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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Ausstellungen

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sehen und zugleich intimen Natursinn, mit dem er vor die
Landschaft trat. Alle diese Stücke aus dem nördlichen
Deutschland, aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Italien,
Tirol haben eine beglückende, stille Klarheit der Anschauung
und Empfindung. Mit einer Sicherheit in der Behandlung
der Form, die der jüngeren Generation fast entschwunden
ist, verbinden sie eine wunderbare Feinheit und Leuchtkraft
der Farbe, vor allem aber ein so lebhaftes Gefühl für die
bestimmende Rolle der Lichtphänomene und der atmo-
sphärischen Einflüsse im Landschaftsbilde, wie es damals,
um 1840 und 1850, nur ganz wenigen in Deutschland
eigen war. Die fünf großen Gemälde, die jetzt zum Vor-
schein kommen, sind weniger bedeutsam; bis auf eines:
»Weg zwischen Buchen in Holstein«, beweisen sie haupt-
sächlich, daß auch dies kräftige Talent bei umfangreicheren
Kompositionen oft die Frische des Ausdrucks einbüßte
und eine Gebundenheit im Vortrag annahm, die den
Schweiß der Arbeit allzu deutlich erkennen läßt. Aber
diese 64 kleineren Ölbilder! Das ist eine einzige Schnur
leuchtender Perlen. Kleine italienische Küstennester, von
flutender Sonne Übergossen. Skandinavische Szenerien
von einer erstaunlichen Wahrheit in der Wiedergabe der
dünnen, klaren Luft, die sie erfüllt. Baumgruppen von
einer Tiefe und Wärme des Kolorits, die an die Bilder des
Fontainebleauer denken lassen. Dorfhäuser von einer
Weichheit und einem Klang der Tonmalerei, daß man sich
nicht satt daran sehen kann. Blicke über Wiesen und
Ebenen, in denen die Naturliebe der alten Niederländer
mit modernen Mitteln erneuert zu sein scheint. Einige
Bleistiftstudien kommen hinzu und zeigen, wie Gurlitt sich
von ganz hausbackenen Grundlagen aus zu künstlerischer
Freiheit entwickelte: sie präsentieren gut akademischen
»Baumschlag« von penibelster Sorgfalt und entfalten dabei
doch eine Kunst des Zusammenfassens, die jedem dieser
Blätter zugleich den Wiederklang eines Erlebnisses in der
Landschaft sichert. Betrachtet man diese Bilder und Zeich-
nungen, so versteht man erst recht, wie außerordentlich
stark der Einfluß Louis Gurlitts auf die Malerei der Düssel-
dorfer in jener Zeit, namentlich auf den jungen Andreas
Achenbach gewesen ist. Die Hamburger Kunsthalle hat
eine ganze Reihe dieser meisterlichen Arbeiten erworben;
hoffentlich bleibt die Nationalgalerie dahinter nicht zurück.
— Daneben bringt derselbe Kunstsalon eine Sonderaus-
stellung von Albert von Keller, dessen Lebenswerk in einem
halben Hundert charakteristischer Gemälde von 1868 bis
1910 umschrieben wird. Gerade für die richtige Ein-
schätzung dieses Münchner Künstlers ist eine solche ge-
legentliche Übersicht unentbehrlich; denn seine Art wird
erst dann wahrhaft erkennbar, wenn man die Zeugnisse
seiner eigentümlichen Vielseitigkeit nebeneinander sieht,
um zugleich auch wieder deren festen Kern zu durch-
schauen. Ein Weltmann und ein Mystiker stehen hier zu-
erst scheinbar unverbunden nebeneinander, bis man die
Einheit gewahr wird, die dahinter steht: die eigentümliche
Sensibilität eines Malers, der mit Leidenschaft komplizier-
tere und raffiniertere Farbenstellungen aufsucht, weil sich
darin auch ein nuancenreicheres, verschlungeneres Innen-
leben symbolisiert. Und dieser Ausdruck interessanter
psychischer Stimmungen, die unter der Oberfläche liegen,
aber sich doch in der sinnlichen Erscheinung spiegeln, ist
für Keller stets ein wichtiges Thema gewesen; schon in
den Zeiten, da er unter Ramberg und neben Leibi, also
in einem Kreise, der auf solche Dinge wahrlich wenig
Wert legte, sein Talent festigte. Aber was er in dieser
Umgebung an Ehrlichkeit und Gründlichkeit des Hand-
werks in sich aufgenommen, blieb ihm erhalten und
schützte ihn nun wieder davor, jemals über dem geistigen
und seelischen Gehalt seiner Gestalten und Gruppen etwa

den farbigen Ausdruck zu vernachlässigen. Im Gegenteil, der
farbige Reiz war immer der Ausgangspunkt, das Anregende;
erst von hier aus ergaben sich dem Maler die Möglich-
keiten, tiefer in das Wesen der Objekte einzudringen. Die
Ausstellung bietet in einer langen Reihe von Damenpor-
träts, mondänen Szenen, Bühnenimpressionen, Tänzerinnen-
gruppen und mystischen Experimenten hierfür fesselnde
Belege.

Dresden. Die Unger-Ausstellung in der Galerie
Ernst Arnold ist eine der imposantesten Dresdner Sonder-
ausstellungen, sie stellt die hervorragendste Ausstellung
dar, die der emsig schaffende Künstler bisher veranstaltet hat.

In den nächsten Tagen wird in Dresden die erste
Sonderausstellung des bekannten in München lebenden
Professors Walter Firle eröffnet.

Eine Verkaufsausstellung von Werken bildender
Kunst, die dem Publikum zu leicht erschwinglichen Preisen
gute Kunstwerke zugängig machen will, bereitet der Ver-
ein Berliner Künstler zur Weihnachtszeit in seinen
Räumen im Künstlerhause vor. Die Veranstaltung, die in
gleicher Form bereits in früheren Jahren mit ausgezeich-
netem materiellen Erfolge durchgeführt worden ist, wird
nach dem Schluß der Ausstellung »Das Kind« am 22. No-
vember eröffnet werden und den Dezember hindurch zu-
gänglich sein.

o Wiesbaden. Im Festsaale des Rathauses ist eine von
der Gesellschaft für Bildende Kunst veranstaltete Aus-
stellung von Werken Bernhard Pankoks und Emil Orliks
eröffnet worden. Sie umfaßt annähernd 150 Gemälde,
Zeichnungen und graphische Blätter.

XI. Jahresausstellung des Vereines bildender
Künstler Steiermarks in Graz. Es sind hübsche Sachen,
die da ausgestellt sind. Doch über dies Epiteton ornans
kommt man nicht hinaus. Es waren schon Ausstellungen
da, die mehr Genie, mehr Kraft der Einzelnen zeigten.
Damit sei nicht gesagt, daß nicht manches vortrefflich ge-
nannt zu werden verdient. Doch wollen wir nicht Lokal-
größen, sondern wirkliche Größen haben, um befriedigt
den Wettstreit aufnehmen zu können. Einer, der unbedingt
tiefe Seele mit technischem Können verbindet, ist Richard
Jakitsch. Ein Marmorrelief »Letztes Abendmahl« nach
Lionardo zeugt davon. Interessant und immer suchend ist
Ernst Wagner in seinen Bildhauerarbeiten. Noch sehen
seine Werke tief durchdacht, ergreifend aus. Er darf nicht
»gesucht« werden. Ein reizender Plauderer in Holzskulp-
turen ist Ferdinand Winkler. Von Malern hat Hans von
Bartels anerkannten und berechtigt anerkannten Namen.
Ebenso Dettmann, Douzette und Pippich. Von denen, die
in Graz wohnen, sei insbesondere auf Zoff und Pamberger
verwiesen. Vielleicht kann man zwei Weltanschauungen
erkennen. Zoff herb, Pamberger weich und zart, lieblich.
Er malt jenen köstlichen Frühling. Darum gelingt ihm
auch das Kinderporträt. Die Porträts der Alteren sagen
mir nicht zu. Ein genialer Künstler ist Konrad Bela. We-
gerer Julius fesselt durch seine Naturliebe. Noch viel Gutes
wäre zu erwähnen, doch würde dies zu weit führen.

Dr. Richard Schlossar.

Eine Sonderausstellung monumental-dekorativer
Kunst wird mit der Großen Kunstausstellung Dresden
1912 verbunden sein. Vertreter des Ausschusses waren
in Leipzig, München, Wien, Brüssel, Paris und anderen
Orten und haben sich dort Gemälde, Kartons, Entwürfe usw.
für die Dresdner Ausstellung 1912 gesichert, so daß man
hoffen kann, 1912 in Dresden einen lehrreichen Überblick
über die modernen Bestrebungen auf dem Gebiete der
monumental-dekorativen Malerei zu erhalten.
 
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