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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Leistikow, Walter: Otto Eckmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0241

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E.'A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang.

1901/1902.

Nr. 30/ 26. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin sw., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

OTTO ECKMANN
Von Walter Leistikow

Eckmann's Tod hat eine tiefe Lücke gerissen. Zu
dem Mitgefühl, das uns alle, die wir ihn j'ahrelang
mit unerhörter Energie gegen das schleichende Übel,
das ihn doch schliesslich unterbekommen musste,
kämpfen sahen, kommt die Erkenntnis, hier ging ein
Mann von uns, der uns viel gegeben hat, von dem
wir mehr noch erwarten durften.

Seine Werke werden durchforscht, geordnet, zu-
sammengesucht und aneinander gestellt werden, und
man wird staunen über diese Kraft, die eine so ge-
waltige Summe von Arbeit in kurzen Jahren bewäl-
tigen konnte.

Und merkwürdig, er, der ein Moderner, das heisst ein
Neuer, Erneuerer war, wird heute nicht am wenigsten
betrauert von Leuten, die mit der modernen Bewegung
kaum oder wenig Fühlung haben. Diese Thatsache
giebt zu denken. Sie zeugt von der suggestiven
Macht seiner Persönlichkeit, der spielend gelang —
woran andere Talente so oft scheitern — sich durch-
zusetzen und wirksam zu werden in breiter Masse.

Und das ist es gerade, was für uns seinen Wert
ausmachte, was uns seinen Verlust doppelt und drei-
fach fühlen lässt.

Denn die ganze moderne Bewegung wird nichts
erreichen, wenn sie nicht wirksam wird in breiter
Masse.

Heut gerade sind darum Kämpfer wie Eckmann
notwendiger wie je. Der Widerstand gegen die
Moderne wird stärker von Tag zu Tag. Neben der
Flauheit, die stets zu bekämpfen war, kommt heute
die bewusste und geordnete Reaktion der alten
Schablone, die ihre Macht und ihren Einfluss bedroht
sieht. Unterstützt noch durch das Umschlagen jener
öffentlichen Meinung, die mit ihrem gewaltigen Tam-
tamgeschrei alles zum Himmel erhebt, was ihr eine
irgend wie geartete Sensation schafft, um gleich
darauf mit demselben Eifer das errichtete Piedestal
zu vernichten und zu Boden zu zerren.

Dieser unglückliche Künstler, der Jahre lang so
schwer leiden musste, hatte in seiner Begabung eine
sonnige und heitere Art des Schaffens. Er arbeitete
rasch und leicht, sicher und fast ohne Anstrengung.
Er konnte spielend produzieren, wo andere sich mühen

und unter Seufzen plagen. Sein Talent schien nie
versagen zu können, instinktiv fand er den richtigsten
und bequemsten Weg, der jedesmaligen Aufgabe Herr
zu werden. Keine Technik machte ihm Schwierig-
keiten, als wenn die Göttinnen sämtlicher Industrie-
zweige an seiner Wiege gestanden, begriff und ver-
stand er die Anforderungen aller. Es machte ihm
nichts aus, ob er für Holz oder Metall, für Weberei
oder Papier zu arbeiten hatte. Er traf immer mit
der gleichen nie schwankenden Sicherheit für jeden
Zweck das richtige Mittel. Hätte er länger gelebt,
er hätte Gläser und Töpfe, Geräte und Schmucksachen
mit derselben Fertigkeit und derselben Schönheit er-
zeugt, er konnte alles.

Andere Künstler hat es gegeben, die Stärkeres,
Tieferes, innerlicher Erschautes geschaffen — Viel-
seitigeres, für die Bedürfnisse des Lebens Brauch-
bareres nicht. Ob seine Sachen nach zwanzig Jahren
noch so gefallen werden, mag dahin gestellt sein,
aber das ist es auch nicht, was ihn uns so wert
macht, die Grösse seines Talentes war seine An-
passungsfähigkeit und seine Wirksamkeit. Wie konnte
er arbeiten auch noch in den letzten Jahren, als ihn
die tückische Krankheit schon so entsetzlich ge-
schwächt hatte. Immer wieder raffte er sich auf von
dem Lager, griff zu seinem Stifte, entwarf neue Zeich-
nungen, korrigierte und half den Arbeiten seiner
Schüler. Seine Energie schien nicht zu ermüden,
nicht lahm zu legen. Er schuf bis zum Tode, die
Zeit war ihm so kostbar, er durfte keine Minute ver-
geuden — er wusste, was ihm bevorstand. So rast-
los arbeitend ohne Schonung für sich, ohne Rück-
sicht ging er von hinnen. Noch in den letzten
Stunden vom Bette aus malte er die Pracht, die
Lebensfreudigkeit des Frühlings, der wie zum Hohn
des Sterbenden Zimmer erhellte mit Sonne und
Glanz.

Sollte je durch den Wechsel der Mode, durch die
Laune des Zeitstils Eckmann's Werk vergessen und ver-
loren gehen, das Bild dieser rastlosen Energie, dieses
unermüdlichen Kämpfens und Strebens bis in den Tod
wird seine Bewunderung zwingende Macht behalten.
Immer wieder muss man staunen über den thätigen
Geist, der über Schwäche und Krankheit triumphierend
seinen Weg verfolgt und mit unbeugsamem Willen
zum Ziele führt. In sich trug er die felsenfeste Über-
 
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