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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Hänel, Erich: Die deutschnationale Kunstausstellung Düsseldorf 1902
DOI Artikel:
Wolf, August: Der Einsturz des Campanile
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0259

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501

Der Einsturz des Campanile.

502

geschickte Aufstellung weist eine ganze Reihe solcher
berüchtigter Dependancen auf. In den Sälen z. B.
der Münchner Secession häufen sich die »Schlager«,
während dort ein paar natürlich weniger starke, aber
doch lebensfrische Triebe verzweifelt gegen das Milieu
der Weltvergessenheit ankämpfen. Noch eine Nörgelei:
der sogenannte Ehrenhof mit seinem Durcheinander
von Gross- und Kleinplastik ist ein Begriff, den
moderne Ausstellungen schon längst aus ihrem Lexikon
verbannt haben. In Düsseldorf vermittelt er keine
tiefen künstlerischen Eindrücke, sondern allein den
luftigeren Verkehr zwischen den Sälen, entspricht
also keinesfalls seinem stolzen Namen. Von dem
Grossen Saal, der eine Art Tribuna sein möchte,
schwiege man lieber ganz: hoch oben an den von
Renaissancepilastern gegliederten Wänden Janssen's
Historienstücke, das schlechte Porträt des Kronprinzen,
Kruse'sche Büsten, ein paar gute Bilder von Zügel
und Vinnen und anderen, als Gegengewicht mehrere
krass dilettantische Blumenstücke von der Fürstin von
Hohenzollern (!) — als Ruhepunkt in der Mitte eine
Vitrine mit Tafelaufsätzen, drei bis vier Gartenstühle
und ebensoviel biedere Familiensofas aus bunter
Kameltasche: das ist das Ganze! Hoffentlich ist das
jetzt seit der Ausstellung von Klinger's »Beethoven«
anders geworden — sonst wehe dem Armen.

Noch ein paar Namen aus den Sälen von Wien,
Berlin u. s. w., da sich ein eingehendes Referat ja
verbietet. Die Wiener Secession brachte fast alles,
was sie 1901 in München und Dresden hatte: Andri,
Germela mit dem unendlich eleganten Damenporträt,
Hampel mit einer breit und dekorativ gesehenen Eva,
Klimt, Moll, Fr. W. Jäger mit einer feinen Vedute.
Berlin sandte alle seine Führer beider Lager: Lieber-
mann und Lepsius, Kallmorgen und Hugo Vogel,
Leistikow, Sievogt, Corinth, Alberts, Brandenburg.
Ulrich Hübner's wundervoll frisches »Warnemünde«
sei extra vermerkt. Aus München kam viel Sehens-
wertes: vielleicht ist der Saal der Secession der
reichste und persönlichste der ganzen Ausstellung.
Uhde, Zügel, Herterich, von Bartels, Hoch, Schräm m-
Zittau, Oppler, Stuck; dann die Leute der Scholle;
W. Georgi, Erler, Jank sind schon eines ernsteren
Studiums wert. Die Künstlergenossenschaft fällt, wie
in Wien, daneben sehr ab. Karlsruhe konnte natürlich
sein Bestes diesmal nicht aus der Heimat lassen.
Dennoch sind Biese, Conz, Schönleber, Kampmann,
Weishaupt, vor allem der herrliche H. von Volkmann
hier auf ihrer vollen Höhe. Von den kleineren
Centren brauchen Stuttgart mit Kalckreuth, Haug und
Carlos Grethe, Weimar mit Olde und Königsberg,
jetzt mit Jernberg und Dettmann, sich vor den grossen
Schwestern ja nicht zu verstecken.

Eine recht matte Limonade serviert die Plastik.
Die Düsseldorfer Buscher und Janssen bringen ganz
tüchtige Arbeiten, die alle einen merkwürdigen Mangel
innerer Grösse aufweisen. Coubilliers Graf Adolf
von Berg ist wenigstens lebendig und wirksam in der
Silhouette; Gr.^von Bochmann's des jüngeren nieder-
ländische Genrescenen vertragen den grossen Massstab
nicht. Von Dresden und Berlin kamen bekannte Werke;

Gaul's Tiere werden immer charakteristischer und
grosszügiger. Die Medaillen des Wieners Pawlik ge-
hören zum Feinsten, was ich auf diesem Gebiet seit
langem angetroffen habe.

Bliebe also, wenn wir uns die im ganzen mächtig
konservative Abteilung Baukunst und die in vielem
anziehende, aber fast ausser Sehweite gerückte »Fünfte
Ausstellung des Verbandes deutscher Illustratoren«
schenken, nur noch die angewandte Kunst. Hier
haben die Wiener das grosse Wort: Secession und
Hagenbund gaben ihren Sälen eine Ausstattung in
den grazilen, farbig raffiniert behandelten Formen, die
in teilweise kostbarstem Material die Sinne zwar
schnell gefangen nehmen, sich ihnen aber kaum ein-
prägen. Leopold Bauer's Theezimmer mit einer Wand-
verkleidung aus irisierenden Kobaltgläsern, Möbeln
aus Korallen- und Palisanderholz mit mattgrauem Be-
zug sucht seinen Reiz in der Betonung dessen, was
der normale Mensch als Ausstattung eines Thee-
zimmers — nicht erwartet. Eine verblüffende Plump-
heit und eine überfeine Anmut kämpfen im Wiener
Kunstgewerbe noch um die Herrschaft; »was deutsch
und echt, wüsst keiner mehr«, befänden wir uns
nicht in einer deutschnationalen Kunstausstellung.
Van de Velde's Zimmer lässt besonders als farbige
Komposition unbefriedigt; dagegen sind seine Schmuck-
sachen zum Teil von grösster Schönheit. Die
Münchner Werkstätten bringen wie immer unter
manchem Manierierten auch viel Feines und Persön-
liches.

Die ganze Fülle der Gesichte hier im engen
Raum zu schildern, war unmöglich. Der Katalog
zählt fast 2400 Nummern, und auch die kunst-
historische Abteilung will gesehen sein. Darum ver-
zeihe man den banalen Seufzer: Weniger wäre mehr
gewesen! Aber wir sind versichert, dass das nunmehr
doch offenkundige Ausbleiben des grossen Erfolges,
den nicht nur die Düsseldorfer von dieser Kunst-
ausstellung erhofften, diese nicht abschrecken wird,
den Wettlauf auch noch zum zweiten Male wieder
aufzunehmen. Mag sein, dass vielleicht in einem
Jahrzehnt die freundliche Industriestadt am Rhein, bei
geschulterer Technik des Ausstellens, die deutsche
Kunst als untadelhaft hochgesinnte Wirtin in würdiger
Tagung bei sich zu Gaste sieht.

ERICH HAENEL.

DER EINSTURZ DES CAMPANILE

Durch alle Zeitungen der Welt sind die Einzelheiten
des über Venedig hereingebrochenen Unglückes so ver-
breitet worden, dass wir an dieser Stelle unseren Lesern
kaum etwas Neues mitzuteilen haben. Immerhin werden
die nachfolgenden Schilderungen unseres venetianischen
Korrespondenten gegenüber mancherlei unsicheren Zeitungs-
nachrichten ihren Wert behalten. Er meldet uns:

Am 12. Juli zeigten sich Risse auf der Seite der
Loggietta, vom ersten Fensterchen ausgehend bis zum
vierten. Die Aufsichtsbehörde der Nationalmonumente
setzte Glasstreifen ein, um die Fortschritte in der Erweite-
rung der Risse feststellen zu können. Am Sonntag den
13. waren diese Olasstreifen zerbrochen. Der grosse Riss
war bis zum siebenten Fenster nach oben fortgeschritten. Am
 
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