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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0267

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517

Bücherschau.

518

Zwang, unter dem »ein lebendiges Naturgefühl, die wahre,
einfache Anschauung und Auffassung sich gar nicht regen,
wenigstens nicht zum Ausdruck kommen konnte«. Betrachtet
man die in der angeführten Mappe wieder ans Licht ge-
zogenen landschaftlichen Darstellungen, so wird man die schul-
mässige Auffassung der Natur nicht verkennen können und
namentlich in der Behandlung des Baumschlages die von Lud-
wig Richter besonders gerügte »gezackete Eichenmanier« und
die »gerundete Lindenmanier« als Manier störend empfinden.
Im ganzen aber wird man zugeben müssen, dass die
Sache nicht so schlimm war, als sie nach Richter's Worten
erscheinen könnte. Die meisten der hier vertretenen Zingg-
schüler haben es zu einer grossen Fertigkeit im Tuschen
und in der Behandlung der Sepia gebracht und erwiesen
sich als tüchtige Arbeiter auf dem Gebiet ihrer Spezial-
kunst. In erster Linie gilt das von den von Zingg selbst
herrührenden Blättern, die sämtlich mit einem entschiedenen
Gefühl für die Romantik der Dresdner Gegend gemacht sind
und grosses Geschick für die Komposition zeigen. Ein
Blatt, wie die Darstellung der »Keppmühle bei Hoster-
nitz« mit dem rauschenden Wasserfall und den drohenden
Gewitterwolken am Himmel hat auch heute noch seine
Reize und wirkt trotz der deutlich sichtbaren Manier kräftiger
und anregender, als die Aquarelle so mancher modernen
Landschafter, welche sich einbilden, der Natur ganz un-
befangen gegenüber zu stehen. Allerdings kann man mit
Sicherheit Zingg selbst nicht als Urheber dieser und der
anderen Blätter, die seinen Namen tragen, preisen. Erzählt
doch Ludwig Richter, dass sein Vater nicht allein Kupfer-
platten für Zingg gestochen, sondern auch die grossen
Sepiazeichnungen, welche dieser alljährlich auf die Kunst-
ausstellung gab, komponiert und bis auf das letzte Tüpfel
vollständig ausgeführt habe, während Zingg dann ganz
naiv seinen Namen darunter gesetzt habe. Es sei dies,
fährt er fort, auch gar kein Geheimnis gewesen und Zingg's
akademischeKollegen hätten diese Blätter seine» Ausstellungs-
arbeit, von Richter gezeichnet«, genannt. Nach den
Proben, welche die Mappe enthält, möchten wir jedoch
nicht mit Ludwig Richter seinen Vater, sondern Johann
Friedrich Wizani oder Witzani (-]- 1835) für den tüchtigsten
Schüler Zingg's halten. Er gehört zu den Künstlern, die
mit Unrecht von der Kunstgeschichte vergessen und leider
auch in der allgemeinen deutschen Biographie übersehen
worden sind. Er war kurze Zeit an der Meissner Porzellan-
manufaktur thätig und entwickelte nach seiner Rückkehr
nach Dresden als Landschaftsmaler eine ungewöhnliche
Fruchtbarkeit. Verschiedene Folgen von landschaftlichen
Schilderungen aus der näheren und weiteren Umgebung
Dresdens bis hinein in das benachbarte nördliche Böhmen,
die von der Rittner'schen Kunsthandlung in Dresden heraus-
gegeben wurden, bezeugen noch heute, was er zu leisten
vermochte. Von Wizani rührt auch das unseres Er-
achtens nach künstlerisch am höchsten stehende Blatt der
Richter'schen Mappe her. Es stellt »den Blick in den
Plauenschen Grund vom ,Kanapee' (seit 1854 Begerburg)
auf der Döltzschener Höhe« dar und ist beinahe von jeder
Manier frei. Doch wird man zugeben müssen, dass die
Kunst des Malers hier durch die Schönheit und den pitto-
resken Reiz des Vorwurfs wesentlich unterstützt worden
ist, und dass Wizani in Fällen, bei denen das Motiv
weniger günstig war, wie zum Beispiel bei der »Aussicht
vom Lincke'schen Bade« auch einmal recht steif und ledern
werden konnte. Auch sein vorzeitig durch Selbstmord
aus dem Leben geschiedener Bruder Carl August Wizani
(f 1816) ist mit einer kolorierten Radierung des Schlosses
Weesenstein in der Mappe vertreten. Unter den noch
nicht genannten Künstlern verdienen noch der Professor
Christian Gottlob Hammer (f 1864) und der Hoftheater-

maler Johann Gottfried Jentzsch (| 1826) hervorgehoben
zu werden. Im lokalgeschichtlichen und kunsthistorischen
Interesse ist es zu bedauern, dass die Blätter bis auf
wenige Ausnahmen nicht datiert sind. Die Lichtdrucke
von Römmler & Jonas entsprechen allen billigen Ansprüchen.

H. A. Lier.

Henri Hymans hat eine neue kunstwissenschaftliche
Arbeit vollendet, die Gent und Tournai behandelt und in
Seemann's Sammlung »Berühmte Kunststätten« soeben er-
schienen ist. Auch die Illustration dieses Bandes ist be-
sonders bemerkenswert, weil sämtliche Aufnahmen eigens
für das Buch nach des Verfassers Angaben gemacht sind
und vielerlei anderwärts noch nicht Abgebildetes bringen.
(Preis kart. M. 4.—.) In den nächsten Monaten bringt die
Sammlung noch Pisa (P. Schubring), Bologna (L. Weber),
Strassburg (F. Leitschuh) und Danzig (A. Lindner).
Gustav Pauli. Hans Sebald Bekam. Ein kritisches Ver-
zeichnis seiner Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte.
Strassburg, J. H. Heitz 1901. Heft 33 der Studien zur
Deutschen Kunstgeschichte. 8°. mit 36 Tafeln. 35 M.
Die Erfahrung, dass die dicksten Bücher oft den
dünnsten Inhalt haben, erfüllt den Rezensenten leicht mit
Misstrauen gegen umfangreiche litterarische Publikationen,
zu dem sich der Ärger über die ihm zugemutete Mühe
gesellt. Ich kann nicht leugnen, auch mir hat der Gedanke,
dass die Kleinmeister des deutschen Kupferstiches etwa
der Reihe nach in so voluminöser Weise wissenschaftlich
»erledigt« werden könnten, wie es Hans Sebald Beham
in diesem 522 Seiten starken Kataloge von Pauli wider-
fährt, einen gelinden Schrecken eingejagt, zumal bereits
das Vorwort Nachträge in Aussicht stellt. Aber es wäre
ungerecht, das dickleibige Buch etwa mit dem bekannten
sauersüssen Lobwort: Denkmal deutschen Gelehrten-
fleisses in die Ecke zu schieben. Es ist vielmehr — ganz
abgesehen von der quantitativen Kraftleistung — ein
gutes und nützliches Nachschlagewerk, wie deren in
unseren Tagen leider nur allzuwenige gearbeitet werden.
Einen solchen Katalog seinem materiellen Inhalt nach
kritisieren, seine zahllosen Angaben auf ihre Richtigkeit
prüfen zu wollen, könnte nur jemandem in den Sinn
kommen, der die gleiche Aufgabe seit Jahren mit gleicher
Gewissenhaftigkeit und Passion verfolgt und bearbeitet
hat. Jeder andere wird sich mit Stichproben begnügen
müssen. Soweit ich Gelegenheit fand, Einzelheiten an
dem im Berliner Kupferstichkabinett vorhandenen Material
zu kontrollieren, habe ich keinen Grund zur Beanstandung
entdeckt, es sei denn, dass von den etwa 45 Holzschnitten,
die der Verfasser neben sechs Kupferstichen und Radierungen
(meist Unica) Beham neu zuschreibt, einige sich finden,
deren Authentizität mir zweifelhaft erscheint. So vermag
ich z. B. in der detaillierten Zeichnung des bekannten Dürer
zugeschriebenen Christuskopfes (B. app. 26) nicht die
Hand Beham's zu erkennen, der in seinen Holzschnitten
wunderlicherweise sich fast immer flott und skizzenhaft
giebt. Das Zeugnis Hauer's, der die Zeichnung zu diesem
Holzstock Beham beimisst, wiegt die schweren stilistischen
Bedenken nicht auf. Auch der H. Wolfgang (Pauli 902)
und die beiden Darstellungen des Hieronymus (Pauli
893, 894), sowie der bärtige Alte (Passavant III., p. 11.
22 A.), die Pauli ebenfalls der Frühzeit Beham's zuschreibt,
überzeugen nicht auf den ersten Blick. Indes wird jeder,
der keine positiven Anhaltspunkte fixieren kann, sich bei
solchen subjektiven Zweifeln bescheiden müssen, die viel-
leicht nur einer unzulänglichen Übung des Blickes ent-
springen. Dass irrtümliche Zuschreibungen, z. B. B. 20,
147, 299, P. 260, 267—269 und zahlreiche Angaben bei
Nagler und Wessely ausgemerzt bezw. korrigiert werden,
wird allgemeine Zustimmung finden.
 
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