herrührender, Entwurf, bei dem im
Gegensatz zu jenem »Roland , das Zusammengehen
von Architektur und Plastik merkwürdig wenig ge-
löst ist.

Weit zurück tritt auch der mit einem zweiten
Preise gekrönte Entwurf von Ed. Beyrer und Franz
Rank in München, der das bezeichnende Kennwort
»Granit« trägt: Bismarck in Kürassieruniform und
Mantel, breitbeinig, mächtig emporragend auf einem
hohen, einfach gegliederten Sockel über breitem Unter-
bau, das Ganze aufgebaut aus Granitquadern.
 
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