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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Schleinitz, Otto von: Die Winterausstellung alter Meister in der königlichen Akademie von London
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Die neuen Säle der Uffizien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0116

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Die neuen Säle der Uifizien.

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und die englische National-Galerie lehnten den Ankauf
des Werkes ab, weil es ihnen nicht gut genug und vielleicht
auch nicht echt erschien. Schliesslich also erwarb es der
Bilderhändler Martin Colnaghi. Er stellte das Gemälde
in seiner Galerie aus, indessen kein Mensch kümmerte
sich darum. Er lieh es dem South-Kensington-Mu-
seum, woselbst es an einer dunklen Stelle unbeachtet Jahre
lang hing. Das Bild wurde nunmehr einer Reinigung
unterzogen, die vorzüglich gelang, so dass wir heute einen
Raphael vor uns haben, so gut wie nur irgend einer aus
jener Periode. Nur die Draperie ist etwas nachgedunkelt,
sonst kann es niemals besser ausgesehen haben.

Von Martin Colnaghi wanderte das Werk zu Sedel-
meyer nach Paris und jetzt hat es Mr. Pierpont Morgan
für die fabelhafte Summe von zwei Millionen Mark an-
gekauft.

Zu bedauern bleibt es, dass Nr. 11, 12, 14 und 17 in
der Ausstellung nicht in die unmittelbare Nähe des Altar-
blattes gebracht sind, denn es ist das erste Mal seit zwei
Jahrhunderten, nachdem die Bilder getrennt wurden, dass
vier von den fünf kleinen Werken, die ursprünglich zu
der Predella gehörten, wieder mit dem Hauptbilde in ein
und derselben Galerie vereint sind. Das fünfte Gemälde,
eine Pietä, kam nach Amerika. Nr. 11, der Baronin Bur-
dett-Coutts gehörig, stellt die Scene auf dem Ölberg dar,
Nr. 12, St. Franciscus (Dulwich Gallery), Nr. 14, »Die
Prozession nach dem Calvarienberg« (Lord Windsor) und
Nr. 17, St. Antonius von Padua (Dulwich Gallery).

Auf dem Hauptbilde ist die Jungfrau, auf einem Thron
sitzend, mit dem kleinen, den Johannes segnenden Jesus-
knaben dargestellt. Zur Linken von Maria sehen wir die
heilige Katharina, zur Rechten die heilige Rosalie. Am
Fusse des Thrones stehen links St. Petrus, rechts St. Pau-
lus; der Hintergrund ist landschaftlich gehalten. In der
oberen Lünette befindet sich Gott der Vater, zu jeder
Seite anbetende Engel. Heute bedauern alle Leute, die
überhaupt in der Lage sind, derartige Bilder kaufen zu
können, dass sie sich einen echten Raphael haben entgehen
lassen, der vor einigen Jahren noch für einen verhältnis-
mässigen Spottpreis zu haben war.

Dicht neben diesem Werk finden wir noch ein anderes
echtes Bild (Nr. 82) des Meisters, »Madonna mit Kind«,
das aber durch Restauration sehr gelitten hat. Es gehörte
früher den Orleans, dann dem englischen Poeten Rogers
und jetzt Miss. Makintosh. In dem British-Museum wird
eine Zeichnung Raphael's zu diesem Bilde aufbewahrt.
Am besten auf der Ausstellung sind überhaupt die Italiener
vertreten, dann kommen die Niederländer und Spanier.
Das wenig angenehme, aber sehr gute Gemälde von
Quintin Matsys »Die Geizhälse« zieht unwillkürlich die
Aufmerksamkeit auf sich. Eine Replik ist in Windsor, in
der National-Gallery und auch an anderen Orten noch
vorhanden. Dies Bild hier gehört Lord Cobham. Von
Dürer sehen wir »Die Iris Madonna« aus der Sammlung
von Sir F. Cook, dann ein Porträt von der Hand Mem-
ling's und zwei Porträts von Holbein gemalt und vier
Werke Rembrandt's.

Unter den Italienern zeichnen sich zwei Gemälde von
Pesellino aus, die aus dem Palast Torrigiani in Florenz
stammen und jetzt Lady Wantage gehören. Das eine der
Bilder stellt »David und Goliath«, sowie verschiedene
Episoden aus deren Geschichte, das andere den Triumphzug
Saul's und David's von Gad nach Jerusalem dar. Qut
vertreten ist endlich von italienischen Meistern noch: An-
tonello da Messina, Ghirlandajo, Bassano, Bonifazio,
Bronzino, Tizian, Franciabigio, Francia, Guardi, Canaletto,
Veronese und Tintoretto.

Durch eine Benennung der Direktion in dem amtlichen

Katalog, und zwar des Bildes Nr. 40, bin ich im höchsten
Grade überrascht worden. Hier ist zu lesen »Mona Lisa«
von »Leonardo da Vinci«. Wenn man bei geringeren
Bildern, und bei zweifelhaften Werken selbst von ersten
Meistern, gelegentlich fünf gerade sein lassen kann, so
dürfte in einem so eklatanten Falle dergleichen an offi-
zieller Stelle niemals geschehen. Ich halte das aus der
Sammlung des Grafen Brownlow stammende Bild nicht
einmal für eine gute, zeitgenössische Kopie und überhaupt
nicht italienischen Ursprungs. Das Porträt wird mitunter
»La Gioconda« genannt und hat infolgedessen Taine für
Nichtkenner einige Verwirrung in seiner »Voyage ditalie
angerichtet. Die »Mona Lisa« war die Tochter von An-
tonio Gherardini und heiratete 1495 Zanobi del Giocondo.
Das Original befindet sich unzweifelhaft im Louvre. —
Die »Cook-Galerie< hat, ausser den bereits genannten
Werken, ihren Botticelli »La Bella Simonetta« zu Aus-
stellung gesandt. o. v. SCHLEINITZ

DIE NEUEN SÄLE DER UFFIZIEN

Die Eröffnung der beiden Säle in den Uffizien, von
deren Einrichtung in Nr. 10 der Kunstchronik die Rede
war, ist nunmehr erfolgt. Der erste, der Sala di Lorenzo
Monaco folgende, enthält an der Hauptwand das Tripty-
chon des H. v. d. Goes, an der Wand rechts davon hängen
die vier Bildnisse Memling's, in ihrer Mitte den van der
Weyden einschliessend. Gegenüber Memling's Madonnen-
bild und die Doppelbildnisse von P. Christus und Massys.
Endlich noch neben dem Eingang ein Madonnenbild der
gleichen Schule. Der Fussboden ist mit blauem Fries
bezogen, dessen Farbe sich dem Auge zu stark mitteilt
und das Goes'sche Triptychon beeinträchtigt.

Sehr wirkungsvoll ist der Rubenssaal ausgefallen, ob-
wohl die Nähe für die beiden grossen Skizzen nicht so
günstig wirkt, wie die Weite des Niobidensaales. Ausser
den in der früheren Korrespondenz bereits aufgeführten
Bildern enthält der Saal zwei Werke von Honthorst, so-
wie Porträts von Pourbus und Sustermans.

Inzwischen haben eine Reihe von Bildern ihre Auf-
stellung in den Uffizien neu gefunden, die hier kurz er-
wähnt sein mögen, mit Angabe der Nummern, die sie
führen.

Im ersten Venezianischen Saal Nr. 1524 Tizian, Mater
dolorosa. Eine Variante des für Karl V. gemalten Bildes,
jetzt im Prado, von diesem etwas in Haltung abweichend.
Wahrscheinlich das in urbinatischen Papieren erwähnte
Bild von 1566, obwohl es in den Inventaren der urbina-
tischen Erbschaft (bei Gotti und Dennistown) nicht vor-
kommt. Wo ist das Gegenstück? Nicht gut erhalten,
besonders in den Fleischpartien. Die Farben von jener
reichen Unbestimmtheit, die alle Spätwerke Tizian's
charakterisiert.

Im Rubenssaal Nr. 1523 van Dyck, Doppelbildnis
zweier Edelleute. Farbig sehr geschmackvoll, aber der
Künstler hat aus den sehr vornehmen und sehr unbe-
deutenden Gesichtern so wenig zu machen gewusst, dass
man fast an van Dyck's Autorschaft zweifeln möchte.

In der Sala del Baroccio. Rechts neben dem Eingang
— wo bisher Baroccio's Porträt des Herzogs von Urbino
hing, das nun neben dem grossen Bild dieses Meisters
seine Stelle gefunden hat — hängt jetzt Nr. 1144 Giulio
Romano's Madonna. Ein treffliches, besonders anziehendes
Bild, das in früheren Jahren in der Tribuna gehangen hat.
Die Madonna sitzt nach links gewendet, hält auf dem
Schoss das kräftig bewegte Kind, welches, zu ihr auf-
blickend, mit beiden Händen die Blumen ergreift, die sie
in der rechten Hand hält. Die Linke legt Maria in ein
 
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